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Safer House- und Technoparties

Technoparty, Technokultur und Drogenprävention


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Ergebnisprotokoll

der Arbeitsgruppe safer House Parties
von Hans Cousto
erarbeitet am Mittwoch, 25. 10. 1995
in der Landessportschule Lindow anläßlich des Technoworkshops der
Deutschen AIDS-HILFE e.V. und der EVE & RAVE FACTORY

 

 

Safer House Technoparties – Technoparty, Technokultur und Drogenprävention

Am Workshop wurden alle Punkte, die im Referat angeschnitten wurden, besprochen. Die zwei Schwerpunkte dieses Workshops waren:

  1. TürsteherInnen und Einlaßkontrollen
  2. Akustische Gegebenheiten in einem Techno-Club

Die Ergebnisse zu Punkt eins werden in diesem Protokoll aufgeführt, die Ergebnisse zu Punkt zwei werden in einem gesonderten Protokoll von Tobias Behrens, Dipl. Ing. Akustiker (TU Berlin) dargestellt.

 

Einlaßkontrollen

Einlaßkontrollen vor Techno-Clubs sind absolut üblich und grundsätzlich sinnvoll, damit alkoholisierte, randalierende oder gewalttätige Personen die Party stören können. Darüber hinaus werden dabei Waffen aller Art, Messer, etc. den Gästen abgenommen und bis zum Verlassen der Veranstaltung vom Eingangspersonal sicher verwahrt. Durch diese Einlaßkontrollen wird ein friedlicher Verlauf der Veranstaltung begünstigt.

Raver sind im allgemeinen ein sehr diszipliniertes und friedfertiges Völkchen. So stehen die Wartenden vor dem Club in einer Schlange und es kommt selten zu Rangeleien oder Gewalttätigkeiten, und wenn es zu Handgreiflichkeiten kommt, dann sind diese meistens durch nicht zur Szene gehörenden Personen verursacht. Doch auch in diesen seltenen Fällen müssen die MitarbeiterInnen der Security in der Lage sein, den Streit zu schlichten und im Bedarfsfall auch einzugreifen und die streitenden Parteien zu trennen. Dafür müssen die Securities physisch kräftig sein und auch in dieser Beziehung ausgebildet (Judo, Karate oder eine andere Kampfkunstart).

Aus diesem Grunde werden die Securities öfters in Kampfkunstschulen oder in Bodybuildingcenters rekrutiert. Leider wird dabei oft nur die physische Fähigkeit, nicht jedoch das für diese Aufgabe sehr wichtige psychologische Einfühlungsvermögen der engagierten Securitykräften berücksichtigt. So werden manchmal BesucherInnen rüde abgewiesen oder unsanft kontrolliert und dies führt oft zu Meinungsverschiedenheiten und heftigen Diskussionen am Eingang von Techno-Clubs zwischen den Mitarbeiter der Security und den BesucherInnen.

 

Die häufigsten Beschwerden

Oft wird berichtet, besonders bei kommerziell ausgerichteten Clubs, daß die Security unfreundlich sei, die Gäste in unverschämter Weise anredete oder gar anpöbelte. Wenn Gäste abgewiesen werden, dann wird ihnen oft auch nicht der Grund genannt, warum sie abgewiesen werden, selbst bei Nachfrage nicht. Oft werden Nachfragen äußerst arrogant beantwortet.

So kann der Einlaß in einen Techno-Club zum Lotteriespiel werden. Die BesucherInnen müssen die Einlaßkontrollen wie ein Erniedrigungsritual über sich ergehen lassen. Nicht der Kunde ist hier König, sondern das Personal. Sensible Raver, die sich dem Leitmotiv der Werbung aus der Clubszene und den Veransteltern (Peace, Love and Unity) verbunden fühlen, werden somit durch diesen als Hürde empfundenen Usus abgehalten, an House- und Techno-Parties teilzunehmen.

Von einigen Clubs wird auch berichtet, daß die Gäste lange vor der Tür warten müssen, auch wenn der Andrang dies nicht rechtfertigt, das heißt, es werden immer nur zwei bis drei Gäste eingelassen, dann dauert es ein paar Minuten, bis wieder ein paar Gäste eingelassen werden, selbst wenn das Entree völlig leer ist. Hier scheint sich entweder ein Machtspiel der Security zu manifestieren oder es gehört zur Geschäftsphilosophie, daß der Einlaß erschwert wird, damit die Kundschaft sich dann drinnen als etwas Besonderes fühlen kann, weil eben andere lange warten mußten und dann nicht herein kamen, wobei dieses Gefühl durch langen Wartezeiten verstärkt wird.

Ein besonders häufig vorkommendes Ärgernis ist, daß befreundete Personen der Security oder sogenannte Pseudo-Vips an der Warteschlange vorbei eilen und dann sofort eingelassen werden. Die wartende Gäste kommen sich dann im wahrsten Sinne des Wortes übergangen vor.

Ein weiteres, häufiger genanntes Problem ist, daß Personen, die während der Veranstaltung im Club einschlafen, von den Securities zuweilen recht unsanft, zum Teil unter Anwendung völlig überflüssiger und auch unverhältnismäßig rüder körperlicher Gewalt, aus dem Club geworfen werden. Dies ist besonders problematisch, wenn die betreffende Person unter Einfluß von Alkohol oder anderen Drogen steht und Orientierungsschwierigkeiten hat, weil dies die Unfallgefahr außerhalb des Clubs auf der Straße für die betreffende Person erheblich erhöht.

 

Die Drogen, die Korruption und die Polizei

Bei großen, kommerziell ausgerichteten Clubs wird den Gästen am Eingang auch nicht selten ihr Drogenvorrat abgenommen, besonders, wenn es sich um mehr als zwei bis drei Konsumeinheiten handelt. Grundsätzlich muß hier festgestellt werden, daß es keine rechtliche Grundlage zu dieser Vorgehensweise gibt. Die Security darf zwar Gäste, die Drogen bei sich haben, abweisen, doch eine Beschlagnahme der Drogen selbst ist nicht statthaft. Mit den beschlagnahmten Drogen (Ecstasy-Pillen, Briefchen mit Speed oder Kokain) wird auch manchmal erheblicher Mißbrauch getrieben. So werden diese unter Umständen später von der Security an andere Gäste verkauft, so wie der CIA in der Iran-Contra-Affäre selbst zum illegalen Drogenlieferanten wurde und beschlagnahmte Drogen in großen Mengen in den USA verkaufte.

Securities werden oft in Fitneßstudios rekrutiert, und diese sind ja auch als Drogenumschlagplätze bekannt, vor allem für Anabolika und Aufputschmittel wie Speed und Kokain. So kommt es leider auch vor, daß die Securities selbst zu Drogenlieferanten werden und den Ravern, wie auch anderen Angestellten im Club, Speed und Kokain verkaufen, respektive einen Freund aus dem Fitneßstudio als Dealer in den Club einschleusen. Dagegen werden dann andere kleine Dealer heftiger kontrolliert und auch vorschnell abgewiesen, selbst wenn sie keine Drogen bei sich führen. So wird der Markt für den eingeschleusten Dealer freigehalten. Zum Glück sind solche Verstrickungen nicht oft zu beobachten, doch je größer und kommerzieller der Veranstaltungsort ist, desto häufiger zeichnen sich Gegebenheiten dieser Art ab.

Bei großen Clubs entstehen dann zuweilen richtige "Mafia" ähnliche Strukturen zwischen Security, Dealern, Clubbetreibern und, kaum zu glauben, auch mit der Polizei. Da in den Fitneßstudios auch recht häufig Polizeibeamte verkehren und so die Securities diese als Sportkollegen kennen, werden die Securities bei eventuellen Razzien von den Beamten verschont – man kennt sich ja – und auch von den Polizeibeamten vor den Razzien gewarnt.

Es kommt auch vor, daß Clubbesitzer oder Veranstalter, damit sie ihre Konzession nicht verlieren, genötigt werden, mit der Polizei zusammenzuarbeiten. Dann werden Polizeibeamte in die Security eingeschleust oder MitarbeiterInnen der Security werden als Spitzel angeheuert. In diesem Milieu werden allerdings selten Ecstasy-Pillen genommen, sondern da wird vor allem viel Alkohol getrunken, Speed und Kokain geschnupft, also vorwiegend die Aggression stimulierende (Ego-)Drogen. Solche Konstellationen sind meisten der Anfang vom Ende eines Clubs, da Kriminalität, Bestechung und Gewalttätigkeit sich breit machen und von der friedlichen Atmosphäre, die in der Raveszene üblich ist, nicht viel übrig bleibt.

 

Die Party fängt vor der Tür an

Die Wartezeit vor dem Club ist wie die Ouvertüre bei der Oper. Sie ist ein Teil des Abends und die Eindrücke der Wartenden vor dem Einlaß bestimmen den Verlauf der Party nicht unerheblich. Die Security ist eine Art Visitenkarte des Clubs. Eine freundliche Security am Eingang kann sehr viel zum Gelingen der Party beitragen.

So ist zu empfehlen, daß am Eingang eine Frau oder ein Mann aus der Szene die Funktion der ersten Türsteherin oder des ersten Türstehers übernimmt und die Gäste freundlich empfängt. Die Bodyguards mit "Muskelpaketen" sollten im Hintergrund bleiben und nur bei Bedarf tätig werden, wenn zum Beispiel Gäste sich den Anweisungen der Türsteherin, auch nach freundlichen Aufforderungen, widersetzen.

Es ist dringend notwendig, daß Veranstalter und Clubbetreiber den Bereichen Eingangskontrollen und Security mehr Aufmerksamkeit schenken und dieses Thema nicht mit Gleichgültigkeit behandeln. Grundsätzlich müssen die Securities besser für ihre Aufgaben vorbereitet und ausgebildet werden.

Frauen dürfen nur von Frauen durchsucht werden. Es ist einer Frau, die als Gast in einem Club feiern will, nicht zumutbar, sich am Eingang von einem fremden Mann abtasten zu lassen.

Grundsätzlich sollte sich die Security bei einem großen Club aus MitarbeiterInnen der Szene und professionellen Sicherheitsleuten einer Securityfirma zusammensetzen, niemals sollte der Securitybereich alleine einer solchen Firma übertragen werden. Bei kleineren Clubs ist es sowieso üblich, daß die TürsteherInnen aus der Szene rekrutiert werden und da gibt es auch weniger Probleme.

 

Die Security, die Sicherheit und die Gesundheit der Gäste

MitarbeiterInnen der Security sollten unbedingt im Bereich Drogen über Sachkunde verfügen und auf Notfälle vorbereitet sein. Überdosierte Drogenkonsumenten, insbesondere orientierungslos wirkende, völlig alkoholisierte Personen dürfen nicht einfach "ausgesetzt" werden, sondern man sollte dafür sorge tragen, daß sie vor Ort ihren Rausch ausschlafen können oder daß jemand sie bis zu einem Ort begleitet, wo sie sich von ihrem übermäßigen Drogenkonsum erholen können. Jemanden, der durch übermäßigen Drogenkonsum vermindert orientierungsfähig ist, einfach auf die Straße zu zerren und wegzuschicken, das kommt dem Tatbestand der unterlassenen Hilfeleistung gleich.

Glücklicherweise sind Fälle, wie eben beschrieben, recht selten, doch sollten die Securities auf solche Fälle gut vorbereitet sein.

Gäste, die für eine kurze Weile den Club ohne Jacke verlassen haben, weil sie nicht lange an der Garderobe warten wollten, um zum Beispiel etwas aus ihrem Auto auf dem Parkplatz zu holen, darf man nicht in der Kälte vor dem Club im durchgeschwitzten T-Shirt warten lassen, da die Gefahr einer Erkältung oder Lungenentzündung gegeben ist. Auch darf man im Winter keine Gäste aus dem Lokal werfen, ohne ihnen vorher ihre Jacke von der Garderobe zu geben. Wenn die Gäste "verwirrt" sind und ihren Garderobenschein verloren haben, dann muß man ihnen behilflich sein. Das Aussetzen von Gästen in der winterlichen Kälte ohne Jacke ist Körperverletzung – eine Erkältung in der Folge ist so gut wie sicher.

Manche LeserInnen dieser Anmerkungen werden sich denken, daß dies doch selbstverständlich sei, daß man mit Gästen so nicht umgeht, doch leider kann man vor großen kommerziellen Clubs immer wieder Augenzeuge von solchen Fehlleistungen im Bereich der Security werden. Hier tut Abhilfe not!

 

Fazit

Den Bereichen Tür und Security muß mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden, das Personal muß sorgfältig ausgesucht und besser ausgebildet werden. Die Security an der Tür ist die Visitenkarte des Clubs.


Fussnoten:

  1. Gehörgefährdung und Sound als Aspekte im Safer House Konzept, Ergebnisprotokoll des Technoworkshops der EVE & RAVE FACTORY vom 24. Bis 26. Oktober 1995 von Tobias Behrens; siehe Kapitel 3
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