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Drug-Checking-Konzept

für die Bundesrepublik Deutschland
erarbeitet vom techno-netzwerk berlin
für das Bundesministerium für Gesundheit


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Drug-Checking-Konzept für die Bundesrepublik Deutschland
Konzeptioneller Vorschlag zur Organisation von Drug-Checking
Eine Diskussionsgrundlage

 

  1. Drogengebrauch im Spiegel der Statistik

Die potentiellen Nutznießer eines Drug-Checking-Programms in verschiedenen Bevölkerungsgruppen sind nicht genau zu quantifizieren, da der Gebrauch von psychoaktiven Substanzen, respektive Ecstasy, repräsentativ in den unterschiedlichsten Gesellschaftsgruppen, mit Ausnahme der Technoszene, im allgemeinen wissenschaftlich nicht evaluiert wurde. Es ist jedoch davon auszugehen, daß auch über die Technoszene hinaus, Ecstasy sich einer großen Beliebtheit erfreut.

In den nachfolgenden statistischen Angaben (Tabellen) werden die Gruppen, die noch keine illegalisierten Drogen konsumiert haben, den Gruppen gegenübergestellt, die bereits Erfahrungen mit diesen Substanzen gemacht haben. Hierbei bezeichnet Lebenszeitprävalenz bezüglich einer bestimmten Substanz den Sachverhalt, ob jemand in seinem bisherigen Leben bereits mindestens einmal die bezeichnete Substanz eingenommen hat. Unter 12-Monatsprävalenz, auch Jahresprävalenz genannt, ist analog das gleiche Verhalten bezogen auf die letzten 12 zurückliegenden Monate zu verstehen, entsprechend bezieht sich die Monatsprävalenz auf den Konsum innerhalb des vergangenen Monats.

 

  1. Konsumprävalenz illegalisierter Drogen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Deutschland

    Der Konsum illegalisierter Substanzen ist in Deutschland weit verbreitet. In der Altersgruppe der 21- bis 29jährigen hat etwa jeder Vierte schon Haschisch oder Gras geraucht, das heißt, daß allein in dieser Altersgruppe mehr als 3,5 Millionen Menschen Erfahrungen mit Cannabis haben.

    Erfahrungen mit Stimulanzien wie Speed oder Kokain haben jeweils etwa fünf Prozent in dieser Altersgruppe. Man kann also davon ausgehen, daß weit über eine Million Menschen in Deutschland mit den Wirkungen dieser Aufputschmittel vertraut sind.

    Obwohl Ecstasy in den letzten Jahren in der Drogenberichterstattung für die meisten und größten Schlagzeilen sorgte, haben weit mehr Menschen Erfahrungen mit Speed als mit Ecstasy. Beim aktuellen Konsum (Monatsprävalenz) erfreut sich Ecstasy bei den unter 25jährigen hingegen einer weit mehr als doppelt so großen Beliebtheit wie Speed, bei den über 25jährigen ist die aktuelle Beliebtheit etwa gleich. Aus den Werten ist deutlich zu erkennen, daß das Bedürfnis nach Empathie mit zunehmenden Alter schneller abnimmt als das Bedürfnis nach Leistung. Veränderungen in den Beliebtheitsskalen verschiedener Drogen deuten auf Veränderungen in den Strukturen der gesellschaftlichen Einbindung.

    Mit Ausnahme von Kokain nimmt der aktuelle Konsum (Monatsprävalenz) mit zunehmendem Alter ab, allein bei Kokain liegt die Kulminationsphase des aktuellen Konsums in der Altersgruppe der 21- bis 24jährigen. Die folgende Tabelle zeigt die Lebenszeit- und die Monatsprävalenz der am häufigsten konsumierten illegalisierten Substanzen für die Altersgruppen der 18-20; 21-24 und 25-29jährigen.

     

     

    __________________________

    "Wer heute gegen die Drogenlegalisierung ist,
    steht im Verdacht, an der Prohibition zu verdienen"

    Deutsches Sprichwort

     

    Tabelle IV:
    Lebenszeit- und Monatsprävalenz illegalisierter Drogen der 18- bis 29jährigen in Deutschland (Quelle: Herbst, Kraus & Scherer, 1996)

     

    Lebenszeit- Prävalenz

    Monats- Prävalenz

    Lebenszeit- Prävalenz

    Monats- Prävalenz

    Lebenszeit- Prävalenz

    Monats- Prävalenz

    Substanz

    18-20 Jahre

    18-20 Jahre

    21-24 Jahre

    21-24 Jahre

    25-29 Jahre

    25-29 Jahre

    Cannabis

    22,6%

    11,9%

    26,3%

    9,3%

    24,4%

    7,0%

    Ecstasy

    6,9%

    3,3%

    5,7%

    2,7%

    3,1%

    0,8%

    Speed

    7,1%

    1,5%

    6,5%

    1,1%

    4,4%

    0,9%

    Halluzino-gene

    4,5%

    1,7%

    2,5%

    0,5%

    2,7%

    0,2%

    Kokain

    4.0%

    0,3%

    5,1%

    1,8%

    4,8%

    0,9%

    Opiate

    3,5%

    1,2%

    5,0%

    0,5%

    3,4%

    0,4%

    Die Vorlieben für verschiedene Substanzen sind, wie Tabelle V veranschaulicht, im Osten anders geartet als im Westen Deutschlands. So wird aktuell im Westen mehr Haschisch geraucht und mehr Kokain geschnupft, im Osten wird dagegen mehr Speed (Amphetamin) gezogen als im Westen. Die aktuelle Beliebtheit von Ecstasy und LSD ist derweil im Osten wie im Westen jeweils gleich groß. Die folgende Tabelle zeigt die Unterschiede der Lebenszeitprävalenz und der Monatsprävalenz (aktueller Konsum) in Ost und West.

     

    Tabelle V:
    Lebenszeit- und 12-Monats-Prävalenz illegalisierter Drogen der 12- bis 25jährigen in West- und Ostdeutschland

    (Quelle: BZgA 1998 / BZgA-Repräsentativerhebung durch GFM-Getas/WBA, Hamburg, Okt./Dez. 1997, n=3000 Fälle Ost/West, n=2000 West, n=1000 Ost).

    Substanz

    Gebiet

    Lebenszeit- Prävalenz

    12-Monats- Prävalenz

    Cannabis

    West

    21%

    12%

    Ost

    12%

    8%

    Ecstasy

    West

    5%

    3%

    Ost

    4%

    3%

    Speed

    West

    3%

    2%

    Ost

    5%

    3%

    LSD

    West

    2%

    1%

    Ost

    2%

    1%

    Kokain

    West

    2%

    1%

    Ost

    > 0,5%

    > 0,5%

    Heroin

    West

    > 0,5%

    > 0,5%

    Ost

    > 0,5%

    > 0,5%

    Der Konsum illegalisierter Drogen ist für die Mehrheit der Menschen von vorübergehender Natur. Die Konsumphase ist mit einem bestimmten Lebensabschnitt verbunden.

    Die Tabelle VI zeigt, daß mit zunehmendem Alter die Anzahl der Menschen mit eigenen Erfahrungen bezüglich des Konsums bestimmter illegalisierter psychoaktiver Substanzen, die dieselben aktuell nicht mehr konsumieren, in der Regel stetig wächst. In der Altersgruppe der 25-29jährigen beträgt der Anteil der nicht mehr konsumierenden Menschen in jedem Fall weit mehr als 70 Prozent.

     

    Tabelle VI:
    Anzahl von Menschen in den genannten Altersgruppen, die Erfahrungen mit bestimmten Substanzen haben und dieselben aktuell (Monatsprävalenz) noch konsumieren, respektive nicht mehr konsumieren.

    Die hier angegebenen Werte wurden aus den Zahlen von Tabelle I rechnerisch ermittelt.

     
    18-20 Jahre konsumieren nicht mehr
    18-20 Jahre konsumieren noch
    21-24 Jahre konsumieren nicht mehr
    21-24 Jahre konsumieren noch
    25-29 Jahre konsumieren nicht mehr
    25-29 Jahre konsumieren noch

    Substanz

    Cannabis

    47%

    53%

    65%

    35%

    71%

    29%

    Ecstasy

    52%

    48%

    53%

    47%

    74%

    26%

    Speed

    79%

    21%

    83%

    17%

    80%

    20%

    Halluzino-gene

    62%

    38%

    80%

    20%

    93%

    7%

    Kokain

    92%

    8%

    65%

    35%

    81%

    19%

    Opiate

    66%

    34%

    90%

    10%

    88%

    12%

     

  2. Konsumprävalenz illegalisierter Drogen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen in der Technoszene

    In der Technoszene werden signifikant mehr psychoaktive Substanzen konsumiert als in vergleichbaren Altersgruppen der Gesamtbevölkerung. Die folgende Tabelle zeigt die ermittelten Werte einerseits für Berlin und andererseits für München und den Raum Bayern. Auffällig ist, daß gemäß Befragungen in der Szene in Bayern bedeutend mehr Menschen Erfahrungen mit Drogen haben als in Berlin. Bei der Naturdroge Haschisch beträgt der Unterschied sogar mehr als 10 Prozent.

     

    Tabelle VII:
    Lebenszeit- und 12-Monats-Prävalenz illegalisierter Drogen im Umfeld der Technoszene.

    Datenerhebungen aus dem Raum Berlin im Vergleich zum Raum Bayern. (Quellen: Berlin: Tossmann, SPI-Forschung GmbH, Berlin, Datenerhebung Juni bis Oktober 1996, n=1674, Durchschnittsalter: 21 Jahre; Bayern: Kröger, Künzel, Bühringer, IFT Institut für Therapieforschung, München, Datenerhebung März bis Juli 1997, n=447, Durchschnittsalter: 20 Jahre).

    Substanz

    Gebiet

    Lebenszeit- Prävalenz

    12-Monats- Prävalenz

    Monats- Prävalenz

    Cannabis

    Berlin

    68,6%

    61,9%

    48,5%

    Bayern

    79,2%

    68,5%

    nicht eruiert

    Ecstasy

    Berlin

    49,1%

    46,0%

    35,4%

    Bayern

    54,6%

    45,1%

    nicht eruiert

    Speed

    Berlin

    44,4%

    39,6%

    27,6%

    Bayern

    48,5%

    38,1%

    nicht eruiert

    LSD/
    Halluzinogene

    Berlin

    37,0%

    32,9%

    17,6%

    Bayern

    42,8%

    31,1%

    nicht eruiert

    Kokain

    Berlin

    30,7%

    26,4%

    14,6%

    Bayern

    36,9%

    29,6%

    nicht eruiert

     

    Die Lebenszeitprävalenz wie auch die 12-Monatsprävalenz ist bei allen aufgeführten Substanzen in den Technoszenen um ein Vielfaches größer als in der Durchschnittsbevölkerung. Das heißt jedoch nicht zwingend, daß ausschließlich in der Technoszene solch hohe Werte festgestellt werden können. Es könnte sehr wohl sein, daß auch in anderen (mehr oder weniger geschlossenen) Szenen ebenfalls sehr hohe Werte bei bestimmten Drogen feststellbar wären, wenn dieselben genauso intensiv beforscht würden, wie dies in der Technoszene in den letzten Jahren der Fall war. So wurde der Ecstasykonsum in den Rotlichtmilieus bisher ebensowenig erforscht wie der Kokainkonsum im Umfeld der Börsen. Auch Medienfachleute oder Politiker wurden bezüglich ihres Drogenkonsums noch nie mittels groß angelegter Studien befragt. Die Daten besagen also nur, daß die Technoszene ein sehr beliebtes Setting für den Gebrauch von Drogen ist, sie besagen jedoch nichts über die Beliebtheit anderer Szenen bezüglich des Settings zum Drogengebrauch.

    Die Technoszene stellt einen gesellschaftlichen Bereich dar, in dem illegalisierte Substanzen gehäuft konsumiert werden. Szeneorganisationen haben hier Maßnahmen zur Förderung der Drogenmündigkeit ergriffen. Es wäre jedoch ein Irrtum zu glauben, daß mit Maßnahmen die Drug-Checking beinhalten und speziell für diese Szene zugeschnitten sind, der wirklich bestehende Gesamtbedarf für alle Konsumenten illegalisierter Drogen abgedeckt werden könnte.

    Sicherlich kann mit einem lebensweltbezogenen Konzept der Technoszene ein relevanter Teil der Konsumenten illegalisierter psychoaktiver Substanzen erreicht werden. Diese Szene hat eine große Anzahl von aktiven Teilnehmern hat und eine noch größere Zahl von Sympathisanten. Die Anzahl der Teilnehmer an der Love Parade in Berlin verdeutlicht sehr augenscheinlich, wie rasant sich die Technoszene entwickelte und wie rasch die Zahl der Sympathisanten wuchs:

     

    Tabelle VIII: Teilnehmerzahlen an der Love Parade in Berlin

    (Quelle: Planetcom, Berlin)

    Jahr

    Teilnehmerzahl

    Jahr

    Teilnehmerzahl

    Jahr

    Teilnehmerzahl

    1989

    150

    1993

    30 000

    1997

    1 000 000

    1990

    2 500

    1994

    120 000

    1998

    1 000 000

    1991

    6 000

    1995

    500 000

    1999

    1 400 000

    1992

    15 000

    1996

    750 000

    2000

    ???

     

    Vor Ort befragte die SPI-Forschungs-GmbH im Jahr 1996 an der Love Parade 479 Raver und im Jahr 1998 nochmals 288 Raver zu ihren Erfahrungen mit Drogen. 1998 gaben 68% der Befragten an, Erfahrungen mit Cannabis zu haben, bei Ecstasy gaben 34% an, eigene Erfahrungen mit der Substanz zu haben, zwei Jahre zuvor waren es sogar 35%. Bei Speed lag der Wert 1998 bei 36%, zwei Jahre zuvor bei 32%, bei Kokain 22%, respektive zwei Jahre zuvor bei 19%, bei den Halluzinogenen bei 34%, respektive zwei Jahre zuvor bei 19% und bei den Opiaten bei 4%, respektive zwei Jahre zuvor bei 3%.

    Veranstaltungen wie die Love Parade sind gut geeignet, um gesundheitsfördernde Botschaften an die Konsumenten zu vermitteln. Eve & Rave hat in den letzten drei Jahren im Zentrum des Geschehens am Großen Stern im Tiergarten stets einen Informationsstand eingerichtet und diverse Dienstleistungen angeboten, unter anderem auch Drug-Checking-Resultate mitgeteilt. Die Erfahrungen von Eve & Rave zeigen deutlich, daß diesbezüglich eine sehr große Nachfrage besteht und auch, daß die konzeptionellen Ansätze im Hinblick auf den Gesundheitsschutz den Wünschen und Bedürfnissen der Konsumenten entsprechen und von ihnen eingefordert werden.

 


Fussnoten:

    1. Vgl. hierzu exemplarisch die ethnographische Untersuchung einer Gruppe von Drogenkonsumenten, deren Leben sich viel weniger um Drogen als um ihre Karriere dreht: Berufstätige, die MDMA konsumieren. M. Rosenbaum, P. Morgan, J.E. Beck: "Auszeit". Ethnographische Notizen zum Ecstasy-Konsum Berufstätiger, in: J. Neumeyer, H. Schmidt-Semisch (Hg.): Ecstasy – Design für die Seele?, a.a.O., S. 73-82.

    2. Eve & Rave e.V. Berlin: Drogenerfahrungen der Love Parade Teilnehmer. Pressemitteilung zur Love Parade vom 9. Juli 1999, Berlin 1999. Quelle: Mitteilung der SPI-Forschungs-GmbH an Eve & Rave Berlin e.V. vom 5. Juli 1999.


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