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Drug-Checking -
sinnvolles Instrumentarium der Drogenhilfe?

Dipl.-Arbeit für die Prüfung zum Erwerb des Akademischen Grades Dipl.-Sozialarbeiter/- Sozialpädagoge
eingereicht von Axel Mähler


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»Glaube nicht an das, was du gehört hast. Glaube nicht an Traditionen, weil sie seit vielen Generationen überliefert wurden. Glaube nicht irgend etwas, nur weil das Gerücht es so will und weil die Leute davon reden. Glaube nicht nur deshalb, weil das schriftliche Zeugnis eines alten Weisen zutage gefördert wird. Glaube nicht an Mutmaßungen. Glaube nicht einfach der Autorität deiner Lehrer und der Alten. Wenn du etwas beobachtet hast, wenn es mit der Vernunft in Einklang steht und das Gute und den Nutzen eines jeden befördert, dann nimm es an und lebe danach.«

Kalamas Sutra

 

 

 

 

     
 

»Was für ein engstirniges, kleinkariertes und jämmerliches Machwerk ist das Betäubungsmittelgesetz, wenn wir es messen mit den Maßstäben des Artikel 1 GG: Statt menschlicher Gemeinschaft Diskriminierung, Ausgrenzung und Entzug der Freiheit durch Gefängnis und Zwangstherapie, statt Frieden permanente Verfolgung, Beunruhigung und psychische Belastung, statt Gerechtigkeit, die sich in der Gleichheit von Lebenschancen und der Gleichheit vor dem Gesetz realisieren muß, Zerstörung von Lebenschancen und willkürliche Verbote von psychoaktiven Substanzen und selbstbestimmtem Umgang mit ihnen, statt Solidarität mit den in Not Geratenen paternalistische Fürsorge und Gängelung

Manfred Kappeler

 

 

Vorwort
Irgend etwas stimmte nicht, als ich mich zum ersten mal in meinem Leben in dem Besitz eines Betäubungsmittels befand. Jenes schlechte Gewissen, von dem man üblicherweise begleitet wird, wenn man etwas Verbotenes tut, es wollte sich partout nicht bei mir einstellen. Fest stand jedoch unumstößlich: Der Erwerb sowie der Besitz eines Betäubungsmittels machten mich zum Straftäter. Dies war für mich eindeutig nachzulesen im Betäubungsmittelgesetz (BtMG §29). Mit dem Besitz und Erwerb eines Betäubungsmittels wurde ich offensichtlich sogar zu einem sehr gefährlichen Straftäter, denn man konnte mich laut Betäubungsmittelgesetz für meine Taten mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf (!!!!!) Jahren bestrafen. Ich entdeckte schließlich jedoch eine Stelle im Betäubungsmittelgesetz, die eine so hohe Strafe zu rechtfertigen schien: Mit meinen Taten hatte ich nämlich nicht nur der Volksgesundheit schweren Schaden zugefügt, nein, ich hatte auch das friedliche soziale Zusammenleben durch sozialschädliches Verhalten in Gefahr gebracht. Aha! Und dennoch: Das Gefühl etwas Unrechtes getan zu haben, es fehlte. Schuldgefühle? Nicht vorhanden. Was war also los? Warum ließ mich mein sonst doch so strenges Über-Ich - das mich nebenbei bemerkt über lange Jahre zum Hardcore-Zwangsneurotiker hatte werden lassen - hier im Stich? Jenes Über-Ich, das mich sonst so unerbittlich bedrängte und verfolgte, es wollte sich nicht zu Wort melden. War ich falsch erzogen worden? Hatte ich den falschen Umgang? Litt ich an einem Über-Ich-Defekt? Woher kam bloß meine verbrecherische Gewissenlosigkeit, was mein Verhältnis zu Betäubungsmitteln betraf? Ich hatte zunächst keine Antworten.

Jahre später - es fing nun langsam die Zeit an, in der ich es wagte selbständig zu denken - hatte ich plötzlich die Erleuchtung: Das Betäubungsmittelgesetz war schlicht und einfach ... - ja es war eindeutig ungerecht. Ich erkannte, daß es sich hier um eine Rechtsnorm handelte, die nicht nur im Widerspruch zu meinem, sondern auch dem Rechtsbewußtsein vieler anderer stand und noch steht. Ich war nicht kriminell, böse oder krank. Ich litt nicht an einem Über-Ich-Defekt oder an schlechter Erziehung. Nein, das Gesetz war ungerecht.

Ungerecht...



Ungerecht muß sich in diesen Tagen auch Christoph Daum behandelt fühlen. Während ich dies schreibe, findet nämlich die steile Fußball-Trainer-Karriere eines Christoph Daum ein jähes Ende, weil er bei der Auswahl der Mittel um sich zu berauschen einer illegalisierten Droge den Vorzug gegenüber dem Alkohol gab. In den Zeitungen ist die Rede von einer »menschlichen Tragödie«, vom »dunkelsten Tag des deutschen Fußballs« (ich dachte den hätten wir bei der letzten WM erlebt) und schließlich vom »Skandal des Jahres«, wobei allerdings verkannt wird, daß die wahre Tragödie und der wahre Skandal nicht darin besteht, daß Christoph Daum wie viele andere auch ein besseres Mittel als den Alkohol kennt um sich zu berauschen, sondern darin, daß er deswegen bestraft, diskriminiert und verfolgt wird.

Noch ist man sich in den Medien nicht ganz klar darüber, ob Christoph Daum denn jetzt nun krank, kriminell, böse oder vielleicht sogar alles zusammen ist. Fußball-Deutschland meint es allerdings gut mit Christoph Daum. Überzeugt davon, Christoph Daum sei eben nicht kriminell oder böse sondern einfach »nur« krank, fordert z.B. Franz Beckenbauer: »Wir müssen Christoph jetzt helfen.« Das ist doch nett. Allein HSV-Trainer Frank Pagelsdorf scheint etwas von der unmenschlichen Doppelmoral zu ahnen, der Christoph Daum in diesen Tagen zum Opfer fällt: »Es soll jetzt keiner mit dem Finger auf Daum zeigen« fordert er. Aber hat sich Pagelsdorf mit dieser Äußerung nicht bereits verdächtig gemacht? Kokst er sich nicht selbst rund um die Uhr das Hirn weg? Macht er in Interviews nicht stets diesen leicht paranoiden Eindruck? Der HSV steht derzeit auf einem UEFA-Cup Platz. Als Trainer scheint Pagelsdorf es also noch zu bringen. Doch zurück zu Christoph Daum, oder noch besser, zum Bundeskanzler: Während Daum also vor einem Scherbenhaufen steht (arbeitslos, Verlust des Jobs als zukünftiger Bundestrainer, Werbeverträge geplatzt, Sündenbock und Arsch der Nation, etc.), verdient sich Bundeskanzler Schröder als »Künstler« mit dem intelligenten Satz »Hol mir mal ne Flasche Bier« dumm und dämlich (ca. 1,5 Millionen DM). Stefan Raab hatte diesen Ausspruch, den der Bundeskanzler während einer Autogrammstunde von sich gab, in einer Bierhymne verarbeitet, die inzwischen zum Chart-Hit geworden ist. Rechtlich betrachtet ist Schröder aufgrund der Refrain-Zeile als Texter und Komponist der »Bierhymne« anzusehen, was bedeutet, daß er an den Gewinnen aus der CD beteiligt wird. Bier-Hymne? Habe ich da etwas falsch verstanden? Ja, ist denn hier nicht die Rede von einer Droge, an der jedes Jahr ca. 40.000 Menschen in Deutschland elend zugrunde gehen? Handelt es sich hier nicht um eine Droge, unter deren Einfluß jedes Jahr zahllose Menschen andere Menschen umbringen, vergewaltigen und quälen? Geht es hier etwa nicht um jene Droge, die jedes Jahr für zahllose Verkehrstote verantwortlich ist? Und schließlich: Reden wir denn hier nicht von jener berüchtigten Droge, die unschuldige, niedliche Embryos bereits im Mutterleib zu Krüppeln macht? Oder von jener Droge, die irreparable Hirnschäden, bösartige Tumore (Krebs), Psychosen etc. verursacht und für die trotzdem in hemmungsloser und verharmlosender Weise Werbung gemacht werden darf? Hätte Schröder also nicht alles nur menschenmögliche unternehmen müssen, um den Erfolg dieser Bierhymne zu verhindern ?

Irgend etwas stimmte nicht, als ich mich zum ersten mal in meinem Leben in dem Besitz eines Betäubungsmittels befand...


Für all die Christoph Daums auf dieser Welt.

 


Fußnoten:
  1. Kalamas Sutra, in: Vaughan : Die transpersonale Perspektive, in : Grof 1986, 39 .
  2. Manfred Kappeler, in: Menschenwürde in der Drogenpolitik - Ohne Legalisierung geht es nicht! Hamburg 1993, 17 .
  3. HNA-Sonntagszeit, Nr. 43 vom 22. Oktober 2000 .
  4. Bild am Sonntag, Nr. 43 vom 22. Oktober 2000 .

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