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Drug-Checking -
sinnvolles Instrumentarium der Drogenhilfe?

Dipl.-Arbeit für die Prüfung zum Erwerb des Akademischen Grades Dipl.-Sozialarbeiter/- Sozialpädagoge
eingereicht von Axel Mähler


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»Die Jugendlichen und Erwachsenen beiderlei Geschlechts, die verbotene Drogen nehmen, werden verfolgt und unterdrückt »im Namen der Volksgesundheit« - einem Begriff aus dem Wörterbuch der Unmenschen. Angesichts von Millionen RaucherInnen, die selbstbestimmt ihre Gesundheit ruinieren dürfen, angesichts von Millionen FresserInnen, die mit ihrem Übergewicht und einem ständig zu hohen Cholesterinspiegel ihr Herz- und Kreislaufsystem zugrunde richten dürfen, angesichts der alltäglichen Zerstörung unserer natürlichen Lebensgrundlagen durch Profit- und andere Interessen ist die Legitimation staatlicher Drogenpolitik mit dem Rekurs auf die »Volksgesundheit« zynisch. Dies um so mehr, weil diese Politik die Gesundheit und das Leben der KonsumentInnen von illegalisierten Drogen bedroht und oft genug zerstört. Hier wird, wie schon so oft, das Wohlergehen einzelner einem abstrakten und ideologischem Prinzip geopfert. Damit stellt der Staat dieses verdächtige Ideologem der Volksgesundheit über die Menschenwürde und verletzt jeden Tag den obersten Grundsatz unserer Verfassung

Manfred Kappeler

 

 

9.   Drug-Checking als Beitrag zum Prozeß der
    Enkulturation (noch) illegalisierter Drogen

Bis hierher wurde gezeigt, daß einerseits der Marktimperativ, der hauptsächlich unseren Umgang mit den legalen Drogen bestimmt, ungeeignet ist, um Drogenkonsum zu einer kontrollierten, risikoarmen und unproblematischen Angelegenheit werden zu lassen. »Soweit sich unser Umgang mit Drogen also am Marktimperativ orientiert, folgen wir einem Konsumgebot, welches interessiert ist an Absatz und Profit, gleichgültig gegenüber den Folgen .« Andererseits konnte jedoch auch das Scheitern sowohl des generalpräventiven als auch des spezialpräventiven Anspruchs der strafrechtlich orientierten Drogenpolitik festgestellt werden. Die Prohibition hat ihre eigenen Ziele allerdings nicht nur nicht erreicht, darüber hinaus führt sie auch zu einer Reihe von ungewollten (?), dennoch aber schlimmen und realen Folgen. Einige dieser Folgen wurden bereits in Kapitel 2 detailliert dargestellt, erinnert sei hier nochmal an die Bildung eines von der organisierten Kriminalität beherrschten Schwarzmarktes, sowie an die damit verbundene Gesundheitsgefährdung durch gepanschte Substanzen. Auch hinweisen möche ich vor allem auf das soziale Leid, das notwendig mit Strategien der Stigmatisierung und Kriminalisierung verbunden ist - ich nenne es mal das »Christoph Daum Syndrom«. Sowohl Marktimperativ als auch der Imperativ der Prohibition »... nehmen dem Individuum und der Gemeinschaft Kompetenzen weg, enteignen sie, berauben sie des genauen Wissens um die Droge und der freien Entscheidung für oder gegen sie. Verführung und Verbot rechnen gleichermaßen mit dem schwachen Individuum und der zerstörten Gemeinschaft, setzen sie ebenso voraus wie sie sie erzeugen. Rücksichtsloser Absatz und rücksichtslose Verfolgung nehmen das Individuum nicht mehr als Zweck; für sie ist es nur ein Mittel, durch welches sie ihre eigenen Zwecke verfolgen. Beide Imperative sind deshalb unfähig, dem Individuum und der Gemeinschaft Gutes zu tun, und sie sind untauglich, Schaden von ihnen abzuwenden

Aber auf welche Weise bitte soll man denn nun Drogen begegnen? Unter welchen Bedingungen können Menschen so mit Drogen umgehen, daß sie nicht Opfer ihrer zweifellos auch vorhandenen Risiken und gefährlichen Potenzen werden? Christian Marzahn findet eine einfache, aber einleuchtende Antwort auf diese Frage: »Menschen konnten und können dies, wenn der Drogengebrauch nicht sozial ausgegrenzt, sondern integrierter Bestandteil einer gemeinen Drogenkultur ist, die ihrerseits fest in der jeweiligen Lebensweise wurzelt .« Für Marzahn stellt also die »gemeine Drogenkultur« das ideale Modell zur Kontrolle des Drogenverhaltens dar. »Von Kultur soll die Rede sein, weil es sich um ein behutsames, sorgsam pflegendes Verhältnis zu etwas Elementarem und Wagnishaftem handelt Unter »gemein« möchte Marzahn »allgemein, was alle angeht, von allen ausgeht« verstanden wissen .

Auch Henning Schmidt-Semisch ist einer derjenigen Autoren, die eindringlich auf die prohibitions-induzierten Schädigungen der Konsumenten, aber auch der Gesellschaft hinweisen. Auch er fordert deshalb die Legalisierung der illegalisierten Drogen sowie eine Einbettung dieser Substanzen in (sub-) kulturelle Regelwerke: »Die heute illegalen Drogen würden im Falle einer Legalisierung [...] keineswegs außer Kontrolle geraten, sondern es würden lediglich die Kontrollinstrumentarien wechseln, die dann allerdings informelle bzw. (sub-)kulturelle [...] und damit letztlich angemessenere Kontrollmechanismen wären

Vorschnell werden einige an dieser Stelle anmerken wollen, daß die Enkulturation bereits im Falle der legalen Drogen nicht in der Lage war, die damit verbundenen Probleme wirksam einzudämmen, wobei sie allerdings unberücksichtigt lassen, was weiter oben bereits gesagt wurde: Unser Umgang mit den legalen Drogen wird hauptsächlich in problematischer Weise vom Marktimperativ bestimmt. Eine »gemeine Drogenkultur«, im Sinne des gemeinen, autonomen und kundigen Umgangs mit legalen Drogen, existiert nun allein schon deshalb nicht oder nur in Ansätzen, weil sie im Widerspruch zu den Interessen des Marktimperativs steht . So stellt Marzahn fest: »Das Drogen-Problem existiert nicht, weil es eine Drogenkultur gibt, sondern weil es keine gibt oder jedenfalls keine entwikkelte

Worin aber besteht nun das Wesen einer »gemeinen Drogenkultur« und wie läßt sie sich verwirklichen?

 

 

9. 1   Elemente einer »gemeinen Drogenkultur«

Marzahn verweist auf verschiedene Gesellschaften und Gruppierungen, die zwar freizügig Drogen gebrauch(t)en, um das Bewußtsein zu verändern, die aber offenbar keine Probleme damit haben oder hatten. Dies sei zum Beispiel z.B. bei den im drogenreichen Amazonasbecken angesiedelten Waldindianerstämmen der Fall, von denen Andrew Weil - Journalist, Arzt, Pharmakologe und Ethnobotaniker in den USA - berichtete:

»Drogen führen bei ihnen nicht zu antisozialen Verhaltensweisen oder Selbstzerstörung. [...] Das Bedürfnis nach periodoscher Bewußtseinsveränderung gilt ihnen als normal. Die heranwachsenden Kinder werden deshalb von den Drogen nicht ferngehalten, sondern vom Medizinmann in den rechten Gebrauch eingeführt. Aufgrund seiner Erfahrungen und seines Wissens ist er der anerkannte Experte. Der wesentlichste Punkt [bei der Vermeidung drogenkonsumbedingter Probleme, d.Verf.] aber scheint zu sein, daß die Amazonas-Indianer ihren Umgang mit Drogen außerordentlich ritualisieren: »Jeder Schritt in diesem Prozeß, vom Schneiden der Pflanzen bis zur Einnahme der vorbereiteten Droge, wird von den Indianern in traditioneller, sorgfältiger, oft kunstvoller Weise ausgeführt« [...].Wie ein Ordnungsgefüge umgibt dieses Ritual den Gebrauch von Drogen und beschützt die Individuen und die Gruppe vor negativen Wirkungen. Und noch etwas erscheint wichtig. Die Indianer benutzen die Drogen nicht negativ, nicht gegen etwas, nicht gegen Langeweile, Kummer oder Ekel, sondern in einem Sinn, der ihnen - wie die Begegnung mit der außergewöhnlichen Realität der Götter - tief positiv und wertvoll ist


Als weitere Beispiele für den kulturell integrierten Gebrauch psychoaktiver Substanzen verweist Marzahn auf die Kunst des Opiumrauchens im Orient, oder auch auf verschiedene Gruppen in den USA und Europa, deren Mitglieder über acht, zehn und fünfzehn Jahre regelmäßig, kontrolliert und nicht abhängig Heroin nahmen . Marzahn folgend, handelt es sich bei den angeführten Beispielen jeweils um »gemeine Drogenkulturen«:

»Sie zeigen uns in immer neuen Varianten, daß und wie mit Drogen nicht problematisch, sondern in gemeiner, autonomer und kundiger Form umgegangen werden kann. Gemein ist dieser Umgang, weil Drogenkultur ihrem Wesen nach nicht solipsistisch ist, sondern ein soziales Ereignis, das alle Beteiligten angeht und von allen ausgeht und bei welchem der Einzelne fest eingebettet ist in eine vertraute und verläßliche Gemeinschaft. Autonom ist dieser Umgang, weil er weder durch Verbot noch durch Anheimfallen fremdbestimmt erfolgt, sondern sich nach erfahrungsgeleiteten, selbstgesetzten Regeln richtet. Kundig ist dieser Umgang, weil er auf ein Wissen um die Lust und Last der Drogen beruht. Krankheit und Tod können sie bringen, aber auch den Weg öffnen, der herausführt aus unserer normalen Wirklichkeit, aus unseren sozialen Rollen, unserer Alltagsidentität, und hinüber in Zustände und Wirklichkeiten, die so faszinierend sind und schwer zu beschreiben: ewiger, erfüllter Augenblick, in welchem die Einheit und Soheit der Welt glückselig erlebt wird... «



Weterhin berichtet Marzahn, daß im Rahmen einer »gemeinen Drogenkultur«:

»... der Gebrauch von Drogen nicht aus Zeit und Raum hinaustabuisiert [ist]. Vielmehr hat er in beidem seinen klaren und umgrenzten Ort. Man versammelt sich an einer besonderen Stelle und umgibt sich mit dem rechten Raum und schönem Gerät. Der gemeinsame Drogengebrauch hat einen Anfang und ein Ende. Und er läuft selbst nach einer inneren Ordnung ab, die aus Erfahrungen hervorgegangen und deshalb nicht beliebig ist und mit der Zeit zur Zeremonie, zum Ritus sich verdichtet hat. Diese innere Ordnung und ihre äußere Form, das Ritual - sie sind es, welche anleiten zum rechten Gebrauch der Droge und bewahren vor Unheil und Zerstörung. In allen gemeinen Drogenkulturen obliegt es deshalb dem Kundigen, die Unerfahrenen in diese Ordnung einzuführen


Beim Drogengebrauch in einer »gemeinen Drogenkultur« handelt es sich also um ein sozial integriertes Ereignis, wobei der Gemeinschaft eine wichtige Rolle zukommt. Drogengebrauch ist innerhalb dieser Gemeinschaft kein isoliertes Ereignis, sondern eingebettet »... in eine Verständigung über das rechte Leben, über Lebensziele und Lebensformen und über die Rolle, die Drogen darin zukommen kann... « Die Gemeinschaft hält aus Erfahrung gewonnene und tradierte Kenntnisse über Wirkungsweise, Vorzüge und Nachteile der Drogen bereit, die für deren sicheren Gebrauch eine große Rolle spielen. Es werden von ihr Regeln entwickelt und weitergegeben, die anerkannt und geachtet sind und dem Drogengebraucher sagen, welche Droge in welcher Dosis, wann, wo und mit wem bekömmlich ist oder nicht. Schließlich bietet die enge Verknüpfung des Konsums mit Zeremonie, Ritus und Ritual dem einzelnen Gebraucher Orientierung und Halt im Umgang mit Drogen . Gerade in der Entwicklung von Ritualen sehen auch Katrin Krollpfeifer und Sebastian Scheerer die Chance, negative Folgen des Drogenkonsums zu vermeiden oder zu begrenzen:

 

 

9. 2   Die Entwicklung von Ritualen als alternative Form
       der Drogenkontrolle

Aus Sicht von Katrin Krollpfeifer ist problematisches Drogenkonsumverhalten auch dadurch bedingt, daß wir »In einer Gesellschaft [leben], die den Kontakt zu ihren ekstatischen Traditionen größtenteils verloren hat und in der Modelle für den konstruktiven Gebrauch psychoaktiver Substanzen kriminalisiert werden... « Sie betrachtet weiterhin die Sehnsucht nach ekstatischer Erfahrung als zu den Grundzügen der menschlichen Psyche hinzuzählend und erblickt u.a. im zunehmenden Gebrauch von Ecstasy und verwandten Drogen eine moderne Form der Ekstase-Suche. Sie knüpft daran ihre Forderung, daß unsere Kultur diesem menschlichen Grundbedürfnis Rechnung zu tragen hat, vor allem wenn man verhindern will, daß Jugendliche sich praktisch »ohne Anker und Rettungsleine« auf eigene Faust in psychedelische Abenteuer stürzen und dabei viel zu oft unnötig in Not geraten. Krollpfeiffer verweist in diesem Zusammenhang darauf, daß »Zu allen Zeiten jene Gesellschaften, in denen Drogen verwendet wurden, in diesem Kontext Rituale erschaffen [haben] .« Vor allem die Entwicklung von Ritualen begreift Krollpfeiffer also als eine gute Möglichkeit, einen risikominimierten Rahmen für den Drogengebrauch bereitzustellen, der einen größtmöglichen Schutz für die Drogengebraucher bietet. Sie beruft sich dabei auch auf die Erkenntnisse von Zinberg und Harding, die sich während ihrer klinischen Arbeit mit Drogenkonsumenten mit der Frage beschäftigten, weshalb manche User die Kontrolle über den Gebrauch von Drogen verlieren, während andere in der Lage sind, den Drogengebrauch in ihr Leben ohne Probleme zu integrieren. Das Ergebnis:

»Sie kamen zu der Erkenntnis, daß sich in den drogenbenutzenden Subkulturen im Laufe der Zeit verschiedene Rituale und »soziale Sanktionen« herausgebildet hatten, die dem einzelnen die Möglichkeit eines kontrollierten Umgangs mit der jeweiligen Substanz boten - nicht unähnlich den Ritualen und Traditionen sogenannter »Stammeskulturen«, auf die sich die Kulturanthropologen berufen


Die wichtigste Aufgabe solcher Rituale besteht in der Regulierung und Kontrolle des Drogenkonsums. Kontrolle meint dabei sowohl die (soziale) Kontrolle über die Ausmaße und Auswirkungen des Konsums in einer bestimmten Gruppe, als auch die individuelle Kontrolle über den Verlauf der Drogenerfahrung selbst. Unter dem Begriff »Ritual« versteht man in diesem Zusammenhang bestimmte Verhaltensweisen beim Gebrauch der Droge, die Auswahl eines angemessenen Settings, bestimmte Aktivitäten während des Rausches sowie Regeln bzw. Methoden zur Abwendung unangenehmer Erfahrungen mit der Droge. Auch für drogenbenutzende Subkulturen wie z.B. die Technokultur gilt, daß die Entwicklung von Ritualen die Chance eines kontrollierten Umgangs mit der jeweiligen Substanz vergrößert. Gebrauchsregeln und Rituale sind eine wichtige Voraussetzung dafür, daß Drogenerfahrungen möglichst gewinnbringend, positiv und konstruktiv gestaltet und damit verbundene Risiken für die seelische und körperliche Gesundheit minimiert werden können. Es ist daher wichtig, konstruktive Regeln und Rituale für den Umgang mit psychoaktiven Substanzen zu entwickeln, die der jeweiligen Situation, Szene, Kultur und Droge angemessen sind. Dies kann z.B. auch »... dadurch geschehen, daß man diejenigen, die in unserer Gesellschaft bestimmte Drogen benutzen, nach ihren Regeln und Ritualen befragt, und diese dann gemeinsam evaluiert und gegebenenfalls verändert und verbessert .« Denn, so Krollpfeiffer, es gebe Tausende von Menschen, die den Konsum von Ecstasy in ihr Leben integrieren, ohne daß sie es aus der Bahn wirft. Die Tatsache jedoch, daß Ecstasy illegalisiert ist, »... hindert diese Menschen daran, ihre Erfahrungen und ihr Wissen öffentlich zu verbreiten. Aus Furcht vor Repression bleibt wertvolle Information auf der Strecke, die in manchen Fällen Leben retten oder zumindest Probleme lösen könnte Krollpfeiffer sieht in der Entwicklung konstruktiver Regeln und Rituale, die auf Risikominderung und Gewinnmaximierung des Drogenkonsums abzielen, eine sinnvolle Alternative zur derzeitigen restriktiven und kriminalisierenden Drogenpolitik .

Auch Sebastian Scheerer sieht in der Entwicklung von Regeln, Normen und Riten eine sinnvolle Möglichkeit, um den aus Drogenkonsum entstehenden Gefährdungen entgegenzuwirken. Er vertritt die Ansicht, daß es keine Droge gibt, die von sich aus und auf jeden Fall süchtig macht. Selbst Drogen, von denen landläufig angenommen wird, daß ihr Konsum nach kurzer Zeit mit Sicherheit zur körperlichen Abhängigkeit führt, können seiner Auffassung nach über Jahre hinweg regelmäßig konsumiert werden, ohne Abhängigkeit zu erzeugen. Auch er beruft sich dabei auf die Erkenntnisse des US-amerikanischen Drogenforschers Wayne M. Harding, der - wie bereits erwähnt - Heroinkonsumenten erforschte, die trotz jahrelangen Konsums nicht körperlich abhängig wurden. Laut Harding hatte die »private Suchtprävention« dieser Konsumenten vor allem deshalb Erfolg, »... weil sie sich bestimmte Regeln und Rituale gegeben hatten, die einen gemäßigten Opiatgenuß festschrieben und gefährlichen Situationen vorbeugten .« Der abhängige Gebrauch konnte so vermieden und der kontrollierte Konsum dauerhaft unterstützt werden. Als wirksam erwiesen sich vor allem die folgenden Regeln:

  • Regeln, die einen gemäßigten Konsum bestimmen und einen süchtigen Gebrauch verurteilen; sie zeigen Risiken an: z.B. »Nimm nie jeden Tag« oder »Nimm niemals länger als an zwei aufeinanderfolgenden Tagen«. Die Häufigkeit des Konsums wird durch diese Regeln auf ein geringes Maß beschränkt;
  • Regeln, die für den Gebrauch Örtlichkeiten und einen Personenkreis festlegen, die ein positives und risikoloses Drogenerlebnis begünstigen. (z.B. nie allein oder mit Fremden);
  • Regeln, die unangenehmen und unerwünschten Nebenwirkungen, Folgen und Risiken des Konsums vorbeugen (Vorsichtsmaßnahmen) und einen sicheren Gebrauch beschreiben. (z.B. kein »needle-sharing«, Verabredung von Verhalten in Notfällen);
  • Regeln, die den Konsum in Einklang mit den übrigen Verpflichtungen des Alltags bringen, die also dem Konsum einen beschränkten Platz im Alltag zuweisen. Diese Regeln stellen sicher, daß auch Verpflichtungen und Beziehungen eingegangen werden, die nichts mit dem Drogenkonsum zu tun haben .


Schließlich sieht auch Heino Stöver im (langsamen) Prozeß der Enkulturation (noch) illegalisierter Drogen eine sinnvolle und erfolgversprechende Alternative zu Prohibition und Repression. Stöver bezeichnet den Gebrauch von Drogen, ob legal oder illegalisiert, als einen sozialen Akt, zu dessen Gelingen der Erwerb und das Weitergeben bestimmter Kenntnisse absolut notwendig ist. Profundes Wissen über Pharmakologie, (Neben-)Wirkungen, Wirkungen des Mehrfachgebrauchs, Mischkonsum, Toxizität; Kenntnisse über Schadensverhütung, Konsumtechniken, sowie über die Voraussetzungen eines sicheren, risikoarmen Genusses sind die Voraussetzung, um Gefahren des Drogenkonsums wirksam vermindern oder gänzlich vermeiden zu können . Neben diesem Wissen ist die Entwicklung und Weitergabe konsumbezogener Regeln, Normen und Werte für eine kulturelle Kontrolle der Drogen von großer Bedeutung: »Wann ist er [der Drogenkonsum, d. Verf.] wie nützlich, befriedigend und sicher; wann sollte er besser vermieden oder ganz aufgegeben werden?« ;

 


Fußnoten:
  1. Manfred Kappeler, in: akzept e.V. (Hrsg.): Menschenwürde in der Drogenpolitik, 16f .
  2. Mit dem Begriff der »Enkulturation« ist der Prozeß der Verbreitung und Integration »fremder« Kulturelemente gemeint .
  3. Christian Marzahn: Bene Tibi. Bremen 1994, 16 .
  4. C. Marzahn, a.a.O., 19 .
  5. C. Marzahn, a.a.O., 25 .
  6. C. Marzahn, ebd .
  7. Vgl. C. Marzahn, ebd .
  8. J. Neumeyer, Henning Schmidt-Semisch (Hrsg.), a.a.O., 270-277 .
  9. Vgl. C. Marzahn, a.a.O., 48 .
  10. C. Marzahn, ebd .
  11. C. Marzahn, a.a.O., 31-35 .
  12. Vgl. C. Marzahn, a.a.O., 24-43 .
  13. C. Marzahn, a.a.O., 44f .
  14. C. Marzahn, a.a.O., 45 .
  15. C. Marzahn, a.a.O., 47 .
  16. Vgl. C. Marzahn, ebd .
  17. Katrin Krollpfeiffer, In: J. Neumeyer, H. Schmidt-Semisch (Hrsg.): Ecstasy - Design für die Seele? Freiburg im Breisgau 1997, 94 .
  18. K. Krollpfeiffer, In: J. Neumeyer, H. Schmidt-Semisch (Hrsg.), a.a.O., 85 .
  19. K. Krollpfeiffer, In: J. Neumeyer, H. Schmidt-Semisch (Hrsg.): a.a.O., 86 .
  20. K. Krollpfeiffer, In: J. Neumeyer, H. Schmidt-Semisch (Hrsg.), a.a.O., 95 .
  21. K. Krollpfeiffer, ebd .
  22. Vgl. K. Krollpfeiffer, In: J. Neumeyer, H. Schmidt-Semisch (Hrsg.), a.a.O., 85-96 .
  23. Sebastian Scheerer: rororo special: Sucht. Reinbek bei Hamburg 1995, 48 .
  24. Vgl. S. Scheerer, ebd .
  25. Vgl. L. Böllinger, H. Stöver, L. Fietzek, a.a.O., 80 .
  26. Vgl. H. Stöver, In: Wider besseres Wissen. Bremen 1996, 106 .
  27. H. Stöver, ebd .

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