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Drug-Checking -
sinnvolles Instrumentarium der Drogenhilfe?

Dipl.-Arbeit für die Prüfung zum Erwerb des Akademischen Grades Dipl.-Sozialarbeiter/- Sozialpädagoge
eingereicht von Axel Mähler


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3. 4  Zusammenfassung

In diesem Kapitel wurden drei sich einander ähnelnde Modelle von Drug-Checking vorgestellt. Gemeinsam ist diesen Modellen vor allem auch, daß sie jeweils Bestandteil übergeordneter Präventionsstrategien sind, welche sich in allen drei Fällen ebenfalls ähneln. Am besten beschrieben finden sich die Ziele und Inhalte dieser Präventionsstrategien durch die Begriffe »Drogenerziehung«, »Risikomangement«, »Drogenmündigkeit«, »Harm reduction« (Schadensminderung), »Eigenverantwortung« oder auch »Empowerment«. Zentraler gemeinsamer Gedanke ist dabei die Vorstellung, daß die allermeisten Gebraucher illegalisierter Substanzen sehr wohl fähig sind, zu einem kontrollierten, eigenverantwortlichen und weitgehendst gesundheitsunschädlichen Konsumverhalten. Die Annahme, bei den Konsumenten illegalisierter Drogen handele es sich schwerpunktmäßig um frühkindlich gestörte, kranke Defizitwesen, wird als längst entzauberter Mythos angesehen. Als besonders problematisch wird hingegen die das Individuum im Bereich des Drogenkonsums entmündigende Wirkung des gesetzlichen Drogenverbots betrachtet. So ruft die Prohibition z.B. einen Schwarzmarkt hervor, dessen Bedingungen dazu führen, daß die potentiellen Konsumenten der illegaliserten Drogen keinerlei Kenntnisse über deren Qualität besitzen. Auf diese Weise werden die potentiellen Drogengebraucher der Möglichkeit, ihr Drogenkonsumverhalten eigenverantwortlich zu gestalten, beraubt und so also entmündigt, da sie sich nun nicht mehr bewußt für oder gegen den Gebrauch einer bestimmten Substanz in einer bestimmten Dosierung entscheiden können. Stattdessen müssen sie das Risiko unbeabsichtigter Überdosierungen und Vergiftungen infolge der Beimischung toxischer Stoffe eingehen, wollen sie ihr Konsumbedürfnis realisieren. Die oben erwähnten fortschrittlichen Präventionsstrategien teilen die Sichtweise, wonach das angebliche Drogenproblem hauptsächlich aus der Prohibition mitsamt ihren Nebenwirkungen, sowie der damit in Zusammenhang stehenden Entmündigung des Individuums resultiert. Die genannten Präventionsstrategien sind deshalb bemüht, der Entmündigung der Drogenkonsumenten durch entsprechende Maßnahmen entgegenzuwirken. Es geht um eine im Rahmen der Gesetzgebung so weit wie mögliche (Wieder-)Herstellung von Selbstbestimmung über die Umstände des persönlichen Umgangs mit Drogen. Es geht um eine »Bemündigung« dort, wo das paternalistische Drogenverbot bisher entmündigend wirkte. Wie gesehen, spielt Drug-Checking beim Erreichen dieses Ziels eine wichtige Rolle. Drug-Checking ist ein Instrumentarium, auf das offensichtlich nicht verzichtet werden kann, hat man Ziele wie »Drogenmündigkeit«, »Drogenerziehung« oder »Empowerment« im Auge. Die durchweg positiven Erfahrungen, die im Rahmen aller drei dargestellten Drug-Checking-Modelle gesammelt werden konnten, seien hier nochmals in Kurzform wiedergegeben:

Drug-Checking stellt die Voraussetzung dafür dar, daß ein kompetenter und selbstkontrollierter Drogenkonsum möglich wird, da die sonst herrschende Unkenntnis über den genauen Inhalt der Droge diesem ansonsten entgegensteht Das Angebot von Drug-Checking ermöglicht eine vertiefte und selbstkritische Reflexion des eigenen Drogenkonsums und regt hierzu sogar an. Hieraus erfolgt häufig eine gesundheitsförderliche und risikominimierende Änderung des Konsumverhaltens. Wie die Erfahrungen zeigen, wird der Drogenkonsum oftmals verringert. Die mit Hilfe von Drug-Checking gewonnenen Informationen werden von den Konsumenten angenommen und in »vernünftiges« Verhalten umgesetzt.

Drug-Checking ist ein wichtiger Beitrag zu Gesundheitsschutz und Risikominimierung, da sich die Konsumenten illegalisierter Drogen im Hinblick auf die Gefahr von Überdosierung oder Vergiftung durch unerwartete Substanzen auf diese Weise absichern können.

Drug-Checking stellt ein sehr günstiges und effektives Mittel dar, um frühzeitig einen Zugang zu den Gebrauchern von illegalisierten Drogen zu erhalten, die ansonsten in aller Regel von der Drogenhilfe oder speziell von den »klassischen« Drogenberatungsstellen gar nicht oder zu spät erreicht werden.

In den Dienst von Forschung und Wissenschaft gestellt, ermöglicht Drug-Checking (nicht nur) die Erforschung der genauen Zusammensetzung der illegalisierten, auf dem Schwarzmarkt erhältlichen Drogen. Diese und andere mit Hilfe von Drug-Checking gewonnenen Daten sind nutzbar für eine dann angemessene Drogenberatung, eine zielgruppenspezifische Drogen- und Suchtprävention, sowie für die Gesundheitsförderung der Bevölkerung. Mit Hilfe von Drug-Checking lassen sich so auch die im Gegensatz zum Anspruch einer rationalen, wissenschaftlich fundierten Aufklärungsarbeit stehenden Drogenmythen und Legenden überwinden und widerlegen.

Insgesamt läßt sich sagen, daß Drug-Checking ein wichtiges Instrumentarium zur Förderung der individuellen Risikokompetenz und Drogenmündigkeit, zum Gesundheitsschutz und zur Gefahrenminimierung ist.

Aus meiner Sicht kann außerdem vor allem der mit Hilfe von Drug-Checking errungene Erfolg der frühzeitigen Kontaktaufnahme mit den Konsumenten illegalisierter Drogen gar nicht hoch genug bewertet werden. Die Angebote der Drogenhilfe leiden allgemein daran, daß sie in Fortsetzung staatlicher Verbotsrechtfertigung den illegalisierten Drogen eine Sondergefährlichkeit unterstellen (müssen). Die daraus häufig folgende Forderung nach Abstinenz wirkt abschreckend auf die Adressaten und wird von diesen als offensichtlich doppelmoralisch und unglaubwürdig erlebt, weshalb sie sich der Kontaktaufnahme mit der Drogenhilfe versperren. Für gewöhnlich handelt es sich bei den Klienten der traditionellen Drogenhilfe fast ausschließlich um Heroinabhängige, die allerdings den Kontakt in der Regel auch erst in extremen finanziellen, gesundheitlichen oder seelischen Notsituationen suchen. Da sich solche Notsituationen hier weitaus seltener ergeben, bleibt den klassischen Angeboten der Drogenhilfe insbesondere der Zugang zu der großen Anzahl von sog. Partydrogenkonsumenten fast komplett verschlossen bzw. stellt sich nur in seltenen Fällen - dann aber eigentlich zu spät - ein, wenn sich problematische Konsummuster bereits verfestigt haben oder gesundheitliche Schäden bereits eingetreten sind. Die in der Vergangenheit überwiegend abstinenzorientierte Drogenhilfe leidet meiner Meinung nach daran, daß sie die Konsumenten illegalisierter Drogen ausschließlich als Defizitwesen ansieht, woraus zwangsläufig ein Mangel an Angeboten entsteht, die den mündigen und eigenverantwortlich gestalteten Drogenkonsum unterstützen. Die Angebot von Drug-Checking stößt deshalb in eine Lücke des Drogenhilfesystems, die zum Wohle potentieller Drogenkonsumenten endlich geschlossen werden sollte. Meine persönlichen innerhalb der Partyszene gesammelten Erfahrungen verdeutlichten mir, daß Drug-Checking von den Konsumenten illegalisierter Drogen nicht nur akzeptiert, sondern in höchstem Maße erwünscht ist: Als Mitarbeiter von Eve & Rave Kassel hatte ich z.B. im Rahmen der Betreuung von Informationsständen des Vereins auf Techno-Parties die Gelegenheit, mit Partydrogenkonsumenten in Kontakt zu treten. In sehr vielen der hier geführten Gespräche tauchte irgendwann auch die Frage sowie der dringende Wunsch nach einer Möglichkeit auf, die es erlaubt illegalisierte Drogen testen zu lassen.

 


Fußnoten:
  1. Zu den sogenannten Partydrogen, also den nicht ausschließlich aber doch überwiegend auf Raves, House- und Technoparties konsumierten Drogen, zählt man hauptsächlich die Substanzen Ecstasy (MDMA), Speed (Amphetamin), LSD und Kokain .

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