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Techno

Eine neue Kultur mit alten Traditionen


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oder
Vom Urkult zur Kultur
Drogen und Techno

von Hans Cousto

 

  1. Tanz und Ekstase in meinem heutigen Leben

    1. Techno – eine von Drogen beeinflußte Kulturform

    In den Medien werden Techno und Drogen oft in Verbindung gebracht, obwohl einerseits der Gebrauch von Drogen auch schon vor der Popularität von Techno weit verbreitet war und anderseits es auch viele Genießer der Technokultur gibt, die gar keine Drogen zu sich nehmen. Ebenso ist es nicht richtig, zu behaupten, Techno sei eine reine Jugendkultur, gibt es doch unter den vielen Technofans auch zahlreiche Alt-Hippies und bürgerliche Erwachsene, vornehmlich aus der sozialen und kulturellen Oberschicht.

    Techno ist in erster Linie eine kulturelle Entwicklung und Strömung, die zwar vornehmlich von Menschen mit Drogenerfahrung ins Leben gerufen wurde, jedoch auch ohne den Gebrauch von Drogen ausgekostet werden kann. Genau so wie die Psychoanalyse von Sigmund Freud unter dem Einfluß und der Anwendung hoher Dosierungen von Kokain entwickelt wurde, jedoch auch ohne Gebrauch dieser Droge erfolgreich eingesetzt werden kann.

    Sicherlich haben Menschen, die vielfältige Erfahrungen mit psychoaktiven Substanzen haben, beim betrachten psychedelischer Kunstwerke mehr Assoziationsmöglichkeiten als Menschen, die eben diese Erfahrungen nicht haben, dennoch vermögen die künstlerischen Kreationen auch diesen letztgenannten tiefe Einblicke in das Wesen der menschlichen Archetypen gewähren, denn die zahlreichen psychedelischen Drogen öffnen und weiten die Zugänge zu den tieferen Schichten des menschlichen Bewußtseins, die von den drogenerfahrenen Künstlern wahrgenommen und umgesetzt wurden und werden. So haben diese künstlerischen Werke ihren Ursprung in den Archetypen der Seele und können bei jedem kulturell zugänglichen Menschen Bilder aus dem eigenen seelischen Empfinden hervorbringen und so assoziativ etwas von den unter Drogeneinfluß wahrgenommenen Realitäten vermitteln.

    Es gibt eine alte These, daß jede Epoche die Drogen besitzt, die im Einklang mit dem jeweiligen Zeitgeist stehen und die ästhetischen Aspekte des kulturellen Schaffens (mit-)prägen.

    In den sechziger und siebziger Jahren waren es vor allem die Halluzinogene und Psychedelika (LSD, Meskalin, Psilocybin und Haschisch), einhergehend mit einem gewissen sozialen Idealismus, die die Kulturentwicklung wesentlich beeinflußten. Ein paar Beispiele mögen hier diese These belegen. Der Filmstar Cary Grant, der als Schauspieler in verschiedenen Filmen von Alfred Hichcock mitwirkte [u.a. in Notorius (Weißes Gift, Berüchtigt), To Catch a Thief (Über den Dächern von Nizza), North by Northwest (Der unsichtbare Dritte)], erklärte 1959 auf einer Pressekonferenz in Hollywood, daß er LSD genommen habe und daß er sich danach "wie neugeboren fühlte" und daß er "durch ein psychiatrisches Experiment gegangen sei, das ihn vollkommen verändert habe". Er wisse jetzt, "daß er jede Frau, die er liebte, verletzt habe."

    Die Filme "Psycho" (1960) und "Die Vögel" (1963) von Alfred Hitchcock widerspiegeln deutlich Erlebnisebenen, die unter der Einwirkung von LSD durchwandert werden. Die Musik zum Film "Die Vögel", produziert von Remi Gassman und Oskar Sala, ist die erste ausschließlich elektronisch hergestellte Filmmusik. Ein markanter Schritt in Richtung Techno.

    Aldous Huxley würdigte die Wirkung von Meskalin in seinen Romanen "Pforten der Wahrnehmung" (1954) und "Himmel und Hölle" (1956). 1962 publizierte Aldous Huxley das utopische Modell einer psychedelischen Gemeinschaft "Island". In der Folge wurde die Band The Doors durch das Buch "Pforten der Wahrnehmung" (The Doors of Perception) zu ihrer eigenen Namensgebung inspiriert, so wie die Gruppe The Byrds vom gleichnamigen Hitchcockfilm.

    In den siebziger Jahren entwickelte sich der Psychedelic Rock, auch Acid Rock genannt. Die LSD-Erlebnisse wurden nicht nur in Töne, Klänge und Rhythmen, sondern auch in Texte umgesetzt. An dieser Entwicklung waren in den USA vor allem Persönlichkeiten wie Bob Dylan und Bands wie The Geatful Dead, Jefferson Airplane und The Byrds beteiligt. In England waren es die Beatles [u.a. Yellow Submarine (1969), Magical Mystery Tour (1967)], die Rolling Stones, Pink Floyd [u.a. The Piper at the Gates of Dawn (1967), A Sauceful of Secrets (1969), Ummagumma (1969), The Wall (1979)] und The Who [Magic Bus (1968), Tommy (1970)].

    Es gibt auch zahlreiche Bühnenwerke und Filme, die Kultcharakter bekommen haben und die deutlich von psychedelischen Erfahrungen geprägt sind, so u.a. das Buch "Einer flog übers Kuckucksnest"(1961/62) von Ken Kesey, das später verfilmt wurde, das weltberühmte drogenverherrlichende Musical "Hair" (1968), das 1979 von Milos Forman verfilmt und der Film "Easy Rider" (1969) von Peter Fonda.

    In den neunziger Jahren waren es die sogenannten "empatischen, entaktogenen und halluzinogenen Designerdrogen" (MDMA, MDEA, MDA, 2C-B, etc.) einhergehend mit einem eher hedonistisch (nach Sinneslust und Genuß strebend) geprägten Wertmuster, die das ästhetische Empfinden der neueren Kulturströmungen beeinflußten.

    Die Vorläufer der Technomusik waren noch von den Erfahrungen, die mit LSD gemacht wurden, geprägt. Die Geburtsstunde der House-Musik liegt im Jahre 1985. DJ Pierre, der sich als Haus-DJ des weltberühmten Clubs Warehouse in Chicago einen Namen machte, komponierte und mischte das Tape "Acid Trax" ab, daß dann 1987 unter dem Projektnamen "Phuture" bei Trax Records auf Vinyl (Schallplatte) erschien. Der Musikstil Acid House war geboren.

    In London war im Jahr 1988 das Stück "We Call It Acieed" von DJ Mob Nr. 1 der Hit-Liste der nationalen Charts. Im Oktober 1988 weigerte sich der staatliche englische Rundfunk BBC dieses Stück wegen seines Textes zu spielen. Der Text sei drogenverherrlichend und würde zum Konsum von Drogen verleiten: Zensur. Der Project Club, Londons erster House-Club wurde von der Polizei geschlossen: Reaktionäre Repression.

    "Acid, the musical phenomenon
    only for the headstrong
    makes you wanna dance, move, groove, beat
    puts you inna'trance
    keeps you on your feet
    we call it Acid!

    You turn on, you tune in, you drop out
    Acid has that effect
    bassline be pumpin', body rockin'
    people in the crowed, you hear them shout
    Aciiiiiiiid, Aciiiiiiiid!"

    Der erste Satz der zweiten Strophe bezieht sich direkt auf den berühmten Ausspruch "turn on, tune in, drop out" von Tim Leary, den er in seinem Buch "Politik der Ekstase" (1968) erläuterte und propagierte. Die Flower Power Bewegung deklarierte alsdann diesen Ausspruch zum Leitmotiv ihres (politischen) Handelns.

    Ecstasy wurde 1987 vor allem in den House-Clubs auf Ibiza geschätzt und reichlich konsumiert, kam von dort zuerst nach England und danach sehr bald auch nach Kontinentaleuropa. Ecstasy wurde in den neunziger Jahren zur neuen Trenddroge und löste diesbezüglich LSD sukzessive ab.

    Das Leitmotiv der Gebraucher von psychedelischen, entaktogenen und empatischen Drogen aus den sechziger wie auch aus den neunziger Jahren ist das Gleiche: "Friede und Liebe" (Peace and Love). Der Slogan der Flower-Power- und der Hippie-Bewegung war: "fuck for peace" und "make love, not war", derjenige der Technogeneration: "peace, love, unity ..."

     

    1. Nüchtern, was ist das ?

    Das Adjektiv nüchtern war ursprünglich ein Klosterwort und bedeutete "noch nichts gegessen und getrunken habend". Der erste Gottesdienst in den Klöstern wurde in der Frühe vor der Einnahme der ersten Morgenmahlzeit abgehalten und die Mönche hatten diesen ersten Gottesdienst am Tage nüchtern zu besuchen.

    Heute wird das Wort nüchtern gemäß Duden, Herkunftswörterbuch, im Sinne von "schwunglos, langweilig" und im Sinne von "besonnen" verwendet. Des weiteren wird das Wort nüchtern heutzutage vornehmlich in Verbindung mit dem Lenken von Fahrzeugen im Straßenverkehr auch im Sinne "ohne unter Einfluß von Drogenwirkung seiend" oder "nicht unter Alkoholeinfluß stehend" gebraucht.

    Mit der Nüchternheit im verkehrstechnischen Sinn hat die moderne mobile Gesellschaft gewaltige Probleme. So waren in Deutschland 1993 weit über 20% aller Todesopfer, die der Straßenverkehr gefordert hat, direkt auf den Einfluß von Alkohol am Steuer zurückzuführen. 1993 ereigneten sich in Deutschland 40.998 Unfälle mit Personenschäden, bei denen mindestens ein beteiligter Fahrzeuglenker unter Alkoholeinfluß stand – das Fazit: 2.048 Tote. Wer Alkohol getrunken hat, sollte jedenfalls kein Fahrzeug lenken, da das Unfallrisiko signifikant deutlich erhöht ist.

    Von den 40.998 registrierten durch Alkohol bedingte Straßenverkehrsunfällen mit Personenschaden wurden 4.914 von Fahrzeuglenkern verursacht, die einen Blutalkoholgehalt von weniger als 0,8‰ hatten. Das waren etwa 12% der registrierten Unfälle unter Alkoholeinfluß. Von diesen knapp 5.000 Unfällen wurden weit mehr als die Hälfte von Fahrern verursacht, die einen Blutalkoholgehalt zwischen 0,5‰ und 0,8‰ hatten.

    Quelle: Statistisches Bundesamt, Alkoholunfälle im Straßenverkehr 1993, Wiesbaden 1994

    In der DDR durften Fahrzeuglenker überhaupt keinen Alkohol trinken (0,0‰ Regel), in der BRD galt bis zum 1. Januar 1999 das Limit von 0,8‰, das entspricht etwa dem Genuß von zwei Gläsern Bier oder einem Glas Wein.

    In Deutschland wurde in den Jahren 1994 bis 1998 der Wert von 0,8‰ Blutalkoholgehalt auf der politischen Ebene heftig diskutiert. Die damaligen Regierungsparteien CDU/CSU und FDP waren für die Beibehaltung des alten Wertes von 0,8‰, die SPD war für eine Herabsenkung auf 0,5‰ und Bündnis 90/Die Grünen wie auch die PDS waren für die Regelung, wie sie in der DDR galt: 0,0‰, denn die Wahrscheinlichkeit, einen Unfall mit Todesfolge zu verursachen, liegt bei 0,5‰ bereits über dem Zweieinhalbfachen gegenüber einem nüchternen Fahrer, bei 0,8‰ bereits über dem Viereinhalbfachen und bei 1,2‰ sogar über dem Zehnfachen. Wahrlich ernüchternde Tatsachen!

    Im Rahmen der Harmonisierung der Straßenverkehrsgesetze (StVG) in der Europäischen Union (EU) mußte die Bundesregierung auf Druck der EU den Grenzwert in der Regelung zum Fahren unter Alkoholeinfluß von 0,8‰ auf 0,5‰ senken. Im StVG wurden gemäß der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr und zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 18. August 1998 mit Wirkung vom 1. Januar 1999 die Regelungen zum Fahren unter Alkoholeinfluß in § 24 geändert. Nach § 24 Abs. 1 begeht eine Ordnungswidrigkeit, wer ein Kraftfahrzeug führt und mindestens 0,5‰ Alkohol im Blut aufweist infolge vorsätzlichen oder fahrlässigen Alkoholkonsums.

    Die heftig geführte öffentliche Diskussion betreffend Nüchternheit am Steuer respektive bezüglich der Promillegrenze zeigte eine erfreuliche Wirkung. Waren 1994 noch mehr als 1.800 Verkehrstote und rund 55.000 Verletzte, davon 20.000 Schwerverletzte, durch Unfälle zu beklagen, bei denen Alkoholkonsum eine Rolle spielte, so sank die Zahl der durch Alkoholkonsum bedingten Unfälle in den Folgejahren deutlich, wie die folgende Tabelle zeigt:

     

    Jahr

    1997

    1998

    1999

    Polizeilich erfaßte Unfälle

    2.232.379

    2.257.649

    2.413.473

    mit Personenschaden

    380.835

    377.257

    395.689

    Anzahl der Verletzten

    501.094

    497.319

    521.127

    Anzahl der Getöteten

    8.549

    7.792

    7.772

    Anzahl der Unfälle durch Alkoholeinfluß

    30.734

    26.542

    26.377

    Quelle: Statistisches Bundesamt:
    http://www.statistik-bund.de/basis/d/verk/verktab6.htm bis /verktab9.htm

    Nüchtern im Zusammenhang mit Techno heißt nicht unbedingt alkoholfrei, sondern hier bedeutet nüchtern frei von illegalisierten Drogen, wie auch frei von Medikamenten, die zur Stimulierung von Körper und Geist eingenommen werden. Wenn also jemand vor der Technoparty ein paar Tassen stimulierenden Kaffee trinkt und auf der Party raucht (Nikotin) und ein paar Gläser Sekt trinkt, soll im folgenden immer noch von nüchtern oder "drogenfrei" gesprochen werden, obwohl dies pharmakologisch gesehen unsinnig, jedoch in der gesellschaftspolitischen Diskussion üblich ist. In diesem Sinne nüchtern, kann ich mir eine Technoveranstaltung oder einen Rave ohne illegalisierte Drogen jedenfalls viel besser vorstellen, als einen CSU-Parteitag ohne Bier und ohne Schnaps.

     

    1. Techno, einmal nüchtern

    Drogen beeinflussen einen bei Dauerkonsum nicht nur während ihrer eigentlichen Wirkung, sondern die Erfahrungen, die man unter Drogeneinfluß gemacht hat, prägen einen auch im weiteren Verlauf des Lebens. Dies gilt für Alkohol genauso wie für Haschisch, LSD oder Ecstasy. So gesehen, habe ich meine Wahrnehmung und mein Empfindungsvermögen nun schon über drei Jahrzehnte mit Drogen beeinflußt und ich kann nicht sagen, ob jemand, der immer nüchtern geblieben ist, ohne Drogen genauso empfinden kann wie ich. Dies gilt besonders für kulturelle Veranstaltungen jeder Art, da ich dort oft Assoziationen habe, die mit früheren Drogenerlebnissen in Zusammenhang stehen.

    Wenn ich froh und heiter bin, dann bin ich bei einer guten Technoveranstaltung in der Lage, alleine durch die Musik, die Lightshow, das Ambiente und die Mittänzer/innen so angeregt zu werden, daß ich beim Tanzen in Trance gerate und absolut ekstatische Gefühle in mir aufsteigen. Dies gilt jedoch nur für sehr gute und gelungene Veranstaltungen. In nüchternem Zustand bin ich in gewissen Sinne viel perfektionistischer, kritischer und anspruchsvoller bezüglich der technischen Rahmenbedingungen als unter der Einwirkung bestimmter Drogen, die meine Empfindungen auf das Wesentliche lenken. Nüchtern werde ich leichter abgelenkt und aus dem Zustand der Trance herausgerissen.

    Mit Alkohol habe ich ähnliche Erfahrungen gemacht. Im Englischen Garten in München pflegt an schönen Samstagen und Sonntagen eine Blasmusik auf dem Chinesischen Turm zu spielen. Dabei trinken die Musiker recht viel Bier. In den früheren Abendstunden sind die Musiker dann so stark betrunken, daß sie den Takt nicht mehr richtig halten können und auch den Ton nicht mehr so richtig zu treffen vermögen. Trinke ich nun an diesem Ort selbst reichlich Bier, dann stören mich diese schrägen Mißklänge in der eigenen Bierseligkeit bei weitem nicht so sehr wie im nüchternen Zustand. Nüchtern empfinde ich diese mißklingende Musik nur als abscheulichen Lärm, den ich nicht über längere Zeit aushalten kann. Bayerische Gemütlichkeit in Verbindung mit Bierseligkeit sind für mich in nüchternem Zustand einfach nicht genießbar.

     

    1. Ecstasy – Meditationsdroge, Liebesdroge, Partydroge

    Ecstasy gilt bis heute als die Partydroge Nummer Eins, obwohl zunehmend Speed (Amphetamin und Methamphetamin) auf Parties konsumiert wird . Ecstasy ist eine empatische Droge, fördert also die Bereitschaft und die Fähigkeit, sich in die Einstellung und Empfindung anderer Menschen einzufühlen. Bei einem gruppendynamischen Tanzritual ist Ecstasy somit das verbindende Glied zwischen den einzelnen Teilnehmern an der Party. Wenn nun viele TeilnehmerInnen an einer Party oder auf einem Rave auf Ecstasy sind, dann ist die Veranstaltung zumeist sehr friedlich und ekstatisch, da das gegenseitige Einfühlungsvermögen auf große Resonanz stößt. Es entsteht so eine Art Party-Family-Geist. Diesen verbindenden Party-Family-Geist habe ich oft als sehr wohltuend und angenehm empfunden.

    Ich habe Ecstasy schon lange vor dem Technozeitalter gebraucht, früher jedoch zumeist zu ruhigen Meditationen, zum Beispiel im Anschluß an einen Rebirthing-Workshop (Rebirthing = Wiedergeburt; Rebirthing wird heute als Ausdruck für intensive Atemübungen die zu Hyperventilation führen und tiefe Bewußtseinsebenen freilegen, gebraucht). Damals fühlte ich die Wirkung von Ecstasy lange nicht so stark, wie heute, da das Miteinander der TeilnehmerInnen und das gemeinsame Empfinden bei diesen esoterisch gefärbten Workshops lange nicht so ausgeprägt war, wie dies bei Technoveranstaltungen der Fall ist. Ecstasy war für mich über lange Zeit hinweg eine Droge, die in der Lage ist, mich in einen Zustand zu versetzen, den ich sonst durch Meditationsübungen erreicht habe. Durch Ecstasy wurde die Meditation auch nicht intensiver, ich konnte höchstens feststellen, daß ich mit Ecstasy gewisse meditative Zustände etwas schneller erreichen konnte.

    Eine Steigerung meiner Zuneigung zu Ecstasy hat in den frühen achtziger Jahre im Zusammenhang mit meinen Sexualpraktiken stattgefunden. Damals habe ich die wahre Wirkung von Ecstasy selbst oft erfahren, nämlich den empatischen Effekt. Die früheren Erlebnisse mit Ecstasy waren sicherlich nett, beglückend und angenehm, doch sie brachten mir nie die tiefen Gefühlsempfindungen, die ich dann vor allem in Amsterdam an orgiastischen Sexparties erleben durfte.

    Damals in Amsterdam widmete mich vor allem dem Hardcore Sex. Seinerzeit nannte ich das kurz und bündig Hardcore Yoga, denn zum guten Sex gehört viel Übung wie zum gelungenen Genuß bei vielen klassischen Yogatechniken oder wie zum guten Musizieren. Hardcore Yoga ist eine spezielle Art von Tantra, das vornehmlich von Schwulen praktiziert wird. Zentrale Punkte im Hardcore Yoga sind auf der einen Seite die absolute Hingabefähigkeit (für den Passiven) und anderseits die vollkommene Übernahme der Verantwortung für den anderen Menschen (betrifft den Aktiven). Bei diesen zum Teil sehr extremen Praktiken ist die Fähigkeit, sich in andere einfühlen zu können, von außerordentlicher Bedeutung. Hier kam Ecstasy gerade recht, denn es war, neben LSD, sowohl für die Steigerung des Einfühlungsvermögens in andere Menschen als auch für das eigene körperliche wie auch seelische Empfinden ein probates Mittel. Auf Dauer hat sich aber LSD als das stärkere Aphrodisiakum herauskristallisiert und im Hardcore Yoga durchgesetzt, weil Ecstasy bei einigen Männern zu Erektionsproblemen führt. Ecstasy ist halt doch mehr eine Kuscheldroge und für Softiesex geeignet als eine reine Fickdroge.

    Als Partydroge habe ich Ecstasy oft gebraucht, häufig in den Wintermonaten. Da Ecstasy vor allem das Empfinden beeinflußt, im Gegensatz zu LSD, das vor allem die Wahrnehmung verändert, ist Ecstasy für mich am wirkungsvollsten, wenn bei der Party die optischen Effekte sparsam eingesetzt werden. Auf Ecstasy kann ich stundenlang mit geschlossenen Augen tanzen, ohne daß ich andere TänzerInnen anremple oder störe, da ich sie auch mit geschlossenen Augen gut wahrnehmen kann.

    Ein paar Strobolights genügen mir da für die optische Stimulation, da diese auch bei geschlossenen Augen wirksam sind, ähnlich wie die Leuchtdioden bei den Brillen von Mindmachines auch bei geschlossenen Augen ihren Effekt erzielen.

     

    1. Techno und Ecstasy

    Hardtrance (4/4 Takt, 150 bis 180 Bpm), industrial Hardcore und Gabber (2/4 Takt, 180 bis 250 Bpm) sind für mich die idealen Technosounds zu Ecstasy, da diese Musik durch ihre einfache und monotone Struktur sehr geeignet ist, einen in den Trancezustand, Vorstufe der eigentlichen Ekstase, zu versetzen. Um diese Musik richtig genießen zu können, sollte man auf jeden Fall tanzen, denn erst wenn man die Energie der massiven und stetigen Baßklänge in Bewegung umsetzt, beginnt sich das Ohr für die sparsam eingesetzten Melodiebögen zu öffnen.

    Wenn ich eine Ecstasypille genommen habe, dann spüre ich die Bässe der Musik wesentlich stärker im ganzen Körper, als wenn ich nüchtern bin. Der sogenannte sequentielle Effekt (das stetige Wiederholen der gleichen musikalischen Struktur) kommt bei mir unter dem Einfluß von Ecstasy deutlich mehr zur Geltung, als dies im nüchternen Zustand der Fall ist. Da jedoch die Empfindung und die tänzerische Umsetzung dieser sequentiellen Effekte die Grundlage und Voraussetzung für das Eintreten des Trancezustandes sind, ist es für mich weit schwieriger, ohne Ecstasy gleichermaßen den von mir gewünschten Trance- und Ekstasezustand zu erreichen.

     

    1. Ecstasy und LSD – zwei Partydrogen im Vergleich

    Wie schon angedeutet, habe ich in den Wintermonaten weit häufiger Ecstasy genommen als in den Sommermonaten. Bei LSD ist es genau umgekehrt, denn vor allem für Open-Air-Festivals scheint mir LSD die bessere Droge zu sein, denn die naturgegebenen Eindrücke werden auf LSD deutlicher wahrgenommen als auf Ecstasy.

    Mit LSD reagiert man viel stärker auf optische Reize, als dies bei Ecstasy der Fall ist. Deshalb pflege ich auf Parties, auf denen Dia- und Videoprojektionen gezeigt werden und eine große Lightshow zu erwarten ist, LSD zu gebrauchen, während ich auf puristischen Technoparties, die in eher kahlen Räumlichkeiten stattfinden, Ecstasy nehme.

    Auf Goa-Parties (Durchschnittstempo 120 bis 140 Bpm) empfinde ich LSD als den besseren Katalysator, da die Musik dort verspielter, malerischer und abwechslungsreicher ist. An diesen Parties fehlt allerdings leider oft der echte ekstatische Höhepunkt, da die Musik die TänzerInnen zwar stets auf Trab hält, es kommt jedoch zumeist nicht zu einem euphorisierenden Galopp. Diese Parties, vor allem die Goaparties im Freien, haben zwar einen deutlich erkennbaren rituellen und kultischen Aspekt, doch das magisch-sakrale Niveau, daß ich bei Hardtranceparties oft miterleben durfte, wird bei Goaparties ganz selten bis nie erreicht.

    Eine Hardtranceparty ohne Ecstasy ist für mich wie ein Chateaubriand ohne Burgunderwein, eine Goaparty ohne LSD wie eine Weißwurst ohne Bier und ein Ambient Chill Out ohne Haschisch wie ein Frühstück ohne Kaffee. Sicherlich kann man die doppelt dick geschnittene Rinderlende auch ohne Wein genießen, auch eine bayerische Zwischenmahlzeit mit Salzbrezel und Weißwurst kann man ohne Bier verdauen und auch ein Frühstück ohne Kaffee kann einen sättigen und stärken, doch der Wein, das Bier und der Kaffee runden eben die Mahlzeiten in einer Art und Weise ab, die viele Menschen als angenehm, ermunternd und kommunikativ anregend empfinden. Doch im Gegensatz zu Haschisch, Ecstasy und LSD machen Wein, Bier und Kaffee süchtig, das heißt, sie führen zu einer körperlichen Abhängigkeit.


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