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Techno

Eine neue Kultur mit alten Traditionen


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oder
Vom Urkult zur Kultur
Drogen und Techno

von Hans Cousto

 

  1. Sequentielle Musik

    1. Der Kanon und die Kunst der Fuge

    Bis zur Barockzeit war die Musik vornehmlich homophon (einstimmig oder parallelstimmig) ausgerichtet, die Polyphonie (Vielstimmigkeit), bei der jeder Stimme selbständige melodische Bedeutung zukommt, entwickelte sich vor allem in der Barockzeit. Ein Hauptkunstmittel der Polyphonie ist die Nachahmung, eine kontrapunktische (lat. punctus contra punctum = Note gegen Note) kompositorische Form der Mehrstimmigkeit, die satztechnisch auf der melodisch und rhythmisch unveränderten strengen Imitation der führenden Stimme durch eine oder mehrere in gekennzeichnetem Abstand nachfolgenden Stimmen beruht. Die strengsten Formen der Imitation sind der Kanon (lat. canon = Regel, Norm, Richtschnur) und die Fuge (lat., ital. fuga = Flucht). Hier wird das Thema in der Grundgestalt und in seiner Beantwortung durch alle Stimmen geführt und die musikalischen Sequenzen werden oft wiederholt, gespiegelt, umgedreht und miteinander verschachtelt.

    Das Wort Kanon entstammt ursprünglich der griechischen Sprache und bedeutet: Maßstab, Richtschnur und Regel. In der alt griechischen Musik ist Kanon der Name des Monochords, durch das die Intervalle bestimmt wurden. Daher nannte man die Pythagoräer, deren Musiktheorie von Messungen an diesem Instrument abgeleitet wurde, die Kanoniker im Gegensatz zu den Harmonikern.

    In der abendländischen mehrstimmigen Musik bezeichnet Kanon die reinste Form der kontrapunktlichen Nachahmung, bei der zwei oder mehr Stimmen die gleiche Melodie zeitversetzt ausführen, so daß aus der einen Melodie ein vollständiger mehrstimmiger Satz entsteht. Der Zirkelkanon, auch Kreiskanon genannt, ist jene Form, die endlos gespielt werden kann, da der Schluß wieder in den Anfang zurückläuft. Die Fuge ist die musikalisch am vollkommensten durchgebildete und streng architektonisch aufgebaute Form des polyphonen Stils in der Musik. Der Name erklärt sich aus der von einer Stimme zur anderen "fliehenden" Intonation des gleichen Themas, das in den verschiedenen Stimmen nacheinander auftritt. Aufbau und Struktur der Fuge sind streng mathematisch-harmonikal definiert. Das "Wohltemperierte Klavier" von Bach gilt als künstlerischer Höhepunkt der Fugenkunst.

     

    1. Techno – elektronische sequentielle Musik

    Die moderne Technik macht es möglich, für elektronische Musikinstrumente wie Synthesizer und Schlagzeugmaschinen, kompositorische Elemente in Computer zu speichern, beliebig oft zu wiederholen oder zu spiegeln, umzudrehen oder sonst wie zu verwandeln. So sind computergesteuerte Synthesizer ideale Instrumente, um Fugen oder einen Kanon zu komponieren und zu spielen. Die ersten Versuche in dieser Richtung veranstaltete Walter Carlos, der bereits 1966 auf dem analogen Moog-Synthesizer das später berühmt gewordene Album "Switch on Bach" einspielte.

    Einen Meilenstein in der Entwicklung der elektronischen Musik setzte die Düsseldorfer Musikerformation "Kraftwerk" mit der Herausgabe des Albums "Autobahn" (1975). Die kulturelle Beziehung von Mensch und Maschine hat im musikalischen Bereich mit Veröffentlichung dieses Albums eine neue Dimension erhalten.

    Es dauerte jedoch noch weit mehr als zehn Jahre, bis diese rein technisch erzeugte und mathematisch streng strukturierte Musikform an Popularität gewann und von einem größeren Publikum richtig wahrgenommen wurde. Die Schlager-, Rock- und Popmusiker setzten zwar immer wieder Synthesizer zur Klangerzeugung ein, doch die kompositorische Grundlage bildeten stets die Liedform oder der Sonatensatz. Erst im "Technozeitalter" setzte sich wieder eine so klare Musikform durch, wie man sie zuletzt in der Barockzeit erlebte.

     

    1. Der reine Technosatz

    Der Technosatz ist dem Kanon und der Fuge recht ähnlich. Melodien und Rhythmusfolgen werden in Form von Sequenzen auf einzelne "Musikspuren" verteilt, wobei die Sequenzen sich auf ihrer Spur stets wiederholen. Im reinen Technosatz (pure techno) ist jede Spur jederzeit mit jeder anderen Spur kombinierbar, so daß man aus den einzelnen Spuren, die technisch gesehen gleichwertig und parallel geschaltet sind, beliebige Sequenzen miteinander mischen, das heißt gleichzeitig spielen kann.

    Die Sequenzen können dabei unterschiedliche Längen aufweisen und auch doppelt oder halb so schnell erklingen als in ihrer Grundform oder auch, jedoch seltener, einer fortlaufenden stetigen Beschleunigung als auch Verlangsamung unterworfen werden. Oft kommen auch nur Bruchstücke von Sequenzen zum Erklingen, wobei diese sich jedoch häufig wiederholen.

    Damit die Kombinationen der Sequenzen stets zueinander passen, basiert die gesamte Kompositionsstruktur auf einem einfache 2/4 oder 4/4 Taktmodell. Auch die Wechsel der Einsätze der verschiedenen Spuren (Sequenzen) folgen diesem einfachen Zahlenverhältnis. Nach 2, 4, 8, 16 oder 32 Takten wird eine Spur, die eingeblendet wurde, wieder ausgeblendet. Die zumeist einzige Ausnahme bildet der Baßbeat, der fast immer durchgehend zu hören ist und in Zwischenstücken oft mit einer ungeraden, nicht durch 2 oder 4 teilbaren Taktzahl in Erscheinung tritt. Der Baßbeat, Motor (lat. Beweger, Antreiber) der gesamten Komposition, wird dabei manchmal von einem Klatschen, Zischen oder Knallen unterstützt.

    Das Hauptmotiv, das heißt die Melodie, die durchaus auch aus nur zwei verschiedenen Tönen in rhythmisch versetzter Form gebildet werden kann, erklingt sowohl als Solo (auch hier in sich stets wiederholender Form) als auch in Kombination mit den verschiedensten Spuren.

     

    1. Die Techno-Kompositionstechnik

    Der Techno-Musiker komponiert eine Spur nach der andern, wobei er die Klänge während der Arbeit des Komponierens stets hören kann. Begonnen wird zumeist mit dem Baßbeat, gefolgt von anderen Percussionsounds, die jeweils eine eigene Spur belegen und zuletzt folgen die Melodie (Hauptmotiv) und die Stimmen und Flächensounds, die jeweils wiederum eigene Spuren belegen. Viele Sequenzen sind oft nur einen einzigen Takt lang, doch manchmal wird auf einer weiteren Spur eine leicht veränderte Form einer Grundsequenz gelegt, die dann wahlweise mit der Grundform abgewechselt werden kann.

    Die eigentliche Kompositionsarbeit besteht dann im Ein- und Ausblenden der verschiedenen Spuren. Manchmal werden für die Dauer eines Taktes alle Spuren ausgeblendet. So ein Moment der Stille nennt man Break. Nach dem Break werden öfters kleine, manchmal fast unmerkliche Veränderungen und Rhythmusverschiebungen vorgenommen, was die Dynamik der Komposition sehr beleben kann.


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