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Drogenpolitische Szenarien

Subkommission Drogenfragen der Eidgenössischen Betäubungsmittelkommission


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Anhang 3
(A3-2  –  A3-2.8)

 

 

A3-2   Thesen

 

A3-2.0   Einleitung

Nachfolgend sind die von uns bearbeiteten Thesen aufgeführt. Sie sind parallel zum Studium der Szenarien und der Literatur entstanden, basieren auf dem theoretischen Hintergrund und richten sich gezielt auf die einzelnen Szenarien.

 

 

 

A3-2.1   Szenario 1: Medizinisch-therapeutisch ausgerichtete Drogenpolitik

steigende Kosten durch:

  • differenzierte und individualisierte Programme für Betreuung und Therapie (Abstinenzkosten durch Heilung der Konsumentinnen und Konsumenten von der Abhängigkeit)
  • Verpflichtung aller Spitäler, spezialisierte Stellen zur Behandlung der Drogenabhängigen einzurichten
  • Massnahmen für die Überlebenshilfe
  • Kosten für Koordinationsmassnahmen auf nationaler Ebene (speziell bei Therapie und Polizei)
  • massive Prämienerhöhungen der Krankenkassen


gleichbleibende Kostenintensität bei:

  • Prävention, trotz Richtungsänderung der Botschaft; evtl. sogar sinkend
  • Wiedereingliederungsmassnahmen
  • Polizei- und Spezialeinheiten (v.a. gegen den Handel mit illegalen Drogen)


sinkende Kosten durch:

  • Beschränkung auf die Bekämpfung des organisierten Handels mit illegalen Drogen (evtl. gestützt auf Geldwäschereiartikel); je nach Intensität und Ressourcenbeanspruchung auch Kostensteigerung möglich
  • Gesetzesanwendung
  • Abbau von psychosozial orientierter Lebenshilfe
  • ¬ Mortalitätskosten und ¬ Morbiditätskosten
  • anfallende Kosten werden teilweise von nicht-staatlichen Organisationen getragen


Effizienzgewinne und Nutzen bei Umsetzung des Szenarios durch:

  • national koordinierte und einheitlich vollzogene Drogenpolitik
  • Glaubwürdigkeit durch einen konsequenten Vollzug der Drogenpolitik an sich
  • erfolgreiche Heilung durch freiwillige Entzugsbehandlungen und Therapien


allgemeine ökonomische Beurteilung (auch bezüglich Realisierbarkeit)

  • Kostenverlagerung vom Bund zum Krankenversicherten und Konsumierenden legaler Drogen, also vom Staat zur Allgemeinheit über Versicherungsprämien und vom Staat zum Drogenkonsumierenden über eine Verbrauchssteuer
  • erhöhte ¬ Effizienz durch gezielt eingesetzte Massnahmen
  • tendenziell höhere Kosten als heute

 

 

 

A3-2.2   Szenario 2: Modell Drogenabstinenz

steigende Kosten durch:

  • Ausbau der substanzorientierten Prävention (dissuasive Drogenprävention)
  • Zwangsmassnahmen im Entzugs-, Therapie- und Betreuungsbereich
  • Kosten der Gesetzesanwendung (Repressionskosten)
  • intensive Koordination auf Bundesebene in allen Bereichen


gleichbleibende Kostenintensität bei:

  • ¬ Mortalitätskosten und ¬ Morbiditätskosten


sinkende Kosten durch:

  • Abbau der ursachenorientierten Prävention
  • Beschränkung der Überlebenshilfe auf lebensrettende Sofortmassnahmen
  • Abbau nicht abstinenzorientierter Therapieprogramme


Effizienzgewinne und Nutzen bei Umsetzung des Szenarios durch:

  • Drogenfreie Gesellschaft an sich
  • Glaubwürdigkeit in die Behörden steigt durch national koordinierte und einheitlich vollzogene Drogenpolitik


allgemeine ökonomische Beurteilung (auch bezüglich Realisierbarkeit)

  • äusserst kostenintensiv im Vollzug
  • ein dauerhafter Erfolg des Entzugs wird durch Zwang in Frage gestellt
  • Verschärfte ¬ Effizienzverluste durch einen aggressiven Schwarzmarkt
  • Effizienz, Nutzen und Wirksamkeit der drogenpolitischen Massnahmen müssen aus ökonomischer Sicht in Frage gestellt werden, denn je grösser die Zahl der Verzeigungen (Strafanzeigen) und je höher der Heroinpreis ist, desto grösser wird die Nachfrage nach abstinenzorientierten Therapieprogrammen (Bernasconi 1993)
  • Der Heroinpreis wird bestimmt durch die Illegalität des Drogenmarktes, durch Informationslücken hinsichtlich Produktqualität und -quantität und durch das Angebot an Substitutions- und Abstinenzprogrammen (Bernasconi 1993)
  • tendenziell stark wachsende Kostenintensität

 

 

 

A3-2.3   Szenario 3: Repressiv orientierte Drogenpolitik

steigende Kosten durch:

  • Zwangsentzugs- und Zwangstherapieplätze
  • Internierungskosten (Behandlungs- und Gefängniskosten)
  • Repressionsbereich (konsequente Gesetzesanwendung)
  • ¬ Mortalitätskosten und ¬ Morbiditätskosten
  • Ausbau polizeilicher Ressourcen stark zunehmend
  • Koordination auf Bundesebene, vor allem massiver Einsatz der Polizei


gleichbleibende Kostenintensität bei:

  • Prävention, beschränkt sich auf Abschreckung


sinkende Kosten durch:

  • Beschränkung auf lebensrettende Sofortmassnahmen


Effizienzgewinne und Nutzen bei Umsetzung des Szenarios durch:

  • Aufbau einer drogenfreien Gesellschaft
  • Glaubwürdigkeit in die Behörden steigt durch national koordinierte und einheitlich vollzogene Drogenpolitik


allgemeine ökonomische Beurteilung (auch bezüglich Realisierbarkeit)

  • Äusserst kostenintensiv im Vollzug (wahrscheinlich teuerstes aller Szenarien)
  • Ein dauerhafter Erfolg des Entzugs wird durch Zwang in Frage gestellt
  • Verschärfte ¬ Effizienzverluste durch einen aggressiven Schwarzmarkt
  • Effizienz, Nutzen und Wirksamkeit der drogenpolitischen Massnahmen muss aus ökonomischer Sicht in Frage gestellt werden
  • Je grösser die Zahl der Verzeigungen (Strafanzeigen) und je höher der Heroinpreis desto grösser wird die Nachfrage nach abstinenzorientierten Therapieprogrammen (Bernasconi 1993)
  • Der Heroinpreis wird bestimmt durch die Illegalität des Drogenmarktes, durch Informationslücken hinsichtlich Produktqualität und -quantität und durch das Angebot an Substitutions- und Abstinenzprogrammen (Bernasconi 1993)
  • tendenziell stark zunehmende Kostenintensität

 

 

 

A3-2.4   Szenario 4: Auf eine suchtmittelfreie Gesellschaft ausgerichtete Drogenpolitik

steigende Kosten durch:

  • Massive Prävention (ursachen- und substanzorientiert; abstinenzorientierte Grundhaltung vermittelnd)
  • Drogenabstinenzprogramme
  • Soziale Wiedereingliederungsmassnahmen
  • Anstrengungen auch privater Organisationen zur Durchsetzung dieser Drogenpolitik (evtl. Einbezug von Verwandten, Bekannten)
  • Bereitstellungskosten von und laufende Kosten in neuen Therapieplätzen bzw. Therapiegefängnissen für Drogenabhängige
  • Polizeiliche Massnahmen (Gesetzesanwendung, Kontrollen und Überwachung)
  • Koordination auf Bundesebene zwischen Sozial- und Drogenpolitik und den verschiedenen Bereichen der Drogenpolitik selber (soziale Fürsorgepflicht des Staates)


gleichbleibende Kostenintensität durch:

  • Bereitstellung von Ersatzstoffen
  • kriminalistische Kosten (Beschaffungskriminalität hält an)


sinkende Kosten durch:

  • ausgebaute medizinische Soforthilfe


Effizienzgewinne und Nutzen bei Umsetzung des Szenarios durch:

  • Annähernd suchtfreie Gesellschaft
  • national koordinierte und einheitlich vollzogene Drogenpolitik


allgemeine ökonomische Beurteilung (auch bezüglich Realisierbarkeit)

  • Trotz konsequenter »Lösung« der Drogenproblematik nicht zu unterschätzendes Kostenpotential für Staat und Private (steht Szenarien 2 und 3 kostenmässig in wenigen Punkten nach)
  • Etwa gleichbleibende ¬ Effizienzverluste durch den Schwarzmarkt
  • Besteuerung der reglementierten Substanzen erleichtert die Finanzierung
  • tendentiell leicht ansteigende Kostenintensität

 

 

 

A3-2.5   Szenario 5: Auf Risikoverminderung und Schadenminimierung ausgerichtete Drogenpolitik

steigende Kosten durch:

  • intensivierte Präventionsmassnahmen (substanz- und zielgruppenspezifisch)
  • wissenschaftliche Überprüfung der verschiedenartigsten Therapiearten (falls nicht ständige wissenschaftliche Begleitung und Überprüfung vorgesehen ist, sollte diese Kostenart einmaligen Charakter aufweisen)
  • Ausbau des Betreuungs- und Therapieangebotes
  • fürsorgerische Freiheitsentziehung im Bereich Überlebenshilfe
  • Koordinationstätigkeit zwischen staatlichen und privaten Institutionen


gleichbleibende Kostenintensität bei:

  • medizinischer Notfallhilfe und pflegerischen Massnahmen
  • Repressionsmassnahmen gegen den organisierten Handel mit illegalen Drogen


sinkende Kosten durch:

  • abnehmende Repressionskosten bezüglich des Konsums illegaler Drogen
  • abnehmende ¬ Mortalitätskosten und ¬ Morbiditätskosten


Effizienzgewinne und Nutzen bei Umsetzung des Szenarios durch:

  • Schwächung des Schwarzmarktes (Folge der liberal-flexibel gehandhabten Politik)
  • national koordinierte und einheitlich vollzogene Drogenpolitik


allgemeine ökonomische Beurteilung (auch bezüglich Realisierbarkeit)

  • Diese Drogenpolitik, welche unterschiedliche Problemfelder gezielt und differenziert angeht, hat hohe Bereitschafts- und Investitionskosten der Politik an sich zur Folge. Sie wirkt allerdings unter Umständen längerfristig kostensenkend, wenn die Politik wirksam und konsequent umgesetzt werden kann
  • ausgebaute Bundessubventionen an private Hilfsorganisationen benötigen grössere Finanzressourcen als heute
  • tendenziell ansteigende Kostenintensität

 

 

 

A3-2.6   Szenario 6: Drogenlegalisierung und staatlich reglementierte Abgabe

steigende Kosten durch:

  • erschwerte Prävention (schwer abschätzbare Wechselwirkungen zwischen Konsum und Legalisierung)
  • Ausbau der Therapieplätze (schwer abschätzbare Nachfrageentwicklung)
  • Ausbau des Betreuungsangebotes
  • Administrations- und Koordinationsaufgaben durch den Staat


sinkende Kosten durch:

  • Angebot an Überlebenshilfe kann stark reduziert werden
  • abnehmende Repressionskosten (Strafverfolgung und Gesetzesanwendung)
  • ¬ Mortalitätskosten und ¬ Morbiditätskosten


Effizienzgewinne und Nutzen bei Umsetzung des Szenarios durch:

  • national koordinierte und einheitlich vollzogene Drogenpolitik


allgemeine ökonomische Beurteilung (auch bezüglich Realisierbarkeit)

  • Erhebung einer Konsumsteuer auf staatlich vertriebenen Drogen zur (Teil-)Finanzierung der staatlichen Aufgabenlast
  • Effizienzgewinne durch einen zusammenbrechenden Schwarzmarkt
  • Gesamtkosten tendenziell sinkend

 

 

 

A3-2.7   Szenario 7: Deregulierung des Drogenhandels und -konsums

steigende Kosten durch:

  • Präventionskosten, die von Privaten übernommen werden
  • Durchsetzung und Überwachung von Produktequalitätsstandards


gleichbleibende Kostenintensität durch:

  • konsequenten Jugendschutz


sinkende Kosten durch:

  • staatliche Präventionsaufwendungen fallen weg
  • Therapie- und Betreuungskosten fallen weg (das entsprechende Angebot wird gewinnorientiert durch Private bereitgestellt)
  • weitgehender Wegfall der Repression (Strafverfolgung und Gesetzesanwendung)
  • Überlebenshilfe beschränkt sich auf die übliche medizinische Hilfe bei Notfällen
  • ¬ Mortalitätskosten und ¬ Morbiditätskosten


Effizienzgewinne und Nutzen bei Umsetzung des Szenarios durch:

  • höchstmöglicher Effizienzgewinn durch Abbau staatlicher Institutionen und durch einen freien Zugang zum Drogenmarkt (angebots- und nachfrageseitig)
  • »saubere Drogen« dank staatlicher Überwachung und Qualitätskontrollen
  • Wegfall der ¬ asymmetrischen Information im Drogenmarkt
  • repressionsbedingte ¬ externe Kosten können eingespart werden


allgemeine ökonomische Beurteilung (auch bezüglich Realisierbarkeit)

  • höchstmöglicher ökonomischer Effizienzgewinn durch die Legalisierung des Drogenmarktes und durch den gänzlichen Wegfall des Schwarzmarktes
  • Allfällige Mehrbelastungen insbesondere im Gesundheitssektor müssen von den Drogenkonsumierenden via Zusatzversicherung selber gedeckt werden (Verursacherprinzip)
  • Kosten von gesundheitsgeschädigten, nicht versicherten Drogenkonsumentinnen und -konsumenten müssen vom Staat übernommen werden
  • externe Kosten, die durch Repression verursacht werden, fallen gänzlich weg
  • billigstes und ökonomisch effizientestes aller Szenarien

 

 

 

A3-2.8   Szenario 8: Weiterführen des Status quo

Einleitende Bemerkungen
Die ersten sieben Szenarien sind aus ökonomischer Betrachtung vom heutigen Standpunkt aus beurteilt worden. Dieses Szenario wird im Vergleich zu den ökonomisch effizientesten Drogenpolitiken eingeschätzt, die Pommerehne und Hart vorgeschlagen haben.



steigende Kosten durch:

  • Gesetzesanwendung
  • Externalitäten
  • ¬ Morbiditätskosten und ¬ Mortalitätskosten


gleichbleibende Kostenintensität bei:

  • medizinischen Kosten


sinkende Kosten:

  • keine


allgemeine ökonomische Beurteilung

  • Nach Meinung von Prof. A. Hart muss davon ausgegangen werden, dass die heute praktizierte Drogenrepression ökonomisch ineffizient ist und sich aus ökonomischer Sicht kaum rechtfertigen lässt. Als ökonomisch sinnvollste Varianten stehen die kontrollierte Drogenabgabe bzw. die Legalisierung des Drogenmarktes mit Auflagen im Vordergrund. Beide Modelle führen zu einer ökonomisch effizienten Lösung des Drogenproblems.

 


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