Drogenpolitische Szenarien
Subkommission Drogenfragen der Eidgenössischen Betäubungsmittelkommission
Beschreibung bestehender drogenpolitischer Modelle
und möglicher Szenarien
2.1 Einführung
Wenn Szenarien für Varianten einer zukünftigen Drogenpolitik erstellt werden, ist
es einerseits wichtig, verschiedene Optionen unabhängig von der Frage der Realisierbarkeit unter den aktuellen
Umständen durchzudenken. Weder eine konsequente Repressionspolitik noch die vollständige Deregulierung
des Drogenmarktes dürfen bei diesem Denkprozess von vornherein ausgeschlossen werden. Auf der anderen Seite
erscheint es aber ebenso wichtig, die Bandbreite zu kennen, innerhalb der sich bestehende Modelle der Drogenpolitik
bewegen. Damit kann bei der später vorzunehmenden Bewertung der Szenarien unterschieden werden, wo sich
die Beurteilungen bestimmter Elemente oder ganzer Szenarien noch auf vorhandene Erfahrungen stützen und
wo die Grenze zur reinen Mutmassung überschritten wird.
Über drogenpolitische Modelle und Erfahrungen und Erfahrungen anderer Länder wird
zwar viel geschrieben und diskutiert, es fehlt aber eine Übersicht, die vergleichende Beurteilungen möglich
macht. Aus diesem Grund wurde vor der Erarbeitung von Szenarien eine Studie in Auftrag gegeben, um verschiedene
Möglichkeiten, wie andernorts mit dem Drogenproblem umgegangen wird, kennenzulernen. Da Drogenpolitik innerhalb
gegebener gesellschaftlicher Rahmenbedingungen formuliert werden muss, beschränkte sich dieser Auftrag auf
eine Auswahl westeuropäischer Modelle. Drogenpolitische Ansätze, die mit Methoden arbeiten, die im
Rahmen des westlichen Demokratieverständnisses nicht akzeptabel sind, wurden nicht näher geprüft
(allerdings erscheint der Vollständigkeit halber ein solcher Lösungsansatz später unter den Szenarien).
Im Rahmen des vorliegenden Berichtes werden nur die wichtigsten Schlussfolgerungen dieser Studie dargestellt, die
eigentliche Analyse der verschiedenen Modelle findet sich in der bereits erwähnten eigenen Publikation.
Bei der Lektüre der nachfolgenden Kapitel ist zu beachten, dass unter 2.2 drogenpolitische
Modelle beschrieben werden, die sich auf die Erfahrungen und Schlussfolgerungen der erwähnten Studie
abstützen und dass unter 3 in freierer Form Szenarien formuliert werden, die das ganze Spektrum möglicher
Formen der Drogenpolitik abdecken.
2.2 Bestehende drogenpolitische Modelle in Europa
2.2.1 Die Fallstudie in sechs westeuropäischen Städten und Regionen
Als Grundlage für die Studie diente eine vergleichende Untersuchung konkreter drogenpolitischer
Ansätze in einigen europäischen Städten und Regionen. Dazu wurden folgende Orte ausgewählt:
Göteborg (Schweden), Frankfurt am Main (Deutschland), Lyon (Frankreich), Modena (Italien), Rotterdam (Holland)
und der Kanton Wallis (Schweiz). Die Untersuchung erfolgte im Frühjahr 1994 mittels Interviews mit Entscheidungsträgern
und Fachpersonen vor Ort sowie einer Analyse lokaler Dokumente zur Drogenpolitik (offizielle Publikationen,
Jahresberichte, Zeitungsberichte). Alle untersuchten Städte und Regionen liegen im westeuropäischen
Kulturkreis und sind auf einem ähnlichen ökonomischen Stand. Damit ist es möglich, Vergleiche
anzustellen, ohne dass vorab grössere kulturelle und ökonomische Unterschiede berücksichtigt
werden müssen. Bei der Auswahl war zudem von Bedeutung, dass in allen sechs Fällen bereits seit mehreren
Jahren eine kohärente Drogenpolitik betrieben wird. Auch ist die Drogenpolitik an jedem Ort in einem hohen
Masse differenziert. Jeder der untersuchten Fälle gilt in den nationalen (und zum Teil auch in internationalen)
wissenschaftlichen wie politischen Diskussionen als beispielhaft: Göteborg repräsentiert dabei das
»Modell Schweden«, Frankfurt eines der meistdiskutierten Modelle Deutschlands, die Politik
Lyons wird als eine der erfolgreichsten Frankreichs bezeichnet. Modena verfügt im Gesundheitsbereich über
einen für Italien vergleichsweise grossen Spielraum für Experimente, Rotterdam gilt als ein Beispiel
des »holländischen Modells«, und der Kanton Wallis schliesslich ist das Beispiel eines
Kantons, der seit Jahren eine kohärente Drogenpolitik betreibt und der sich selber als Modellversuch bezeichnet.
Neben der detaillierten Beschreibung der einzelnen Modelle, auf die im vorliegenden Bericht
nicht eingegangen wird, wurden in einer Analyse der Gemeinsamkeiten und Unterschiede diejenigen Charakteristiken
herausgearbeitet, welche die jeweiligen Modelle idealtypisch kennzeichnen. Auf diese Weise konnten die sechs
untersuchten drogenpolitischen Varianten auf drei verschiedene Grundmodelle einer Drogenpolitik zusammengefasst
werden. Diese bestehen zwar in der nachfolgend beschriebenen Form nirgends in Wirklichkeit, sie beinhalten aber
viele Elemente tatsächlich angewandter Drogenpolitik. Die Darstellung dieser für eine jeweilige drogenpolitische
Haltung typischen Grundmodelle erlaubt einerseits eine Einordnung verschiedener in der Schweiz zum Teil kontrovers
diskutierter Ansichten und drogenpolitischer Vorschläge; andererseits dienen sie als Ausgangsbasis für
die unter 3 dargestellte Entwicklung drogenpolitischer Szenarien.
2.2.2 Die drogenpolitischen Grundmodelle
Die drei Grundmodelle, die sich als Synthese aus der unter 2.2.1 beschriebenen Studie ergeben,
können vereinfacht wie folgt bezeichnet werden:
Jedes Modell entspricht dabei einer Kombination verschiedener Elemente, die in der öffentlichen
Debatte oft voneinander getrennt erscheinen, sich zum Teil auch widersprechen können und manchmal auch
nur einen bestimmten Bereich betreffen, wie beispielsweise die Prävention, die medizinische Betreuung,
die Repression, die Wiedereingliederung, die Organisationsform, usw. Es ist nochmals festzuhalten, dass die
nachfolgend entwickelten Modelle in Wirklichkeit in dieser Form nicht existieren. Ihre Darstellung ist aber
dennoch wichtig, weil sie den ideologischen Hintergrund bestehender Modelle bilden oder als Leitbilder für
die Ausarbeitung einer neuen Politik dienen können.
2.2.2.1 Das therapeutische Modell
In diesem Modell erscheint Drogenabhängigkeit in erster Linie als Krankheit. Drogenabhängige
sind Kranke, die vom Staat im Rahmen seines Auftrages zur Wahrung der Volksgesundheit geheilt werden müssen.
Die drogenpolitischen Prioritäten werden durch das öffentliche Gesundheitswesen sowie durch Justiz-
und Polizei gesetzt. Die öffentlichen Einrichtungen halten sich dabei meistens sehr eng an den vorgegebenen
gesetzlichen Rahmen und werden kaum darüber hinaus aktiv, die privaten Einrichtungen gleichen sich dieser
Situation an. Durch die weitgehende Medizinalisierung des Drogenproblems wird aber Drogenabhängigkeit
nur symptomatisch behandelt, und tieferliegende Ursachen eines Suchtverhaltens werden bei der Behandlung nicht
berücksichtigt. Auf der Ebene der Massnahmen zeigt sich dies in einer vorwiegend auf Entzug ausgerichteten
medizinischen Betreuung, verbunden mit einer geringeren Gewichtung der Prävention und der Wiedereingliederung.
Das therapeutische Modell will die Drogenabhängigen von ihrer Krankheit heilen und setzt
deshalb auf eine gut ausgebaute medizinische Betreuung. Eine Behandlung wird in der Regel nur dann durchgeführt,
wenn die drogenabhängige Person dies wirklich will. Es steht ihr also frei, eine Therapie aufzunehmen
oder eine bereits begonnene wieder abzubrechen. Während der Therapie wird die Patientin oder der Patient
gegen jeden äusseren Einfluss abgeschirmt, der sich auf ihren resp. seinen Heilungsprozess störend
auswirken könnte. Der therapeutische Bereich ist einer einzigen Organisation unterstellt, welche die Art
der Angebote festlegt und deren Abstimmung in Therapieketten soweit wie möglich fördert. Das therapeutische
Modell zeichnet sich also durch die hohe Qualität der angebotenen Behandlungen aus.
2.2.2.2 Das Modell der sozialen Kontrolle
Dieses Modell geht vom Ziel einer drogenfreien Gesellschaft aus und stellt den Abstinenzgedanken
in den Vordergrund der Drogenpolitik. Das Drogenproblem erscheint als grundsätzlich beherrschbar. Die
kontinuierliche Präsenz der Idee einer Gesellschaft ohne Drogen, eine ausgeprägte soziale Kontrolle
sowie eine Repression auch gegen den Konsum gehören zu den charakteristischen Merkmalen. Das Modell zeichnet
sich durch einen hohen Grad an Integration aus: nicht nur der Einzelne soll in die Gesellschaft integriert
werden, sondern auch die Drogenpolitik in eine umfassende Sozialpolitik. Zu den wichtigsten Tätigkeitsbereichen
gehören gleichermassen die Prävention, der Betreuungsbereich und die Kontrolle/Repression. Enge Koordination
und Zusammenarbeit sind gewährleistet. Im Modell der sozialen Kontrolle gelingt es, gesellschaftliche
Kräfte in die staatliche Drogenpolitik einzubeziehen.
Auf diese Weise kann ein Teil des Drogenproblems der Selbstregulierung durch die Gesellschaft überlassen
werden. Dieses Engagement seitens der Gesellschaft wird durch eine intensive Zusammenarbeit aller betroffenen Instanzen
verstärkt. Das Netzwerk ist dementsprechend stark integriert. Die Zusammenarbeit bringt es mit sich, dass teilweise
bereichsübergreifend gearbeitet wird (zum Beispiel Einsatz der Polizei in der schulischen Drogenprävention). Der
Prävention kommt eine besondere Priorität zu. Eine Dezentralisierung dieses Bereichs führt dazu, dass die
Prävention Gebiete oder Personen erreichen kann, die ganz am Rand der Gesellschaft stehen. Alle Massnahmen sind auf dem
Hintergrund des für dieses Modell gültigen drogenpolitischen Grundsatzes zu verstehen: Es geht um die Verbesserung der
Volksgesundheit und um das Verstärken des innergesellschaftlichen Zusammenhalts. Das Modell kann als kohärent bezeichnet
werden, da alle Aktivitäten in dieselbe Richtung zielen und sich dadurch gegenseitig verstärken.
2.2.2.3 Das Modell der Schadenminimierung
In diesem Modell wird die Tatsache, dass ein Teil der Bevölkerung Drogen konsumiert,
als Realität zur Kenntnis genommen. Drogenabstinenz wird angestrebt, stellt aber nicht das einzige Ziel
dar. Drogenabhängigkeit wird als vorübergehende Phase im Leben eines Menschen begriffen. Schadenminimierung
soll dazu beitragen, dass diese Phase mit möglichst geringen oder ohne Schäden (Infektionen, soziale
Desintegration, etc.) überstanden wird. Der Prävention kommt ein hoher Stellenwert zu. Den Drogenabhängigen
steht ein breites Spektrum an Beratungs-, Betreuungs- und Therapieangeboten zur Verfügung. Eine effiziente
Schadenminimierung beinhaltet dabei den Einbezug sowohl des öffentlichen wie auch des privaten Bereichs.
Einer gut funktionierenden Koordination mit institutionalisierten Kontakten unter allen beteiligten Instanzen
kommt infolge des stark diversifizierten Angebotes eine besondere Bedeutung zu. Die Anpassung des Modells an
die wechselnden Bedingungen des gesellschaftlichen Umfeldes erfolgt durch einen ständigen Prozess des
Experimentierens, der Evaluation und der Modifikation.
Das Modell der Schadenminimierung ist durch seine besonders flexible organisatorische Struktur
gekennzeichnet. Es bewährt sich besonders dann, wenn in der Gesellschaft eine Vielzahl verschiedener drogenpolitischer
Ziele vorhanden ist und damit auch unterschiedliche Interessen und Absichten vertreten werden. Da die Drogenpolitik
nicht auf ein einziges und ausschliessliches Ziel ausgerichtet ist, können in diesem Modell auf den ersten
Blick gegensätzliche Vorstellungen meistens in pragmatischer Weise berücksichtigt und integriert
werden. Das Modell kann als offen bezeichnet werden, es respektiert die persönlichen Grundrechte der
drogenabhängigen Personen und verlässt sich in vielen Bereichen auf die Möglichkeiten einer
innergesellschaftlichen Selbstregulierung von Problemen.
2.2.3 Schlussfolgerungen
Die nachfolgenden Überlegungen beziehen sich darauf, wie weit die beschriebenen Grundmodelle
den inhaltlichen und organisatorischen Aspekten einer Drogenpolitik gerecht werden können. Die Beschreibung der
Modelle kann keine Antwort darauf geben, ob eine bestimmte Politik im Vergleich zu einer anderen einen günstigeren
Einfluss auf das Ausmass des Drogenproblems hat. An dieser Stelle geht es lediglich darum, das Spektrum der
Optionen für eine Drogenpolitik in der Schweiz, die sich an bestehenden Erfahrungen orientieren will, darzustellen
und zu bewerten. Überlegungen zur mutmasslichen Wirksamkeit verschiedener Vorgehensweisen in der Drogenpolitik
werden in Kapitel 4 angestellt.
Das wichtigste gemeinsame Merkmal der untersuchten Modelle ist – trotz allen zum Teil markanten
Unterschieden – das Vorhandensein pragmatischer Handlungsansätze. Damit unterscheidet sich die Praxis
der Drogenpolitik in allen Modellen klar von einem Teil der aktuellen Debatten in der schweizerischen Öffentlichkeit,
die sich noch vielfach auf die Kontroverse zwischen Repression und Liberalisierung beschränkt. Im Unterschied
zu diesen theoretischen Auseinandersetzungen verbindet die praktische Drogenpolitik in allen Modellen sowohl »repressive«
wie auch »liberale« Elemente zusätzlich mit anderen zu einem komplexen System verschiedener
Massnahmen. Wegen dieser Komplexität wirkt Drogenpolitik aber oft unübersichtlich. Aus diesem Grund
wurde versucht, die wichtigsten Leitlinien der beschriebenen drei Grundmodelle tabellarisch zusammenzustellen (Tabelle 1).
In allen Modellen wird eine komplexe Vielfalt verschiedener Massnahmen getroffen. Dementsprechend
wird auch in keinem Fall ausschliesslich eine Politik der Liberalisierung betrieben. Eine völlige Liberalisierung
des Konsums und Verkaufs von illegalen Drogen scheint zurzeit nur in der Theorie zu bestehen. Allerdings lassen
sich in einigen der untersuchten Modelle Teilelemente finden, welche Ideen einer zumindest kontrollierten Legalisierung
widerspiegeln. Dazu gehören alle Massnahmen, die zur kurzfristigen Verbesserung der Lebenssituation Abhängiger
angeboten werden wie etwa öffentlich betriebene Fixerräume, kontrollierte Abgabe von Betäubungsmitteln
oder die Bereitstellung von Spritzenautomaten mit dem Ziel der Infektionsprophylaxe.
Auf der anderen Seite wird auch in keinem Fall eine ausschliesslich repressive Politik betrieben.
Für den undifferenzierten »Krieg gegen die Drogen« fanden sich in den untersuchten
Modellen keine Anhaltspunkte. Repression wird überall nur als Ergänzung zu anderen Massnahmen als
sinnvoll betrachtet. Mit anderen Worten: Weder eine totale Liberalisierung noch eine absolute Repression bilden
in den untersuchten Modellen die Grundlage der konkreten Drogenpolitik. In der Praxis finden sich überall
– in unterschiedlicher Ausprägung – pragmatische Ansätze, die in den beschriebenen drei Grundmodellen
zum Ausdruck kommen.
Einzeln betrachtet sind die drei Grundmodelle in sich geschlossen. Es ist nun aber zu prüfen,
ob bewährte Elemente aus einzelnen Modellen nicht zu einem neuen Modell zusammengefügt werden könnten,
oder ob nicht zumindest einige solcher Elemente in eines der bereits bestehenden Modelle integriert werden könnten.
Im Falle des Modells der Kontrolle scheint dies nur begrenzt möglich zu sein. Zwar verfügt
das Modell über eine Reihe verschiedener Möglichkeiten, sich an neue Gegebenheiten anzupassen. Diese
müssen aber in völliger Übereinstimmung zur Leitidee der Abstinenz stehen. Neue Massnahmen
müssen daher immer an diesem Massstab gemessen werden, womit verschiedene Initiativen ganz klar auf Grenzen
stossen würden. Zielsetzungen, die auf den ersten Blick als widersprüchlich erscheinen, können
in diesem Modell kaum miteinander verbunden werden (indem beispielsweise eine Hierarchisierung in unterschiedliche
Teilziele vorgenommen wird). Jede Änderung muss hier vom Staat ausgehen, der beim Treffen widersprüchlicher
oder scheinbar widersprüchlicher Massnahmen zwangsläufig auf interne Widerstände stossen wird.
Dieses Modell gelangt (nicht zuletzt auch aufgrund seiner zentralistischen Struktur) an seine Grenzen, sobald
das Drogenproblem sich verändert oder zu komplex wird und eine einheitliche Politik nicht mehr ausreicht,
um auf neue Gegebenheiten zu reagieren.
Ähnliches ist zum therapeutischen Modell zu bemerken. Ein Vorteil dieses Modells besteht
darin, dass eine Normalisierung des Umgangs mit Drogenabhängigkeit als Krankheit angestrebt wird. Da sich
das Modell aber vorwiegend auf die Bekämpfung von Symptomen konzentriert, kommen andere Bereiche zu kurz.
Was auf der einen Seite an Kohärenz innerhalb des engagiert auftretenden und gut strukturierten Therapiebereichs
gewonnen wird, geht auf der anderen Seite durch das Fehlen einer globalen Problembetrachtung und der ungenügenden
Differenzierung des Angebots im niederschwelligen Bereich verloren. Dadurch werden Aktivitäten wie Prävention
über den unmittelbaren Bereich der illegalen Drogen hinaus, aber auch Aspekte des Drogenproblems, die
jenseits direkter medizinischer Auswirkungen von Drogenmissbrauch liegen, vernachlässigt. Das Modell ist
in erster Linie reaktiv und staatszentriert, was auch die innergesellschaftliche Selbstregulierung erschwert.
Unter den drei beschriebenen Grundmodellen ist einzig das Modell der Schadenminimierung in der
Lage, die Vorteile der anderen Modelle in die eigene Politik zu integrieren. Nur in diesem Modell können
verschiedene und zum Teil widersprüchliche Aktivitäten nebeneinander bestehen. Dies wird dadurch
möglich, dass dieses Grundmodell nicht nur eine einzige Zielsetzung kennt, sondern eine Reihe verschiedener
Ziele anstrebt, die untereinander durch eine flexible Rangordnung hierarchisiert werden. Die Stärke dieses
Modells besteht genau darin, verschiedene wichtige Massnahmen und Programme nebeneinander bestehen lassen zu
können, die durch einen laufend stattfindenden Koordinationsprozess soweit wie möglich aufeinander
abgestimmt werden. Auf dieser Grundlage ist es auch möglich, relativ schnell auf Neuerungen zu reagieren
und neue Massnahmen zu testen und zu evaluieren.
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