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Schweizer Rechtsgutachten (BAG)

Juristisches Gutachten für das Bundesamt für Gesundheit zu Rechtsfragen eines Ecstasy-Monitorings von Dr. Hansjörg Seiler im Auftrag des Bundesamts für Gesundheit (BAG)


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  1. Folgerungen und Beantwortung der Fragen:

     

Art. 3a, 15a und 15c BetmG sind eine gesetzliche Grundlage dafür, daß Bund oder Kantone Ecstasy-Tabletten beschaffen und untersuchen und über die Risiken von Ecstasy sowie über risikomindernde Maßnahmen orientieren. Sie können damit auch private Organisationen beauftragen oder solche Organisationen unterstützen. Private können auch von sich aus solche Maßnahmen durchführen.

Dabei sind immer folgende Voraussetzungen und Rahmenbedingungen zu beachten:

Die Institutionen, welche Ecstasy-Tabletten untersuchen wollen, müssen im Besitz einer Bewilligung sein; meines Erachtens reicht dazu eine kantonale Bewilligung nach Art. 14 Abs. 2 bzw. 14a BetmG. Der Erwerb von Ecstasy-Tabletten vor Ort (z.B. anläßlich von Techno-Parties) ist zulässig, wenn das BAG ihn bewilligt hat. Meines Erachtens kann das BAG auch den käuflichen Erwerb bewilligen. Unter Umständen könnte auch die nicht ausdrücklich bewilligte Beschaffung straflos sein, sofern die erworbenen Tabletten in einem zugelassenen Labor der wissenschaftlichen Forschung zugeführt werden.

Die Durchführung eines Schnelltests vor Ort ist nicht mit einem Besitzerwerb verbunden und somit ohne Bewilligung zulässig.

Bund, Kantone und Private können über Risiken von Ecstasy-Konsum sowie über risikomindernde Einahmeformen unter folgenden Voraussetzungen informieren:

Die bloße wahrheitsgetreue, neutrale Information über Risiken oder über die Zusammensetzung (Menge und Art von Wirkstoffen) und Wirkungsweisen der verschiedenen Produkte ist unproblematisch. Bei der Information über risikoreduzierende Einnahmearten oder unterschiedliche Gefährdungspotentiale verschiedener Produkte könnte eine strafbare Anstiftung zum Betäubungsmittelkonsum oder Gehilfenschaft zum Handel vorliegen, wenn die Information dazu führt, daß vorher zögernde Personen sich endgültig zum Konsum entschließen, und dieses Ergebnis beabsichtigt oder billigend in Kauf genommen wird.

Um das zu vermeiden, muß die Information abstinenzorientiert sein. Sie darf nicht darauf hinauslaufen, den Konsum von Ecstasy unter bestimmten Voraussetzungen als straflos oder unbedenklich zu bezeichnen.

Auch soweit im Lichte dieser Grundsätze Informationen problematisch sein könnten, sind sie insofern gerechtfertigt, da sie unmittelbare Gesundheitsgefahren begrenzen und damit dazu beitragen, das Risiko gesamthaft zu reduzieren.

Eine haftungs- oder strafrechtliche Verantwortung der am Monitoring beteiligten Stellen könnte sich ergeben,

  • wenn leichtfertig oder wider besseres Wissen Informationen über das Gefährdungspotential von Ecstasy verschwiegen oder fehlerhaft oder unvollständig dargestellt wurden und diese Information dazu führte, daß jemand Ecstasy konsumierte und dadurch zu Schaden kam

  • sofern die das Monitoring durchführenden Personen physischen Zugriff zu Ecstasy haben und dieses dem Besitzer nicht wegnehmen, obwohl sie damit rechnen müssen, daß dieser eine hochgradig gefährliche Ecstasy-Tablette an Dritte abgeben oder im Zustand der Urteilsunfähigkeit selber konsumieren wird.

Im übrigen ist eine vermögens- oder strafrechtliche Verantwortlichkeit der am Monitoring beteiligten Personen nicht gegeben, wenn die Informationen nach bestem Wissen und Gewissen abgegeben werden und auf die Risiken sowie auf die Unsicherheit der Risikobeurteilung aufmerksam gemacht wird. Es muß dem Empfänger der Information klar werden, daß er mit dem Konsum von Ecstasy ein Risiko eingeht, das zudem nicht genau beurteilt werden kann.

Der Bund (Bundesamt für Gesundheit) kann die Planung und Koordination eines gesamtschweizerischen Monitorings im genannten Sinne (Einsammlung und Untersuchung von Ecstasy, Abgabe von Informationen) übernehmen. Er kann dabei auch die Kantone mit Dienstleistungen unterstützen. Er kann jedoch nicht widerstrebende Kantone zu einer Mitwirkung zwingen.

Der Bund kann private Organisationen unterstützen, ein Monitoring im genannten Sinne durchzuführen. Um Zweideutigkeiten auszuschließen, dürfte es sich empfehlen, dafür amtlich genehmigte Richtlinien herauszugeben, die für die am Monitoring Beteiligten verbindlich sind. In diesen Richtlinien wäre anzugeben, wie die abgegebenen Informationen zu lauten haben und wie sich die Beteiligten gegenüber potentiellen Konsumenten und mutmaßlichen Händlern zu verhalten haben.

 

Münsingen, 21. Februar 1997 Hansjörg Seiler


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