Fuckparade 2005

Redaktion Webteam www.eve-rave.net Berlin
Pressemitteilung vom 3. August 2005 zur Fuckparade 2005

Am Samstag, 6. August 2005, wird die Fuckparade 2005 um 15:00 Uhr am ehemaligen Tresor am Leipziger Platz Ecke Leipziger Straße (U-Bahn Potzdamer Platz) starten. Die Abschlußkundgebung wird ein paar Stunden später am Ostbahnhof stattfinden. Die Fuckparade ist eine politische Demonstration zur Bekundung des Rechtes auf Nutzung des öffentlichen Raumes für kulturelle Zwecke und des Rechtes auf ein selbstbestimmtes Leben. Die Veranstalter und wir als Teilnehmer der Fuckparade treten für einen Stop der Ausgrenzung und Kriminalisierung kultureller Minderheiten ein. Des weiteren treten sie, wie wir auch, vehement gegen kommerzielle Gier, kulturelle Ausbeutung und amtliche Regelungswut ein. Dies wird in einem guten Dutzend Redebeiträtge bekundet werden. Auf etwa zehn Wagen mit Soundsystemen werden Musiker und DJs auf dem Weg von der Stadtmitte zum Ostbahnhof zum Tanz animieren: Tanz als elementarer Ausdruck einer lebendigen Kultur. Tanz als politisches Ausdrucksmittel und zur kommunikativen Entfaltung mit dem Ziel, auf die öffentliche Meinungsbildung zur Freiheit und wider die Tyrannei einzuwirken.

 

Druckerfreundliche Version (PDF-Format, 143 KB, 6 Seiten):
http://www.eve-rave.net/abfahrer/presse/presse05-08-03.pdf



Kultur, verstanden als Lebensweise, ist vielleicht die glaubwürdigste Politik.

Richard von Weizsäcker


Die Fuckparade ist nötiger denn je:

Berlin, 26. Juni 2005: Gewaltsame Räumung der Kastanienalle 77

13 Jahre nach ihrer Besetzung ist die Kastanienallee 77 in Prenzlauer Berg geräumt worden. In der Nacht zu Sonntag stürmten zwei Hundertschaften der Polizei die drei Höfe der K77. Dort hatten rund 500 Besucher den 13. Jahrestag der Besetzung gefeiert er ist zugleich der elfte Jahrestag der Legalisierung des Hausprojekts. Bei der rabiaten Räumung des Festes nahm die Polizei zwei Personen wegen angeblichen Widerstands vorübergehend fest und zerstörte eine Tür.

Seit dem Nachmittag hatten Bewohner und Freunde des Hauses friedlich gefeiert. Im Laufe des Abends waren zweimal Streifenbeamte aufgetaucht, weil Nachbarn sich über die Lautstärke der Livemusik beschwert hatten. Ein Beamter habe da noch verständnisvoll erklärt, bei diesen Anwohner handele es sich offenbar um Leute, die erst in die aufregende Großstadt gezogen seien, und sich nun über das lebendige Leben hier beschweren würden, erzählt eine Feiernde. Dennoch wurde die Musiklautstärke auf dem Fest beide Male deutlich reduziert. Ähnliche Feste in den Vorjahren konnten so stets friedlich beendet werden.Diesmal jedoch stürmten gegen 1:30 Uhr am Sonntagmorgen Beamte in voller Kampfmontur die Bühne im dritten Hof. Das monierte Rockkonzert war zu diesem Zeitpunkt längst beendet. Es lief nur noch deutlich leisere Musik aus der Konserve. Dennoch rissen Polizisten einen Moderator rüde von der Bühne. Anschließend drängte eine Polizeikette ohne weitere Erklärung die Besucher von den Höfen. Die trotz des provokanten Auftretens der Beamten weitgehend friedlich Feiernden wurden immer wieder mit Schlägen und Würgegriffen traktiert.

Mehr dazu: http://www.taz.de/pt/2005/06/27/a0263.nf/text

Tschechien, 29. Juli 2005: CzechTek Technoparty endet mit massivem Polizeiangriff

Das diesjahrige Outdoor Technofestival Czechtek 2005 wurde am Wochenende mit massiver Polizeigewalt verhindert. Die Polizei ging mit Tränengas und Wasserwerfern gegen mehrere tausend friedlich feiernde Technoanhänger vor, obwohl der Landeigentümer einen Vertrag mit den Veranstaltern abgeschlossen hatte und seine Unterstützung für das Event und die Gültigkeit des Vertrages bekräftigte. Es gab über 100 Verletzte. Die Veranstalter riefen auf ihrer Internetseite zu einer Protestdemonstration gegen das Vorgehen der Polizei vor dem Innenministerium in Prag auf. Nach Schätzungen der Veranstalter kamen zu der Protestkundgebung am Nachmittag etwa 5.000 überwiegend junge Menschen zusammen. An der Protestkundgebung nahm auch der ehemalige Staatspräsident Václav Havel teil. Weitere größere Protestveranstaltungen sind für Mittwoch geplant.

Mehr dazu: http://de.indymedia.org/2005/07/124168.shtml
http://www.tschechien-online.org/modules.php?name=News&file=article&sid=975

Photodokumentationen des Übergriffs:
http://tuleni.com/html/Cztekk05/pages/P1150525.html
http://www.tschechien-online.org/modules.php?name=ppm&cat=Czech_Tek&gal=Polizeieinsatz_1

Technomassaker: Tausende protestieren in Prag gegen Polizeigewalt
http://www.tschechien-online.org/modules.php?name=News&file=article&sid=979



... gewiss, daß frei nur ist, wer seine Freiheit gebraucht ...

Passage aus der Präambel der
Schweizerischen Bundesverfassung
www.admin.ch/ch/d/sr/101/ani1.html


Start - Route - Abschlußkundgebung

Versammlungsort: Leipziger Platz, Berlin Mitte

Aufbau ab 14:00 Uhr, Kundgebungsbeginn 15:00 Uhr, Zugbeginn 16:00 Uhr, Eintreffen am Ort der Abschlußkundgebung gegen 20:00 Uhr, Ende gegen 22:00 Uhr.

Die diesjährige Fuckparade wird am Leipziger Platz mit der Startkundgebung beginnen, inmitten der „neuen“ Mitte mit seinen repräsentativ erscheinenden, aber leerstehenden Bürogebäuden, einem Musterbeispiel für die Widersinnigkeit des Subventionsbau- und Mietpreiswahns am Potsdamer Platz. Während sich rings um den Bunker die Mietpreise „nur“ vervierfacht haben, liegen die Forderungen beispielsweise für das ehemals von der Gewerkschaft Verdi gemieteten Gebäudes an den Parkkolonnaden bei 23.000 Euro – täglich! Gerade am Leipziger Platz hatte sich nach der Maueröffnung die damals richtungsweisende Berliner Technoszene mit den weltweit bekannten Clubs E-Werk, Tresor und WMF etabliert und entwickelt. Dieses Stück Berliner Kultur mußte einer senatsforcierten Stadtplanung weichen – ironischerweise präsentiert sich Berlin gerne weiterhin mit diesem subkulturellen Image, obwohl die politisch Verantwortlichen nicht unwesentlich an seiner Verdrängung beteiligt waren und auch heute noch sind.

Der Demonstrationszug zieht nach der Auftaktkundgebung gegen 16:00 Uhr die Leipziger Straße ostwärts vorbei an den eingeebneten Gebäuden des Tresors, die einem Büroneubau der Volkssolidarität weichen mußten. Mit dem Tresor wurde der letzte alteingesessene, zentrale Club in Berlin verdrängt. Nach dem Abriß Mitte April 2005 nannten ihn die Medien fast schon zynisch „Berliner Kulturgut“. Der Tresor ist ein Beispiel für einen Club, der aus der Illegalität entstanden ist und dann in der Legalität vertrieben wurde. Dort vereinten sich unterschiedlichste Musikstile, unzensiert und unkommentiert. Der Tresor engagierte sich aber auch sozial und unterstützte NGOs wie die „Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV)“ oder auch die Fuckparade.

An Bundesrat und Bundesministerium der Finanzen vorbei werden wir das alte E-Werk passieren, welches heute als hochgesicherter VIP-Club für elitäre Veranstaltungen dient. Bis 1997 funktionierte es, ähnlich wie das WMF eine Ecke weiter, als Schmelztiegel unterschiedlichster Szenen. Am Ende der Leipziger Straße befand sich das Exit, ein Club gelegen in einem historischen Gebäude, dem Ahornblatt, welches trotz Denkmalschutz einem Hochhaus weichen mußte. Es wird dann weitergehen in die Friedrichstraße. Hier dominieren leerstehende Bürogebäude und subventionierte Investitionsleichen prägen das städtische Bild, reichlich ausgestattet mit Überwachungskameras. Wenn das das Neue Berlin sein soll, ist es keine Vision einer Stadt, in der wir gerne leben.

Die ehemalige Grenze zwischen Ost- und Westberlin am Checkpoint Charlie wird passiert. Im Zuge der Grenzöffnung hat sich viel in der Veranstaltungs- und Clublandschaft Berlins getan. Die faszinierende Vielfalt der Kunst-, Kultur- und Musikinstitutionen, die zu jener Zeit eröffnet wurden, schuf das Bild des „Neuen Berlins“, das unzählige kreative Menschen in seinen Bann und in diese Stadt zog. Aufgrund der unterschiedlichsten alternativen Ideen entstand eine der einzigartigsten multikulturellen Kunstlandschaften der Welt. Diese Kultur ist akut bedroht.

Ostwärts wird es in die Kochstraße gehen, vorbei an prägenden Berliner Medien wie TAZ und Springer Verlag. Gerade die konservative Springerpresse bietet dem von uns kritisierten kommerziellen Mainstream eine mediale Plattform, gleichzeitig polarisiert sie in der gewohnten Doppelmoral gegen die Basis, die Subkultur. Der Leserschaft wird ein Horrorszenario einer vermeintlich nur auf Party fixierten Jugendkultur vorgesetzt, ein sehr realitätsfernes Bild, das dennoch die öffentliche Meinung prägt. Die Demonstration wird dem Verlauf der Kochstraße (via Oranienstraße) bis hin zur Adalbertstraße folgen. In der sich Oranien-/ Ecke Alte Jakobstraße befindlichen Bundesdruckerei werden demnächst Schilys biometrische Pässe hergestellt, einer weiteren Ausprägung von Überwachung und Sicherheitswahn, welche soziale und kommunikative Werte ersticken. Am Oranienplatz befindet sich das ehemalige Trash. Das bis auf einen Kaufladen im Erdgeschoß leerstehende Gebäude wurde nach der Räumung der Yorckstraße 59 kurzzeitig von den auf die Straße gesetzten Bewohnern besetzt und schnell wieder polizeilich geräumt. Die ehemaligen Bewohner der Yorckstraße 59 wurden durch die Nutzung leerstehenden Wohnraumes am Ende nicht nur obdachlos, sondern auch überflüssigerweise kriminalisiert.

Der Zug wird dann nordwärts in die Adalbertstraße einbiegen und die Waldemarstraße passieren, in der gemeinützige Wohnungsbaugesellschaften auf Druck des Senats Ihre Häuser erst kürzlich an Investoren verkaufen mußten, um eine gesellschaftliche Umstrukturierung des Straßenzuges zu forcieren. Auch das Georg von Rauch Haus am Bethaniendamm, in dem einst die Ton Steine Scherben residierten, werden wir auf unserer Tanzparade zu sehen bekommen. Georg von Rauch war Mitglied des „Zentralrats der umherschweifenden Haschrebellen“ und der „Bewegung 2. Juni“ und wurde in West-Berlin am 4. Dezember 1971 bei einer Fahndung nach Terroristen von der Polizei erschossen.

An der Köpenicker Straße wird die Demonstration nach Osten abbiegen, um dann nordwärts über die Schillingbrücke am alten Deli, jetzt Maria an der Schillingbrücke, vorbei zu ziehen um dann auf die Holzmarktstraße zu treffen. Das halb-legale Deli mußte im Zuge der Neugestaltung Friedrichshains dem legalen Club Maria weichen. Die vom Ostbahnhof verdrängte Maria zog an der Schillingbrücke und ist der einzige legale Club im Umkreis, welcher der Neugestaltung Friedrichshains bisher entgehen konnte. In dieser Gegend waren in den Neunzigern verschiedene Clubs zuhause, z.B. das Planet, der U-Club und die Praxis Dr. McCoy unter dem BSR-Betriebsgebäude, das Deli und das WTF auf der Holzmarktstraße, welche ebenfalls innovative musikalische und künstlerische Ausdrucksformen durch Club-Betrieb verbreiteten. Ebenfalls vertreten sind hier alternative Wohn- und Kunstprojekte, wie z.B. die Köpi, welche leider auch von Investoren bedroht werden. Auf der Holzmarktstraße wird die Demo ostwärts am Ostbahnhof vorbeiziehen, dann am Stralauer Platz nordwärts in die Straße der Pariser Kommune abbiegen, wo sich vor und unter der Brücke am Ostbahnhof der Ort der Abschlusskundgebung befindet.

Das Gelände des ehemaligen Berliner Ostgüterbahnhofs, auf dem sich mehrere Clubs wie z.B. Ostgut, Casino, Maria am Ostbahnhof, Nontox und Razzle Dazzle befanden, wurde inzwischen komplett eingeebnet. Diese Clubs wurden durch Investorenpläne der Berlin Arena Anschutz Entertainment Group verdrängt. Es finden sich jedoch keine weiteren Partner, die sich dem Investitionsrisiko weiterer leerstehender Bürokomplexe aussetzen wollen. Was bleibt ist eine eingezäunte, öde Mondlandschaft.

Die gesamte Strecke wird gesäumt von Sicherheitskameras, welche die Auswüchse des neuen Sicherheitswahns in Deutschland und speziell in Berlin demonstrieren.

Weitere Infos: http://www.bembelterror.de/fuckparade/2005/


Fuckparade Manifest

Die Fuckparade gründet sich auf kulturelle Vielfalt, Freiheit und Toleranz. Die Fuckparade versteht sich als offene Interessengemeinschaft subkulturell engagierter Menschen und ist jedem zugänglich, der diese Werte unterstützt. Die Fuckparade distanziert sich ausdrücklich von Ausgrenzung, Intoleranz und Faschismus. Subkultur wird von uns nicht als Gegenkultur verstanden, sondern vielmehr als das Gewissen des Mainstreams, dessen Probleme und Fehler sie offenzulegen und aufzuarbeiten vermag. So schafft die Subkultur eine Kultur ohne beschränkende kommerzielle Zwänge, indem sie als kreatives Experimentierfeld, als Sozialisations- und Rückzugsort kreativer Menschen dient. Subkultur stellt einen sozialen Wert dar, keinen kommerziellen.

Wir sehen in Kunst und Musik politische Ausdrucksformen einer weitverzweigten Jugendkultur. Wir demonstrieren darum für musikalische Vielfalt, Akzeptanz und Unterstützung alternativer Musik, gegen eine ausschließlich kommerzielle Orientierung der Musikmedien. Wir demonstrieren für das Recht, öffentlichen Raumohne großen bürokratischen Aufwand und ohne Überwachung nutzen zu können. Wir demonstrieren gegen eine Kriminalisierung von Künstlern und deren Veranstaltungen, für eine wohlwollende Auslegung des polizeilichen Ermessensspielraums. Miteinander reden statt räumen.

Wir kämpfen auch für das Recht, unser Anliegen mit den uns eigenen Ausdrucksmitteln auf Demonstrationen vorzubringen. Deshalb fordern wir erneut, Musik und andere zeitgemäße, kreative politische Ausdrucksmittel nicht weiter auszugrenzen und als Demonstrationsmittel anzuerkennen. Wir sind Künstler, keine Gewerkschaftler!

Die Fuckparade fordert die Politik auf, ein tolerantes Umfeld zu schaffen, in dem subkulturelle Minderheiten akzeptiert und als wichtiger Ursprungsort musikalischer Innovationen verstanden und unterstützt werden, nicht behindert oder kriminalisiert. Berlin versteht sich als ständig in Bewegung befindliche Stadt der Kunst- und Kulturszenen, als eine kreative und bunte Stadt, die von aller Welt dafür geschätzt wird. Diese Kultur muß gepflegt und gelebt werden. Für temporäre kulturelle Projekte müssen unbürokratische Wege geschaffen werden, legal arbeiten zu können. „Illegale“ Clubs sind kein Selbstzweck und dienen nicht der Bereicherung, sondern sind eine Kapitulation vor dem zeitlichen und bürokratischen Aufwand, der spontane oder zeitlich begrenzte Projekte unmöglich macht. Zudem gibt es eine räumliche Not trotz des ungeheuren Leerstands von Gewerbeimmobilien in den Innenstädten.

Wir demonstrieren unseren Protest gegen den kommerziellen Ausverkauf der Innenstädte durch Investoren und Bürokraten, die durch unrealistische Miet- oder Kaufpreise beharrlich verhindern, daß Künstler und alternative Projekte im Zentrum Fuß fassen können. Nicht die Anzahl der Opern, die toten Fassaden der Investitionsruinen oder der fade Abglanz der Politschickeria machen eine Stadt lebenswert. Wir brauchen eine eine lebendige, vielfältige Kultur von unten und ein städtebauliches Konzept, das diese fördert, nicht immer weiter aus den Zentren verdrängt. Zudem fordern wir die Kooperation des Senats in der Anpassung des völlig überholten Gastronomiegesetzes. Veranstalter und temporäre Projekte, die aus den beschriebenen Umständen heraus ohne offizielle Genehmigungen Lokalitäten betreiben, sollen entkriminalisiert werden. Es sollen innovative und experimentelle Wege der Gastronomie mit pragmatischen politischen Lösungen ermöglicht werden.


Die Glosse

Der Grüne Bundestagskandidat Wolfgang Wieland will den öffentlichen Raum zurückerobern ...

Im Übergangssenat des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit war Wolfgang Wieland vom 16. Juni 2001 bis zum 17. Januar 2002  Justizsenator und Bürgermeister von Berlin. Nachdem die Grünen nach der Neuwahl des Berliner Abgeordnetenhauses nicht mehr an der Regierung beteiligt waren, wurde er wieder Fraktionsvorsitzender seiner Partei. Am 19. Juni 2005 wurde Wolfgang Wieland mit 519 von 799 Stimmen der Grünen Delegierten deutlich auf Platz 2 der Berliner Landesliste für die geplanten Neuwahlen zum Bundestag gewählt.

Als die Polizei am 14. Juli 2001 an der Pro-Fuckparade-Demofür das Demonstrationsrecht und die freie Wahl der Mittel bei einer Versammlung auf öffentlichem Grund" den Demonstranten ihre Radiogeräte wegnahm und auch einige Demonstranten, gelinde ausgedrückt, handgreiflich unsanft behandelte, war Wolfgang Wieland in Berlin der verantwortliche Justizsenator. An einer kurz später stattfindenden Podiumsveranstaltung mit dem Titel „Das Ende der Subkulturen“ am 30. August 2001 im Tempodrom am Ostbahnhof meinte Wieland auf eine Nachfrage hin, das die polizeiliche Aktion an dieser Demo „dumm gelaufen sei. Ein Bedauern drückte er ebenso wenig aus wie eine von vielen Besuchern erwartete Entschuldigung. Am 7. August 2005 traut sich Wieland jetzt im Mauerpark anläßlich einer Veranstaltung der Grünen vom Bezirk Berlin-Pankow von 15:00 Uhr bis 20:00 Uhr unter dem Motto „den öffentlichen Raum zurückerobern gegen Eingrenzung, Ausgrenzung, Überwachung und Privatisierung des öffentlichen Raumes als Redner aufzutreten. Hier fragt sich so mancher: Erinnerungslücken? Wendehalsmentalität? Oder nur eine typische Politikerglosse?


Wir erinnern uns:

Der Antrag von DJ Trauma XP die Fuckparade im Juli 2001 als Demonstration durchzuführen, wurde vom Polizeipräsidenten in Berlin mit Bescheid vom 14. Mai 2001 zurückgewiesen. Dem eingelegten Widerspruch gegen den Bescheid des Polizeipräsidenten wurde vom Verwaltungsgericht mit Beschluß vom 28. Juni 2001 stattgegeben. Das Gericht stellte fest, daß es für die Qualifizierung als Versammlung unerheblich sei, ob Musik und Tanz zur Unterstützung der Versammlungsthemen als spezifische Ausdruckformen eingesetzt werden. Die Veranstaltung habe gleichwohl deshalb Versammlungscharakter, weil die Verbreitung zahlreicher Handzettel beabsichtigt sei, auf denen das Anliegen der Veranstaltung ausfühlich und verständlich dargestellt werde. Zudem verfolge die Fuckparade nicht wie die Love Parade komerzielle Zwecke. Weder müssen für die Musikwagen Startgebühren entrichtet werden, noch seien Werbeeinnahmen oder sonstige Gewinne zu erwarten. Die Fuckparade habe den Charakter einer Demonstration.

Das Oberverwaltungsgericht änderte diese Entscheidung mit Beschluß vom 6. Juli 2001 wieder mit der Begründung ab, das Schwergewicht der Veranstaltung liege eindeutig auf dem Gebiet der Unterhaltung. Dem schloß sich auch das Bundesverfassungsgericht mit Beschluß vom 12. Juli 2001 mit einer äußerst realitätsfremden abschleißenden Bemerkung an, daß auch der Fuckparade die Möglichkeit bleibe, eine Sondernutzungsgenehmigung für die Straßenbenutzung zu beantragen, wobei deren Erteilung nicht aus zeitlichen Gründen im Hinblick auf den langwierigen, die rechtliche Einordnung der Veranstaltung betreffenden Entscheidungsprozeß, versagt werden dürfe. Da eine kosten-neutrale Sondernutzungsgenehmigung in nur einem Tag in Berlin nicht erteilt werden kann, wurde der Fuckparade somit ihr Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit mit höchstrichterlichem Segen verwehrt. Die Fuckparade konnte nicht stattfinden.

Stattdessen wurde am 14. Juli 2001 für das Demonstrationsrecht und die freie Wahl der Mittel bei einer Versammlung auf öffentlichem Grund demonstriert. Radio Fritz, ein öffentlichrechtlicher Radiosender in Berlin, solidarisierte sich mit der Fuckparade. Die Djs konnten in der Volksbühne ihre Platten auflegen, die Musik wurde vom Radiosender übertragen und sollte auf der Demonstration aus Radios und Ghettoblastern die verbotenen Soundsysteme ersetzen. Promt wurden auch die Radios und Ghettoblaster verboten, obwohl das Abspielen von Musik auf Demonstrationen sonst etwas selbstverständliches ist.

Besonders pikant dabei ist die Tatsache, daß das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluß feststellte, daß Versammlungen auch dann in den Schutzbereich des Versammlungsfreiheit fallen, wenn sie ihre kummunikativen Zwecke unter Einsatz von Musik und Tanz verwirklichen. Dies gilt jedoch nur, wenn diese Mittel zur kommunikativen Entfaltung mit dem Ziel eingesetzt werden, auf die örtliche Meinungsbildung einzuwirken. Von der Versammlungsfreiheit sind solche Veranstaltungen auch dann erfaßt und rechtlich geschützt, wenn sie sich zum Beispiel dafür einsetzen, daß bestimmte Musik- und Tanzveranstaltungen auch in Zukunft ermöglicht werden sollen. Geschützt durch das Grundgesetz ist in solchen Fällen die kommunikative Einflußnahme auf die öffentliche Meinung, um auf die zukünftige Durchführung solcher Veranstaltungen hinzuwirken, nicht aber das Abhalten der Musik- und Tanzveranstaltung selbst.

Mehr dazu: http://www.bembelterror.de/fuckparade/presse/


Frühere Pressemitteilungen von Eve & Rave zur Fuckparade

2002   Fuck the Love Parade  -  Love the Fuckparade
http://www.eve-rave.net/abfahrer/presse/presse02-07-07.html

2003   Love the Fuckparade
http://www.eve-rave.net/abfahrer/presse/presse03-06-20.html

2004   Fuckparade 2004
http://www.eve-rave.net/abfahrer/presse/presse04-06-27.html


Ich glaube an die Unantastbarkeit und an die Würde jedes einzelnen Menschen. Ich glaube, daß allen Menschen von Gott das gleiche Recht auf Freiheit gegeben wurde. Ich verspreche jedem Angriff auf die Freiheit und der Tyrannei widerstand zu leisten, wo auch immer sie auftreten mögen.

Bekenntnis zur Freiheit
Deutschland Radio Kultur
Jeden Sonntag 11:59 gesendet
www.dradio.de


Berlin, den 3. August 2005
Redaktion Webteam Eve & Rave e.V. Berlin

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