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Änderungsverordnungen

Das Verordnungsprinzip zur Änderung
betäubungsmittelrechtlicher Vorschriften.
Ein Kommentar anläßlich der 14. Änderungsverordnung
von Hans Cousto


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  1. Vom Opiumgesetz
    zum Betäubungsmittelgesetz

    Bis zur Mitte der sechziger Jahre war die Drogenpolitik im Verhältnis zu anderen Bereichen der Politik ein äußerst kleiner und gesellschaftlich kaum beachteter Polotikbereich. Wohl vor allem auf Grund der geringen Zahl der sozial auffälligen Drogenkonsumenten blieb das Opiumgesetz weithin papierenes Gesetz ohne akute Verfolgungsrealität. Entsprechend niedrig war die Zahl der auf Grund des Opiumgesetzes Verurteilten Personen. Anfangs der sechziger Jahre lag diese Zahl zwischen 100 und 150 pro Jahr, das heißt zwei bis drei Verurteilungen pro Woche in der ganzen Bundesrepublik Deutschland.

    Ende der sechziger Jahre änderte sich der Stellenwert der Drogen- und speziell der Cannabispolitik schlagartig. Dies geschah vor dem Hintergrund der internationalen Entwicklung (internationale Abkommen) und vor allem dem in den USA wahrgenommenen "Jugend-Drogen-Problem". In Deutschland vermittelte die Presse nach dem reißerischen Vorbild in den Vereinigten Staaten von Amerika ab Ende der sechziger Jahre den Eindruck einer gewaltigen "Haschisch- und Drogenwelle", die das Land zu überrollen drohte. Gleichzeitig wurde in der öffentlichen Meinung das Bild eines dramatischen sozialen Problems vorgezeichnet, das zudem mit dem vermutlich wichtigsten innenpolitischen Ereignis jener Zeit in Verbindung gebracht wurde, nämlich der hauptsächlich von Studenten getragenen Protestbewegung, die sich während der großen Koalition aus CDU/CSU und SPD von 1966 bis 1969 als "Außerparlamentarische Opposition (APO)" formiert hatte .

    Bei der Gesamtbetrachtung der historischen Entwicklung vom Opiumgesetz zum Betäubungsmittelgesetz ist zu beachten, daß die Bundesrepublik Deutschland nicht frei ist, welche Ziele sie im Bereich der Drogenpolitik verfolgen will. Sie ist vielmehr durch eine Reihe von Übereinkommen im Rahmen der Vereinten Nationen (UNO) gebunden. Es handelt sich hierbei um das Einheits-Übereinkommen vom 30. März 1961 über Suchtstoffe in der Fassung des Protokolls vom 25. März 1972 zur Änderung des Einheits-Übereinkommens von 1961 über Suchtstoffe (sogenannte Single-Convention) und um das Übereinkommen vom 21. Februar 1971 über psychotrope Stoffe.

    Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber (Bundestag und Bundesrat) im Dezember 1971 das Opiumgesetz vom 10. Dezember 1929, das vor allem die verwaltungsmäßige Kontrolle der medizinischen Versorgung der Bevölkerung mit Opium, Morphium und anderen Betäubungsmitteln regelte, durch ein neues "Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (Betäubungsmittelgesetz, BtMG)" ersetzt. Dem neuen Gesetz vom 22. Dezember 1971, das am 10. Januar 1972 nach redaktionellen Änderungen neu bekannt gegeben wurde, liegt eine abstrakt-typologische Täterklassifizierung zugrunde, so daß nach der Vorstellung des Gesetzgebers jedem Tätertypus eine Sanktionsstufe zugeordnet werden kann, wobei die Höchststrafe von drei auf zehn Jahre heraufgesetzt wurde.

    Der Gesetzgeber (Legislative) ermächtigte in § 1 Abs. 2 bis 6 BtMG die Bundesregierung (Exekutive) durch Rechtsverordnung weitere Stoffe den betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften zu unterstellen. Diese Ermächtigungsgrundlage der Bundesregierung ist nicht mit dem Gewaltenteilungsprinzip des Grundgesetzes (GG) vereinbar, da das BtMG nicht nur Ordnungswidrigkeiten und Vergehen, sondern auch Straftaten (unter anderem kriminelle Handlungen) mit Strafe bedroht. Die Tatsache, daß nicht nur der Gesetzgeber, sondern ein Verordnungsgeber der Exekutive Straftatbestände schaffen kann, die mit hohen Freiheitsstrafen (seit dem 25. Dezember 1971 bis zu zehn Jahren, seit dem 1. Januar 1982 sogar Höchststrafen bis zu 15 Jahren) geahndet werden können, hat in den vergangenen Jahren immer wieder heftige und kontroverse Debatten im Kreise der Verfassungs- und Strafjuristen ausgelöst, da einerseits Grundrechtsbegrenzungen nur unter strikter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgebotes erfolgen dürfen und anderseits die strafbewehrte Drogenprohibition kaum geeignet scheint, das gesetzgeberische Ziel (Verfügbarkeit der in den Anlagen aufgeführten Stoffe zu unterbinden) zu erreichen.

    Nach dem strafrechtlichen Bestimmtheitsgebot muß der Gesetzgeber dem Normadressaten stets die Möglichkeit geben, sich Kenntnis vom gesamten Normgeber zu verschaffen. Da die Bundesregierung die Identität der Sachverständigen, deren Mitwirkung am Gesetzgebungs-, bzw. Verordnungsverfahren vom BtMG ausdrücklich gefordert wird, nicht öffentlich mitteilt, hat man es hier faktisch mit einem "anonymen Gesetzgeber" zu tun. Dem betroffenen Personenkreis wird nicht nur in einzelnen Fällen eine Begründung (nach wissenschaftlicher Erkenntnis) des Schaffens neuer Straftatbestände seitens der Bundesregierung verwehrt.

    Mit dem Gesetz zur Neuordnung des Betäubungsmittelrechts vom 28. Juli 1981 wurde nicht nur für die besonders schweren Fälle eine Erhöhung der Strafobergrenze von 10 auf 15 Jahren Freiheitsstrafe vorgenommen, sondern auch die Definition der Betäubungsmittel geändert. In § 1 Abs. 1 BtMG wurde der Anwendungsbereich des Gesetzes auf die in den Anlagen I bis III genannten Stoffe und Zubereitungen beschränkt. Betäubungsmittel im Sinne des Gesetzes sind nur die in den Anlagen I bis III genannten Stoffe und Zubereitungen (Positivliste). Die in den Anlagen I bis III genannten Stoffe und Zubereitungen sind Teil des Gesetzes.

     

    Anhang I

     

    enthält die nicht verkehrsfähigen und nicht verschreibungsfähigen Stoffe, die also allenfalls illegal im Verkehr sein können. Diese Stoffe "sind gesundheitsgefährdend oder werden nicht zu therapeutischen Zwecken benötigt."

    Anlage II

     

    enthält die verkehrsfähigen, aber nicht verschreibungsfähigen Substanzen, das heißt solche, die als Rohstoffe, Grundstoffe, Halbsynthetika, oder Zwischenprodukte verwendet werden, die jedoch in Zubereitungen nicht als Betäubungsmittel verschrieben werden können.

    Anlage III

     

    enthält die verkehrs- und verschreibungsfähigen Substanzen.

 


Fussnoten:

  1. S. Quensel: Drogenelend. Cannabis, Heroin, Methadon. Für eine neue Drogenpolitik, Frankfurt 1982, S. 77

  2. H. Ellinger: Betäubungsmittel und Strafbarkeit, in: Schriftenreihe des Bundeskriminalamtes 1974/1-3, S. 26 ff.

  3. V. Schmidt: Alte Politik gegen neue Drogen ? Deutungsmuster in der drogenpolitischen Debatte – die Beispiele Cannabis und Ecstasy . Eine Inhaltsanalyse der bundesdeutschen Tages- und Wochenpresse 1967-1972 und 1992-1997, Wissenschaftliche Hausarbeit zur Erlangung des akademischen Grades einer Magistra Atrium der Universität Hamburg, Hamburg 1998, S. 21

  4. BGBl. 1973, II S. 1353)

  5. BGBl. 1975, II S. 2)

  6. BGBl. 1976, II S. 1477)

  7. Das neue Gesetz wurde am 22. Dezember 1971 verkündet, am 24. Dezember 1971 im Bundesgesetzblatt (I S. 2092) veröffentlicht und am 25. Dezember 1971 in Kraft gesetzt. Nach einigen redaktionellen Änderungen wurde das Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln am 10. Januar 1972 neu bekannt gemacht (BGBl. I. S. 1).

  8. Bei der Novellierung des BtMG hat der Gesetzgeber 1981 eine Akzentverschiebung vorgenommen. Im BtMG gemäß Gesetz zur Neuordnung des Betäubungsmittelrechts vom 28. Juli 1981 (BGBl. I S. 681) wurde neben den drastischen Strafverschärfung in den § 29 a, 30, 30 a und b für "schwere Rauschgiftkriminalität", die am 1. Januar 1982 in Kraft traten, die sozialtherapeutische Rehabilitation für abhängige Straftäter stärker in den Vordergrund gerückt.

  9. Gesetz zur Neuordnung des Betäubungsmittelrechts vom 28. Juli 1981 (BGBl. I S. 681)

  10. Bundestagsdrucksache BT-DS 8/3551, S. 25


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