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Drug-Checking -
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»Die grundsätzliche Prämisse einer strafrechtlich orientierten Drogenpolitik basiert zunächst auf der Annahme, daß eine massive Strafandrohung und eine deutliche Demonstration der Ernsthaftigkeit dieser Drohung (durch intensive Verfolgung und Verurteilung von Verstößen gegen das BtMG) geeignete und unverzichtbare Mittel sind, um potentielle Konsumenten bestimmter Drogen vom Drogengebrauch abzuhalten. [generalpräventiver Anspruch, d. Verf.] « Zum heutigen Zeitpunkt veranschaulichen allerdings bereits die Daten der polizeilichen Kriminalstatistik das Ausbleiben der angestrebten Abschreckungserfolge. Folgende entscheidende Indikatoren deuten auf das Scheitern des generalpräventiven Anspruchs der Prohibition hin:
Diese Zahlen deuten nicht nur auf die Zunahme polizeilicher Aktivität hin, sondern auch auf die gestiegene Nachfrage nach illegalisierten Drogen in der Gesellschaft. Wir sprechen hier zudem nur von den der Polizei bekanntgewordenen Fällen von Verstößen gegen das BtMG. Experten nehmen an, daß die polizeilich ermittelten BtMG-Verstöße nur einen sehr geringen Bruchteil eines weitaus größeren Dunkelfeldes ausmachen. Offensichtlich ist das Strafrecht nicht in der Lage, Menschen vom Konsum illegalisierter Drogen abzuhalten.
Diese Annahme wird bestätigt durch eine Wiederholungsbefragung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, die 1993/1994 im Rahmen der regelmäßigen »Untersuchung zur Drogenaffinität Jugendlicher in der Bundesrepublik Deutschland« durchgeführt wurde. Dort heißt es, »... daß die strafrechtliche Sanktionsdrohung »offenbar nicht allgemein abschreckend« wirke und »ablehnende Einstellungen gegenüber dem Drogengebrauch bei Jugendlichen« [...] »nicht in erster Linie auf die Wirksamkeit der Strafandrohung zurückzuführen« sei... .« Auch empirische Erhebungen, die im Ecstasy-Umfeld durchgeführt wurden, bekräftigen die Annahme, daß von der gesetzlichen Strafdrohung kaum eine abschreckende Wirkung hinsichtlich des Konsums illegalisierter Substanzen ausgeht:
Demnach »...ist die rechtliche Sanktionierung für den einzelnen Konsumenten von untergeordneter Bedeutung: Nichtkonsumenten aus der peer-group begründeten ihren Nichtkonsum vor allem mit subjektiv befürchteter, längerfristiger gesundheitlicher Schädigung und unerwünschten Nebenwirkungen, sehr viel seltener mit dem Verbot von Ecstasy. Vergegenwärtigt man sich, daß die Ecstasykonsumenten überwiegend einem bürgerlichen mainstream entstammen und daher von ihrem jeweiligen kognitiven, normativen und edukativen Hintergrund her geradezu ideale Normadressaten für den Gesetzgeber darstellen, dann mag man erst recht nach den Gründen des völligen generalpräventiven Versagens des BtMG suchen. Es muß zu denken geben, daß ausgerechnet Personen, die weitgehend angepaßt und verhaltensunauffällig leben, sich offenbar eher ein Halte- oder Parkverbot und die hierauf bezogene Geldbuße zu Herzen nehmen, als vor dem nächtlichen »Einschmeißen« eines »E« die strafrechtliche Relevanz zu reflektieren «
Für die Mehrzahl der Ecstasygebraucher spielt die Frage der Legalität bzw. Illegalität offensichtlich kaum eine Rolle bei der Entscheidung für oder gegen den Konsum »ihrer« Droge, wie es ja auch bereits von anderen User-Gruppen bekannt ist.
Zusammengenommen lassen obige Ausführungen Zweifel von nicht geringem Ausmaß an den angeblichen Erfolgen der prohibitiven Drogenpolitik vergangener Jahre aufkommen. Befürworter von Prohibition und Repression argumentieren jedoch, daß ein Verzicht hierauf »alles noch viel schlimmer machen würde«.
Betrachtet man die Zahlen für die Bundesrepublik Deutschland, so spielen illegalisierte Substanzen wie beispielsweise Heroin, Kokain oder auch Ecstasy eine vergleichsweise eher kleine Rolle im Gesamtbereich der drogenassoziierten Probleme. Daran ändert sich auch nichts durch die Tatsache, daß »Drogenprobleme« und »Drogenabhängigkeit« in den Medien und im öffentlichen Bewußtsein zunächst hauptsächlich auf die illegalisierten Drogen bezogen werden. Nach allgemeiner Einschätzung wird z.B. der abhängige Heroinkonsum zu unrecht als wesentlich problematischer und auch verbreiteter eingeschätzt als zwanghafter Alkoholkonsum oder Medikamentenmißbrauch . Befürworter der Prohibition sind deshalb scheinbar im Besitz eines guten Argumentes, wenn sie auf das riesige Ausmaß an Problemen aufmerksam machen, das durch die legalen Drogen bewirkt wird: Bei freier Verfügbarkeit von Alkohol haben etwa zwei Millionen. Menschen in Deutschland starke Probleme mit Alkohol, ca. 40.000 Menschen sterben pro Jahr an den Folgen des Alkoholkonsums und etwa 500.000 Menschen haben Probleme mit Medikamenten. Schließlich muß man von einer jährlich sehr hohen Zahl tabakbedingter Todesfälle ausgehen. 1990 starben z.B. in Deutschland ca. 111.0000 Menschen an den Folgen des Rauchens .
Im Drogen- und Suchtbericht des Bundesgesundheitsministeriums stellte man 1998 fest:
»Tabak ist die Droge Nr.1 - gefolgt von Alkohol. [...] So sind etwa vier Millionen Erwachsene durch Alkoholmißbrauch oder -abhängigkeit gefährdet. Dies entspricht einem Anteil von ca. 8-9% der 18-59jährigen in der Bevölkerung der Bundesrepublik [...] Der Anteil der Raucher in der Bundesrepublik insgesamt beträgt bei den Männern 43%, bei den Frauen 30%. Hochgerechnet auf die 18-59jährige Bevölkerung sind dies 17,8 Millionen. Raucher, von denen 6,7 Millionen im Mittel 20 oder mehr Zigaretten pro Tag konsumieren. [...] Die Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren (DHS) [...] schätzt die Zahl der Arzneimittelabhängigen auf 1,5 Millionen .«
Oberflächlich betrachtet scheinen all diese Zahlen die Kritiker einer nicht-prohibitiven Drogenpolitik zu bestätigen. Entsprechend wird vor allem von staatlichen Instanzen immer wieder die Behauptung aufgestellt, eine Legalisierung würde als Signal für die Harmlosigkeit und Aufforderung zum Gebrauch der zuvor illegalisierten Substanzen verstanden. Diese Argumente werden allerdings nicht nur im Zusammenhang mit der Ablehnung der Forderung nach einer Freigabe illegalisierter Drogen verwendet, sondern sind vom Prinzip her auch gegen nahezu jede Liberalisierungs- bzw. Harmreduction-Maßnahme gerichtet, die nicht ausschließlich auf Abstinenz abzielt (wie z.B. Drug-Checking). So ist denn auch der ehemalige Drogenbeauftragte der Bundesregierung Eduard Lintner der Auffassung, daß »Drug-Checking« »... eine gefährliche »Scheinsicherheit« erzeugt, die den Konsum begünstigt und die Gefahr verharmlost .«
Heino Stöver ist der Meinung, diese Ängste vor einem liberaleren Umgang mit den derzeit illegalisierten Drogen und damit auch vor »Drug-Checking« seien darauf bezogen, daß damit »... der errichtete [strafrechtliche, d.Verf.] »Damm« gegen die Drogen bricht und eine Drogenwelle über uns hereinbricht, daß der Konsum harter Drogen sich dann ebenso stark ausbreite wie etwa der von Alkohol, und Kinder von ihnen genauso wenig fernzuhalten seien wie beispielsweise von Zigaretten .« Um die skizzierten Ängste in einem Wort unterzubringen, verwendet Stöver hierfür auch den Begriff »Dammbruchszenario«.
Ich möchte mich in diesem Kapitel nun also mit verschiedenen Fragen beschäftigen: Muß tatsächlich befürchtet werden, daß »Drug-Checking« in fataler Weise eine Ungefährlichkeit des Konsums illegalisierter Drogen suggeriert? Könnten Schritte der Liberalisierung in bezug auf den Umgang mit Drogen (z.B. »Drug-Checking«) evtl. bedeutsame strafrechtliche Dämme brechen lassen und »Drogenfluten« heraufbeschwören? Geben die Zahlen zu den tabak- und alkoholbedingten Todesfällen letztlich nicht einen Hinweis darauf, daß vor allem die Prohibition sowie repressive Maßnahmen der Drogenpolitk in der Lage sind, um den einzelnen und die Bevölkerung vor einer gesundheitlichen oder gar existentiellen Gefährdung durch Drogen zu beschützen?
Der Diplom-Pädagoge und Ecstasy-Experte Artur Schroers verweist in diesem Zusammenhang auf die Ergebnisse einer umfangreichen niederländischen empirischen Untersuchung zum Ecstasygebrauch auf Houseparties, die u.a. die Auswirkungen von »Drug-Checking« im Rahmen der SHC auf das Konsumverhalten der Partybesucher erforschte. Laut Schroers erbrachte die Untersuchung die folgenden Ergebnisse:
In diesem Fall konnte die Behauptung, Drug-Checking würde zum Konsum illegalisierter Drogen (hier Ecstasy) ermuntern oder diesen begünstigen, wissenschaftlich nicht bestätigt werden. Als erfreulich zu vermerken ist allerdings die Tatsache, daß das in die Safe(r)-House-Konzeption der »Safe House Campaign« eingebettete »Drug-Checking« von Drogenkonsumenten offensichtlich erwünscht ist und von diesen positiv bewertet wird. »Drug-Checking« ist demnach ein geeignetes Instrumentarium, um in hohem Maße die Konsumenten von Ecstasy und anderen Partydrogen zu erreichen. Wie anhand der Untersuchungsergebnisse ebenfalls deutlich wird, stellt »Drug-Checking« weniger eine gedankenlosen Konsum fördernde Verharmlosung dar, sondern trägt vielmehr zu einem verbesserten Problembewußtsein und zu einer vertieften Reflexion hinsichtlich des eigenen Umgangs mit Drogen bei. Schließlich können die aufgrund ihres Tuns akzeptierten und glaubwürdig erscheinenden Anbieter von »Drug-Checking« diesen positiven Effekt offensichtlich noch verstärken, indem sie z.B. präzises substanzspezifisches Wissen, »Safer-Use-Regeln« oder Informationen zu den Risiken von Überdosierung, Mischkonsum oder generell Drogenkonsum vermitteln. Auf diese Weise wirkt sich »Drug-Checking« positiv hinsichtlich der Minderung von Risiken im Umgang mit illegalisierten Drogen aus und ist daher eine effiziente Maßnahme zur Gesundheitsförderung . Nicht »Dammbruchszenarien« im Sinne eines sich epidemieartig ausbreitenden, exzessiven und maßlosen Drogenkonsums werden durch »Drug-Checking« hervorgebracht, sondern das Gegenteil: Kontrolliertes, reflektiertes und risikominimiertes Konsumverhalten. Anzumerken ist an dieser Stelle jedoch, daß die Ergebnisse der erwähnten Untersuchung wohl hauptsächlich auf die spezielle Population bereits Drogenkonsumierender zu beziehen sind, da man weiß, daß die Besucher von Techno- und Houseparties dem Konsum illegalisierter Drogen überwiegend sehr aufgeschlossen gegenüberstehen. Deshalb lassen die Ergebnisse zwar Rückschlüsse hinsichtlich der Auswirkungen einer Legalisierung von »Drug-Checking« auf den spezialpräventiven Effekt, nicht aber auf den generalpräventiven Effekt der strafrechtlich orientierten Drogenpolitik zu. Die Angst, (Noch-)Nicht-Konsumenten illegalisierter Drogen könnten durch das Angebot von »Drug-Checking« massenhaft zum (exzessiven) Drogengebrauch verleitet werden, bleibt also noch immer im Raum bestehen.
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