Pressemitteilung zur 18. Betäubungsmittel-Änderungsverordnung

Redaktion Webteam www.eve-rave.net Berlin
Pressemitteilung vom 28. Januar 2004

Mit der 18. Betäubungsmittel-Änderungsverordnung wurde das  trizyklische Antidepressivum Amineptin den betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften unterstellt. Weder das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS) noch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) haben die Öffentlichkeit über diesen Schritt informiert. Einmal mehr obliegt es dem Aufgabenbereich von privaten Szeneorganisationen, die Öffentlichkeit über neue gesetzliche Regelungen betreff Betäubungsmittel zu informieren, da die dafür zuständigen Behörden ihren Pflichten in diesem Bereich nicht nachkommen.

 

Am 10. Januar 2004 ist die 18. Betäubungsmittel-Änderungsverordnung vom 22. Dezember 2003 (BGBl. 2004 I S. 28) in Kraft getreten. Die 18. Betäubungsmittel-Änderungsverordnung (18. BtMÄndV) ist unter den folgenden Adressern abrufbar:
http://www.eve-rave.net/abfahrer/recht.sp?text=14&cat=1  (HTML-Version)
http://www.eve-rave.net/abfahrer/download/eve-rave/aendver18.pdf (PDF-Version)

Gemäß  der 18. Betäubungsmittelrechts-Änderungsverordnung vom 22. Dezember 2003 erfolgt eine Änderung aufgrund von § 1 Abs. 4 BtMG der Anlage II (verkehrsfähige, aber nicht verschreibungsfähige Betäubungsmittel) zu § 1 BtMG. Die Substanz Amineptin wird neu eingefügt.

Amineptin ist ein trizyklisches Antidepressivum, das vor allem durch seine hemmende Wirkung bei der Wiederaufnahme des Neurotransmitters Dopamin wirkt (Erhöhung der Dopaminkonzentration in den synaptischen Spalten). Amineptin wurde u.a. in Thailand zur Behandlung von Patienten eingesetzt, die eine starke psychische Abhängigkeit von Amphetamin entwickelt hatten. Appetit und Schlafrhythmus wie auch das allgemeine energetische Potential wurden positiv beeinflußt. Amineptin steigert auch die Libido. Amineptin entwickelt mit Kokain eine Kreuztoleranz. Amineptin soll ein nicht unerhebliches Abhängigkeitspotenntial - vor allem in Kombination mit anderen Präparaten - haben. Es gibt jedoch auch Leute, die Amineptin zum Spaß konsumieren und dabei keine Probleme haben. Menschen mit einer ungünstigen Prädisposition können jedoch durch den Amineptin-Konsum schwerwiegende Leberprobleme bekommen. Amineptin wird im Sport als Dopingmittel eingesetzt und ist auf der Liste der verbotenen Substanzen für z.B. OlympiateilnehmerInnen.

Das BtMG in der seit dem 10. Januar rechtsgültigen Fassung mit Berücksichtigung der 18. BtMÄndV:
http://www.eve-rave.net/abfahrer/recht.sp?text=1&cat=1  (HTML-Version)
http://www.eve-rave.net/abfahrer/download/eve-rave/btm10.pdf  (PDF-Version)

Dem BtMG fügte die Redaktion Webteam www.eve-rave.net bei dem § 30c (Vermögensstrafe) eine wichtige Fußnote hinzu:

"Da der § 43a StGB gemäß BVerfGE vom 20. März 2002 – 2 BvR 794/95 – (BGBl. I S. 1340) mit dem Grundgesetz Art. 103 Abs. 2 unvereinbar ist und somit nichtig ist und die Entscheidungsformel des Bundesverfassungsgerichtes gemäß § 32 Abs. 2 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes Gesetzeskraft hat, ist auch § 30c BtMG mit dem Grundgesetz unvereinbar und somit nichtig."
http://www.eve-rave.net/abfahrer/recht.sp?text=1&page=8#text6?text=1&page=8

 

Ungenügende Informationspolitik seitens der Behörden

Bereits beim Verbot von GHB (Gamma-Hydroxy-Buttersäure), das ab dem 1. März 2002 mit der 16. BtMÄndV in Deutschland unter die betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften gestellt wurde, unterließ das Gesundheitsministerium eine öffentliche Bekanntmachung dieses Verbotes, ja bis heute findet man keine Mitteilung zum Verbot von GHB von der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Frau Marion Caspers-Merk, auf dem Internetportal des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte gab dazu seinerzeit auf seiner Homepage bekannt:

Erläuterungen zur 16. Verordnung zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher Vorschriften vom 28. November 2001

Zweck der 16. BtMÄndV war es, zwei Stoffe (Zolpidem und Gamma-Hydroxybuttersäure) gemäß dem Beschluß der Commission on Narcotic Drugs vom März 2001 in Wien dem BtMG zu unterstellen sowie Isocodein in Anlage II einzuordnen, was lediglich bei der Neufassung der Anlagen anlässlich der 15. BtMÄndV versehentlich unterblieben war.

Diese Information, wie auch die Information zur 17. BtMÄndV (die eine Korrektur zur 16. BtMÄndV beinhaltete) wurden inzwischen vom Internetportal des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte entfernt. Vergleiche hierzu die Pressemitteilung vom 11. Januar 2002 von Eve & Rave e.V. Berlin zur Sechzehnten Verordnung zur Änderung der betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften (16. BtMÄndV).
http://www.eve-rave.net/abfahrer/presse/presse02-01-11.html

Zur 18. BtMÄndV gab weder das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung noch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte eine Erklärung ab noch verkündeten diese Behörden die Änderung der betäubungsmitterlrechtlichen Vorschriften - wer nicht regelmäßig das Bundesgesetzblatt ließt (erscheint im allgemeinen zweimal bis dreimal pro Woche), weiß nicht, was eigentlich in Deutschland erlaubt ist und was so alles verboten ist. Vor diesem Hintergrund fragt sich so mancher Bundesbürger zurecht, wofür eigentlich die Drogenbeauftragte der Bundesregierung bezahlt wird, wenn sie ihrer Aufgabe, die Bevölkerung über Änderungen in den Gesetzen zu informieren, nicht nachkommt.

 

Veraltete Informationen in der EU-Datenbank für Drogenrecht

Die EU-Datenbank für Drogenrecht (European legal database on drugs) bildet eine notwendige Voraussetzung für die Schaffung einer einheitlichen und effektiven Sucht- und Drogenpolitik in Europa. Die Datenbank wird stets weiter ausgebaut und enthält alle wesentlichen Drogengesetze (legal texts) der Mitgliedstaaten und Norwegens sowie "country profiles" des Drogenrechts und der praktischen Umsetzung des Drogenrechts. Die Texte sind teils in den Originalsprachen und in Englisch, teils nur in einer Sprache abrufbar. Weitere Informationen aus den Mitgliedstaaten zu vergleichenden Studien (comparative studies), Planungen und Vorhaben betreff Gesetzesänderungen (trends in drug law) sowie diverse Nachrichten aus den einzelnen Ländern (news) sind in Vorbereitung bzw. teilweise schon enthalten. Siehe
http://eldd.emcdda.eu.int/databases/eldd_search.cfm
respektive
http://eldd.emcdda.eu.int/

Die letzte dort aufgeführte Betäubungsmittelrechts-Änderungsverordnung ist die Fünfzehnte Betäubungsmittelrechts-Änderungsverordnung (15. BtMÄndV) vom 19. Juni 2001. Diese Verordnung ändert die 3 Anlagen des Betäubungsmittelgesetzes, die Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung sowie die Betäubungsmittel-Außenhandelsverordnung. Die Anlagen des BtMG werden den internationalen Nomenklaturen (INN; IUPAC) angepaßt; gleichzeitig werden 15 neue Stoffe auf Dauer in die Anlage 1 (nicht verkehrsfähige BtM) aufgenommen. Die Änderungen der BtMVV schreiben für die Behandlung von Opiatabhängigen mit Methadon und anderen Substitutionsmitteln mehr Sicherheit gegen Mißbrauch, eine suchttherapeutische Qualifikation der Ärzte sowie ein bundesweites Meldesystem (Substitutionsregister) vor. Die Änderungen der BtMAHV resultieren aus der Vollendung des Binnenmarktes in der EU.
http://eldd.emcdda.eu.int/databases/eldd_legal_text.cfm?id=1181&lang=de&T=1

Die 16., 17. und 18. BtMÄndV fehlen in dieser Datenbank. Entsprechend alt ist auch die in der EU-Datenbank wiedergegebene Fassung des Betäubungsmittelgesetzes. Über dem Text steht  "amended by (zuletzt geändert) - Fünfzehnte Betäubungsmittelrechts-Änderungsverordnung (15. BtMÄndV) vom 19. Juni 2001", doch die Anlagen sind noch in der Art älterer Fassungen wiedergegeben. So heißt es zur Anlage I: Gilt nach Maßgabe des Artikels 2 der Verodnung vom 7. Oktober1998 (BGBl. I S. 3126) mit Wirkung vom 10. Oktober 1999 wieder in der am 9. Oktober 1999 geltenden Fassung; die Position Methcathinon, eingeführt durch Artikel 1 Nr. 1 der Verordnung vom 14. November 1996 (BGBl. I S. 1728) mit Wirkung vom 1. Februar 1997, soll in der ab 1. Februar 1998 geltenden Fassung enthalten sein; Berichtigung soll erfolgen. Anlage I Teil A: In der Fassung des Artikels 1 Nr. 1 Buchst. a der Verodnung vom 20. Januar 1998 (BGBl. I S. 74) mit Wirkung vom 1. Februar 1998; Anlage I Teil A Nr. 13 bis 24: Eingeführt durch Artikel 1 der Verordnung vom 24. September 1999 (BGBl. I S. 1935) mit Wirkung vom 10. Oktober 1999 bis 9. Oktober 2000; Anlage I Teil B: In der Fassung des Artikels 1 Nr. 1 Buchst. b bis e der Verordnung vom 20. Januar 1998 (BGBl. I S. 74) mit Wirkung vom 1. Februar 1998.
http://eldd.emcdda.eu.int/databases/eldd_legal_text.cfm?id=677&lang=de&T=1#A1

In den Anlagen wurden somit nicht einmal die Änderungen der 15. BtMÄndV berücksichtigt, wie im Titel angekündigt. Des weiteren wurden nicht berücksichtigt: die Sechzehnte Betäubungsmittelrechts-Änderungsverordnung vom 28. November 2001, die Siebzehnte Betäubungsmittelrechts-Änderungsverordnung vom 12. Februar 2002, das Gesetz zur Änderung des Grundstoffüberwachungsgesetzes vom 26. Juni 2002, die Achte Zuständigkeitsanpassungsverordnung vom 25. November 2003 und die Achtzehnte Betäubungsmittelrechts-Änderungsverordnung vom 22. Dezember 2003. In der EU-Datenbank für Drogenrecht befindet sich eine völlig veraltete Fassung des Betäubungsmittelgesetzes. Auch hier scheint die Bundesregierung - hier das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung - nicht in der Lage zu sein, ihrer Informationspflicht nachzukommen. Es ist wirklich erstaunlich, daß ein großes Land wie die Bundesrepublik Deutschland mit einem riesigen Beamtenapparat nicht fähig ist, seine Partner in der EU über die aktuelle rechtliche Lage im eigenen Lande korrekt zu informieren, während kleine Länder wie beispielsweise Luxemburg dies sehr wohl vermögen, wie die Liste der gesetzlichen Neuerungen betreff Drogenrecht in Luxemburg in der bezeichneten Datenbank zeigt.

 

Fehlende Information zur Verfassungswidrigkeit des § 30c BtMG

Am 20. März 2002 entschied der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG, 2 BvR 794/95 vom 20.3.2002, Absatz-Nr. (1 - 145)) auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 20. November 2001 durch Urteil, daß der § 43a des Strafgesetzbuchs (StGB) mit Artikel 103 Absatz 2 des Grundgesetzes unvereinbar ist und somit nichtig ist. Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 8. Februar 1995 - 5 StR 663/94 - und das Urteil des Landgerichtes Hamburg vom 11. April 1994 - 633 KLs 15/93 - verletzten den Beschwerdeführer (einen Haschischhändler aus Hamburg) hinsichtlich des Strafausspruchs in seinem grundrechtsgleichen Recht aus Artikel 103 Absatz 2 des Grundgesetzes. Die Urteile des Bundesgerichtshofes und des Landgerichtes Hamburg wurden insoweit aufgehoben und die Sache wurde an das Landgericht Hamburg zur Neuverhandlung zurückverwiesen.

Das Landgericht verurteilte den Beschwerdeführer wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, strafbar gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten sowie zu einer Vermögensstrafe von 600.000 DM, strafbar gemäß § 30c BtMG,  indem auf die Vorschrift des § 43a StGB verwiesen wird. Nach den Feststellungen der Kammer erwarb der Beschwerdeführer im Februar 1993 30 kg Haschisch zu einem Einkaufspreis von mindestens 3.000 DM je kg und verkaufte die Drogen in der Folgezeit teilweise in größeren Mengen an verschiedene Abnehmer. Bereits im Juni 1991 war er an einem umfangreichen Betäubungsmittelgeschäft vergleichbarer Größenordnung beteiligt.

Auf der Homepage des Bundesministeriums der Justiz ist das Strafgesetzbuch (Juris Datenbank) abrufbar. Der § 43a StGB ist mit eine Fußnote versehen, in der auf die Verfassungswidrigkeit und somit Nichtigkeit des Paragraphen hingewiesen wird: "§ 43a: Gemäß BVerfGE vom 20. März 2002 (BGBl. I S. 1340) - 2 BvR 794/95 - mit Grundgesetz Art. 103 Abs. 2 unvereinbar und nichtig"

Auf der Homepage des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung ist das Betäubungsmittelgesetz (Juris Datenbank) abrufbar. Beim § 29 BtMG (Straftaten) ist eine Fußnote mit dem Hinweis, daß dieser Paragraph gemäß einer Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichtes mit dem Grundgesetz vereinbar ist: "§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 3, 5: Nach Maßgabe der Entscheidungsformel mit dem Grundgesetz vereinbar gemäß BVerfGE vom 9. März 1994 (BGBl. I S. 1207) - 2 BvL 43/92 u. a. - ". Beim § 30c BtMG (Vermögensstrafe) fehlt jedoch ein Hinweis, daß dieser Paragraph nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist und daß dieser Paragraph somit nichtig ist. Es mutet schon befremdlich an, daß Üereinstimmungen von §§ des BtMG mit dem Grundgesetz erwähnt werden, die Unvereinbarkeit (und somit die Nichtigkeit) jedoch unerwähnt bleibt. Die Publikation des § 30c BtMG ohne Hinweis auf seine Verfassungswidrigkeit heißt nichts anderes als verfassungswidriges Gedankengut (in Gesetzesform) zu verbreiten, wobei hier die Frage, ob das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, in dessen Zuständigkeitsbereich das BtMG fällt, hier fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt hat, unerheblich ist. Prinzipiell ist eine solche Handlungsweise inakzeptabel.

 

Weitere Rechtsinformationen im Downloadbereich (PDF-Dateien):

Index Deutsche Gesetzestexte
http://www.eve-rave.net/abfahrer/download.sp?cat=5

Index bisherige Fassungen des deutschen Betäubungsmittelgesetzes und anderer Drogengesetze
http://www.eve-rave.net/abfahrer/download.sp?cat=6

Index mehr zum Deutschen Recht
http://www.eve-rave.net/abfahrer/download.sp?cat=7

Index Webverzeichnis -> Drogeninformationen -> Recht und Gesetz
http://www.eve-rave.net/abfahrer/webdirectory.sp?cid=6
 

Berlin, den 28. Januar 2004
Redaktion Webteam Eve & Rave e.V. Berlin

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