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Pressemitteilung vom 27. Juni 2004 zur Fuckparade 2004
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http://www.eve-rave.net/abfahrer/presse/presse04-06-27.pdf
- Stopp der Privatisierung des öffentlichen Raums
- Keine kommerzielle Gier, keine Regelungswut, keine kulturelle Gleichschaltung
- Gegen eine Verdrängung von Subkulturen aus der Stadtmitte, gegen "Zwangsverhübschung"
- Für eine Stärkung der Medienvielfalt: Unterstützung von freien Medien für Subkulturen
- Solidarität mit unterdrückten Subkulturen der Welt
- Gegen die Ausgrenzung von Musik als politisches Ausdrucksmittel auf Demonstrationen
- Für die Anerkennung von Subkulturen als Freiraum für Jugendliche und Randgruppen
Die Route
Aktuelle Informationen, eine Liste der Fuckparade-Parties sowie den Flyer
findet man unter der folgenden URL:
http://www.fuckparade.org
Bunker – Der härteste Club der Welt
Der Bunker, in der Albrechtstraße 24 in Berlin-Mitte unweit des Bahnhofs Friedrichstraße gelegen, war der einzige Club in der Stadt, in dem regelmäßig Hardcore-Raver bei exessiven Gabber-Parties (Gabba-Nation) mit harten schnellen Sounds auf ihre Kosten kamen. Der Bunker hatte stets seit dem Vermassungseffekt durch die Love Parade seinen ganz eigenen Stellenwert als Underground-Club erhalten. Immer etwas außen vor in der szenigen, etablierten Party-Clique Berlins hatte der Bunker eine ganz eigene Familie von kruden Techno-Liebhabern um sich herum aufgebaut. [o.A.: Bunker geschlossen, in: Flyer Nr. 25, Berlin 1996, S. 5]
The Raving Variety lautete das Leitmotiv der Bunker-Crew: 30 DJs auf vier Etagen und in jeder Etage eine andere Stilrichtung. Die Raving Variety-Parties boten einen Floor für die Gabbanauten, einen Floor für die Hardtrance-Liebhaber, einen für Jungle und Breakbeat und einen Pervy-Floor für die Lustmolche an. Dieses vielfältige Angebot führte zu einer prickelnden Durchmischung von ganz verschiedenen Szenen und so mancher endeckte auf diesen Parties bislang unbemerkte Vorlieben für den Genuß von zuvor unbekannten kulturellen Reizen und förderte so die Erweiterung des individuellen kulturellen Horizontes vieler Gäste. [Während an der Mayday am 25./26. November 1994 die Raving Society gefeiert wurde, veranstaltete der Bunker die Payday unter dem Motto Raving Variety. Vergl.: Flyer Nr. 1, Berlin 1994, S. 5 und S. 27]
Viele DJs hatten einen festen Platz im Bunker und legten regelmäßig für die ekstatisch tanzenden Fans ihrer Stilrichtung auf, und die Fan-Gemeinden wuchsen von Jahr zu Jahr immer mehr an. Ganz besonders galt dies für die Gabba-Nation (Stamm-Djs: Sascha, Olli, Danni, Cut-X), den Jungle- und Breakbeat-Parties (Stamm-DJs: Mad Axe, Boom, Shane), den House-Parties (Stamm-DJs: Zygan, Marco) und den Hardtrance-Parties (Stamm-DJs: Der Würfler, Roland 138 BPM, Björn/S).
Der Bunker öffnete 1992 seine Tore für das Publikum. Im Bunker-Garten war ein weiterer Club angesiedelt, der zuerst Rot-Kreuz-Club hieß, dann aber wegen einer juristischen Intervention des "Roten Kreuzes" seinen Namen ändern mußte. Der Club wurde dann in Ex-Kreuz-Club ungetauft. Der Ex-Kreuz-Club bildete mit dem Bunker eine symbiotische Einheit. Am Donnerstag legten dort Bunker-DJs Jungle und Brealbeat auf, an den Samstagen wurden SM-Fetisch-Parties gefeiert und auch an den Dienstagen stand Sex hoch im Kurs: Ingmars Technics (SM-Fetisch-Techno-Bar). Der Bunker und der Ex-Kreuz-Club boten auf fünf Dance-Floors ein für Berlin außergewöhnlich vielfältiges und extravagantes Programm an. Der Garten diente als gemeinsame Chill-Out-Area.
Der Bunker spielte in der Berliner Techno-Szene immer eine gewisse Außenseiterrolle und wurde beispielsweise von den Machern der Love Parade über Jahre hinweg ausgeschlossen, das heißt, der Bunker durfte nicht mit einem eigenen Wagen mitmachen. Werner Vollert, der den Bunker 1992 eröffnete, wurde als Seiteneinsteiger von den "alteingesessenen" Club-Betreibern der Berliner Techno-Szene abgelehnt, da eigentlich in Berlin das große Techno-Geschäft schon aufgeteilt war. Die Szene spiegelte klar die bestehenden Machtverhältnisse wieder, denn schon damals gab es einen knallharten Verdrängungswettbewerb und starke Monopolstellungen wirtschaftlicher Natur. [O. Henkel, K. Wollf: Berlin Underground – Techno und HipHop zwischen Mythos und Ausverkauf, Berlin 1996, S. 105] Dies wurde auch durch die Tatsache bestätigt, daß im "Localizer 1.0 – the techno house book" [Berlin 1995, Die Gestalten Verlag] dem Bunker kein Kapitel wie dem UFO, dem Tresor oder auch dem E-Werk gewidmet wurde.
Die Oberfinanzdirektion (OFD) Berlin als Eigentümerin der Immobilie hatte den denkmalgeschützten Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg dem Club-Veranstalter Werner Vollert bis September 1997 vermietet, hatte aber während der Gültigkeit des Mietvertrages im Dezember 1996 das Objekt zum Verkauf ausgeschrieben. [dpa: Früheres Aus für Techno-Bunker, in Berliner Zeitung vom 10. Dezember 1996, Ressort: Kultur] So wurde für den 14./15. Dezember 1996 zu einer großen Abschlußparty unter dem Motto "The Throwdown" und "The Final Countdown" mit allen Bunker-DJs und Gast-DJs (Trauma XP, XOL Dog 400 u.a.) inklusive Pervy-Party (Snax-Club) eingeladen. Die Party im Bunker konnte jedoch nicht stattfinden, da die Bauaufsicht dieselbe verhinderte und die Polizei den Bunker kurz zuvor verriegelt hatte und vor den Ravern sicherte. [o.A.: Bunker, the last chapter, in: Flyer Nr. 50, Berlin 1996, S. 7; AP/dpa: Kein letzter Rave im "Bunker", in: Berliner Zeitung vom 14. Dezember 1996, Ressort: Kultur]
Politik, Kommerz, Demonstrationsrecht und kontinuierliche Rechtsbeugung
Love Parade 1994
Im Jahr 1994 gab es erstmalig Probleme mit der Genehmigung der Love Parade als Demonstration. Am 24. Mai 1994 meldete Dr. Motte die Love Parade beim Polizeipräsidenten in Berlin an. Bei der Anmeldung gab Dr. Motte das gleiche Motto (Friede, Freude, Eierkuchen) wie in den Vorjahren an, da sich die sommerliche Tanzparade auf dem Ku'damm als traditionelle Demonstration mit Musik als Medium der Verständigung bereits fest etabliert hatte. Obwohl die Love Parade unter diesem Motto bereits fünfmal als Demonstration genehmigt und durchgeführt wurde, wollte das Polizeipräsidium, Abt. Landeskriminalamt, Referat Ordnungsbehördlicher Staatsschutz, die Parade gemäß Bescheid vom 3. Juni 1994 nicht mehr als Demonstration zulassen. Der Veranstalter legte am 14. Juni 1994 gegen diesen Bescheid Beschwerde ein. [Laarmann, J. (1994): Schrei nach Liebe ? Alles zur Love Parade 1994, in: Frontpage 7/94, S. 2 f.]
Love Parade 1995
Im Jahre 1995 reichte die Veranstaltungscrew der Love Parade am 11. März 1995 ein Konzept zur Müllvermeidung ein. Vorher hatte sich bereits der private Müllentsorgungsbetrieb Alba bereiterklärt, die Love Parade als Sponsor kräftig zu unterstützen und bei der Müllentsorgung zu helfen. Trotzdem entschied nach einer außerordentlich langen Bedenkzeit der Polizeipräsident in Berlin gemäß Schreiben vom 24. Mai 1995, die Love Parade sei im Sinne des Versammlungsgesetzes keine Demonstration. Der Innensenator Dieter Heckelmann (CDU) betonte zudem, es gehe in Wahrheit bei der Love Parade nicht um eine Meinungskundgabe, sondern um die Durchführung einer Techno-Fete auf öffentlichem Straßenland, die ihr eigentliches Gepräge durch den von ihr ausgehenden Lärm erhalte. Der Öffentlichkeit teilte Heckelmann über die Presse mit, daß die Love Parade weg müsse. [Laarmann, J. (1995): Love Parade 95 – Peace on Earth?!, in: Frontpage 6/95, S. 6]
Love Parade 1996
Die Stadtväter hatten nach der überwiegend sehr positiven Berichterstattung von der Love Parade in den Medien rund um den Globus im Jahr 1996 langsam kapiert, daß abgesehen vom Ruf der Stadt Berlin als Austragungsort dieses weltweit beachteten Ereignisses durch die Love Parade erhebliche wirtschaftliche Vorteile für die Stadt zu erwarten seien. Deshalb schikanierten sie wohl dieses Jahr die Organisatoren der Love Parade nicht mehr im Vorfeld der Veranstaltung wie in den beiden letzten Jahren, sondern kooperierten mit den Veranstaltern. Und nach dem Liebestanz der Hunderttausende lobten Berlins Politiker übereinstimmend die Love Parade als großen Gewinn für das Ansehen Berlins. Bürgermeisterin Christine Bergmann (SPD) meinte, daß diese große, friedliche und bunte Party ein gelungenes Ereignis gewesen sei. Ebenfalls hoch zufrieden über den Verlauf der Raver-Party äußerte sich Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) und meinte, dies sei ein Erfolg für Berlin gewesen und man solle endlich aufhören, die Diskussion kleinlich nur auf den Müll zu reduzieren. Der Sprecher der Berlin Tourismus Marketing Gesellschaft betonte, daß die internationale Aufmerksamkeit allein durch die Fernsehübertragungen enorm gewesen sei und daß man im kommenden Jahr noch stärker mit dem Raver-Fest werben werde. [o.A. (1996): Love Parade bringt Image-Gewinn – Politiker zufrieden / 200.000 Mark Schaden am Großen Tiergarten, in: Berliner Zeitung vom 15. Juli 1996]
Im Frühjahr des Jahres 1996 wurde die Love Parade GmbH gegründet, damit die Love Parade auf finanziell und vor allem rechtlich sicheren Füßen gestellt werden konnte. Zunächst mußte mal die ganze Organisation der Love Parade abgesichert werden. Dafür sei es außerordentlich wichtig, daß die Love Parade genügend Mittel habe zur Aufstellung von Toilettenhäuschen, zur Realisierung des Müllkonzeptes, zur Beauftragung der Security, zur Absicherung der Auflagen der Behörden und vor allem auch zu einer breiten und umfassenden Information über die Love Parade selbst. Eine politische Diskussion um den Status der Love Parade (Demonstration oder kommerzielles Volksfest auf öffentlichem Grund) fand 1996 nicht statt.
Name "Love Parade" und die Logos wurden bei der Firmengründung zu eingetragenen Warenzeichen deklariert und dementsprechend geschützt. [Handelsregister des Amtsgerichts Charlottenburg: HRB 59288 – 6.Juni 1996: Love Parade Berlin GmbH Medien-, Produktions-, Verwertungs- und Veranstaltungsgesellschaft, Berlin (Hauptstr. 159, 10827 Berlin). Gegenstand: Der weltweite Schutz und die weltweite Verwertung der Marke Love Parade in allen dafür geeigneten Medien und Verwertungsbereichen, insbesondere aber nicht abschließend in den Bereichen TV, Radio, Kino, Tonträger und/oder Bildtonträger jeder Art, Veranstaltungen, Printerzeugnissen, Multimedianutzungen, Werbenutzungen gleich welcher Art, Merchandisingwaren und -dienstleistungen. Stammkapital: 51.000 DM. Geschäftsführer: Rechtsanwalt Dr. Andreas Scheuermann, Köln. Der Gesellschaftsvertrag ist am 17. Mai 1996 abgeschlossen. Ist ein Geschäftsführer bestellt, so vertritt er die Gesellschaft allein. Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, wird die Gesellschaft gemeinschaftlich durch zwei Geschäftsführer oder durch einen Geschäftsführer in Gemeinschaft mit einem Prokuristen vertreten. Einzelvertretungsbefugnis kann erteilt werden. Der Geschäftsführer Dr. Andreas Scheuermann hat Einzelvertretungsbefugnis und darf Rechtsgeschäfte mit sich selbst oder mit sich als Vertreter Dritter abschließen. Als nicht eingetragen wird veröffentlicht: Bekanntmachungen der Gesellschaft erfolgen in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung."]
Love Parade 1997
Love Parade 1998
Love Parade 1999
Hauptthema für die Medien war auch dieses Jahr wieder der Müll und die Schäden im Tiergarten. Nach ersten Schätzungen der Berliner Stadtreinigung (BSR) waren mindestens 200 Tonnen Müll angefallen, 50 Tonnen mehr als im Vorjahr. Der Abfall bestand hauptsächlich aus Getränkedosen und Flaschen. Die Reinigung der Grünflächen im Tiergarten dauerte am Abend noch an. In BSR-Kreisen hieß es, daß der Aufwand deutlich über dem des Vorjahres liege. Die diesjährige Höhe der Reinigungskosten (1998 waren es etwa 180 000 Mark = etwa 92.000 Euro) war am Tage nach der Love Parade noch völlig offen.
Tiergartens Bürgermeister Jörn Jensen (Grüne) und
Baustadtrat Horst Porath (SPD) forderten einmal mehr, die Love Parade
künftig auf dem Flughafen Tempelhof durchführen zu lassen. Die
Summe der Schäden, die durch die Love Parade in den vergangenen
drei Jahren verursacht worden seien, betrüge 650.000 Mark respektive
332.000 Euro, das entspricht einem Schaden von gut 110.000 Euro pro Jahr.
1999 seien insbesondere die Teiche in Mitleidenschaft gezogen worden. Die
Veranstalter bestanden dennoch auf den Tiergarten als zukünftigem Schauplatz
der Love Parade und betonten mit Nachdruck, daß eine solche
Massenveranstaltung an keiner anderen Stelle in Berlin möglich gewesen
wäre. Wirtschaftssenator Wolfgang Branoner (CDU) kündigte
kurz nach der Parade an, daß er sich beim ersten Runden Tisch zwischen
Senat, Bezirk und Veranstaltern der Parade am 29. Juli 1999 dafür aussprechen
werde, daß der Hauptorganisator der Love Parade, Ralf Regitz,
im Jahr 2000 die Lizenz für den Getränkeverkauf im Tiergarten bekommen
solle. [Ehlert, S., Azhne, P. (1999): Nach der Party der Rekorde: Veranstalter
planen Love Parade 2000, in Berlin. in: Berliner Zeitung vom 12. Juli 1999]
Für das Jahr 1999 entschied jedoch das Oberverwaltungsgericht am 8.
Juli 1999 gleich zweimal zu Ungunsten der Love Parade GmbH. Verkaufsstände
seien nicht Bestandteil einer Demonstration, urteilte das Oberverwaltungsgericht.
Und zum zweiten stehe es laut Gericht dem Bezirk Tiergarten frei, den Getränkeverkauf
wie natürlich auch den Verkauf von Speisen am Tag der Love Parade
an denjenigen zu vergeben, der dem Baustadtrat Horst Porath (SPD) am
meisten zusage. Horst Porath ist ein ausgemachter Gegner der Love
Parade, seit Jahren will er nicht einsehen, warum das seiner Meinung nach
rein kommerzielle Unterfangen den Tiergarten alljährlich in Mitleidenschaft
ziehen muß.
Love Parade 2000
Wenige Tage nach der Love Parade wurde in den Medien der Hauptstadt einmal mehr festgestellt, daß erheblich mehr alkoholische Getränke konsumiert wurden als vor Jahresfrist auf der Parade und zudem wurden zahlreiche Ungereimtheiten beim Getränkeverkauf publik. Das Unternehmen Caspar-Catering hatte für 325.000 Mark (166.000 Euro) von den Bezirken Charlottenburg und Tiergarten den Zuschlag für den Getränkeverkauf bekommen, wobei die Lizenz mit der Maßgabe verbunden war, Mehrwegbecher gegen Pfand auszugeben. Durch diese Maßgabe sollte die Müllmenge im Tiergarten verringert werden. Doch obwohl weniger Raver als im Vorjahr zur Love Parade kamen, war die Müllmenge mit geschätzten 300 Tonnen gleich groß geblieben. Der Abfall bestand nach Angaben der Berliner Stadtreinigung (BSR) wie in den Vorjahren zum größten Teil aus Dosen und Plastikflaschen. Offenbar hatte das vorgeschriebene Mehrwegsystem nicht funktioniert. [Ehlert, S., Miller, T. (2000): Love Parade: Anarchie beim Bierverkauf. Bahn und Bezirke streiten um Geld und Abfallmengen, in Berliner Zeitung vom 11. Juli 2000]
Die Firma Caspar-Catering hatte die Flächen für die Verkaufsstände nicht selbst genutzt, sondern sie vermietete diese Flächen an die DB-Gastronomie. Die DB-Gastronomie hatte dann ihrerseits an den 150 Ständen vornehmlich Plastikbecher gegen je 50 Pfennig Pfand ausgegeben. Die Becher waren jedoch von der Machart her überhaupt nicht stabil und konnten nicht wiederverwertet werden, so daß sie allesamt im Müll landeten. Selbst der Wirtschaftssenator Wolfgang Branoner (CDU) kritisierte die mangelhafte Müllvermeidung und mußte feststellen, daß das Pfandsystem oft umgangen worden sei. Die Stände der DB-Gastronomie hätten massenweise Einwegbecher statt der vorgeschriebenen Mehrwegbecher ausgegeben.
Love Parade 2001 – Ende des Demonstrationsrechtes für die Love Parade
Zum ersten Mal war die Love Parade keine Demonstration. Das Bundesverfassungsgericht hatte ihr den Status in einer Eilentscheidung am 12. Juli 2001 aberkannt und entschieden, daß weder die Love Parade noch die Fuckparade in der gegebenen Art ihrer Aufmachung und Erscheinungsweise als politische Demonstrationen zu werten seien, da Massenparties, die der bloßen Zurschaustellung eines Lebensgefühls dienten, nicht durch die im Grundgesetz garantierte Versammlungsfreiheit geschützt seien. Die drei Richter, deren Durchschnittsalter knapp über 60 Jahre lag, hatten sich wohl vor dieser Entscheidung vornehmlich mit dem Phänomen Love Parade und weniger mit dem Wesen und der Struktur der Fuckparade befaßt. Rechtlich gesehen war eigentlich die Fuckparade interessanter, die den radikaleren, politisierten Teil der Rave-Bewegung repräsentiert und massive Kritik an der weichgespülten Techno-Kultur à la Love Parade formuliert. Die Veranstalter der Fuckparade wollen – anders als die Planetcom – gegen die Aberkennung des Demonstrationsstatus durch das Bundesverfassungsgerichts klagen. [Baumgärtel, T. (2001): PRO – Keine Banner, keine Chöre. STREITPUNKT Love Parade: Ist Abfeiern politisch? Und was hat die Abfallbeseitigung mit der Versammlungsfreiheit zu tun?, in: Berliner Zeitung vom 21. Juli 2001]
Die Millionen, die die Love Parade in den vergangenen zwölf Jahren besuchten, dürften sowieso die Situation völlig anders sehen. Für sie war die Love Parade nicht nur ein Gemeinschaftserlebnis, sondern auch eine kurzzeitige Aufhebung des Alltags und der sozialen Ordnung. Wer einmal erlebt hat, wie eine feiernde Menge für eine bestimmte Zeit einen Stadtteil übernimmt, weiß, daß das ein Vorgang mit emanzipatorischer und politischer Power ist. Die Polizei schätzte, daß dieses Jahr trotz der Terminverschiebung mindestens 800.000 Menschen in den Tiergarten gekommen und dem Aufruf "Join the Love Republic" (Mach mit bei der Liebesrepublik) gefolgt waren. Die Organisatoren, die zunächst nur mit 400.000 Teilnehmern gerechnet hatten, sprachen schließlich von 1,2 Millionen, die zum sommerlichen Liebestanz gekommen waren. Somit tanzten gemäß Schätzung der Veranstalter durchschnittlich knapp 27.000 Raver um jeden der 45 Musikwagen, nach Schätzung der Polizei knapp 18.000 Raver.
Vergleiche auch die Berichte zu den jährlichen Paraden in Berlin und
Zürich, die unter der folgenden URL zu finden sind:
http://www.drogenkult.net/?file=text007
Allen Machenschaften zum Trotz: No Love Parade 2004!
Hintergründe zur Fuckparade
Die Love Parade GmbH, eine auf Gewinnstreben ausgelegte Kapitalgesellschaft, verlangte für jeden Musikwagen mehrere Tausend Mark Anmeldegebühr, so daß viele Berliner Szene-Klubs, in denen nicht wenige die groß präsentierten Musiktitel entstanden, keine Teilnahmechancen hatten. Zudem kassierte die Love Parade GmbH jährlich aus den Verkäufen von Bildrechten und Werbeeinnahmen Beträge in Millionenhöhe. Kurzum, die Love Parade GmbH nutzte über Jahre hinweg für ihre Tanzparade in Berlin den Status einer Demonstration und die damit verbundene Förderung mit Steuergeldern (Kosten für Absperrungen und Reinigung zu Lasten der Staatskasse) und konnte so Gewinne in Millionenhöhe erwirtschaften.
Um gegen diesen Mißbrauch des Versammlungsrechtes wie auch gegen den damit einhergehenden Trend zur Kommerzialisierung der Berliner Technoszene ein Signal zu setzen, haben sich 1996 vor allem politisch redlich denkende Raver vom Umfeld der Love Parade und ihre Macher distanziert und ab 1997 jeweils am Tag der Love Parade zu einer Demonstration gegen diesen Mißbrauch und vor allem auch gegen diese Kommerzialisierung aufgerufen und sich zur Veranstaltung der Hateparade (1997) respektive Fuckparade (ab 1998) versammelt. Somit war den Behörden in Berlin spätestens ab der Anmeldung der Hateparade im Juli 1997 durch DJ Trauma XP der Tatbestand bekannt, daß die Love Parade keine Demonstration im Sinne des Versammlungsrechtes war, sondern eine kommerzielle Tanzveranstaltung. Dennoch duldeten die Polizeibehörden die Love Parade als Demonstration, weil sie so viel Geld und Touristen in die Stadt holte wie keine andere Großveranstaltung. Rechtlich natürlich wäre zu prüfen, ob diese Duldung seitens der Polizei nicht auch einen Straftatbestand erfüllte, weil durch diese Duldung Profite von privaten Kapitalgesellschaften unzulässig mit Steuergeldern gefördert wurden.
Demonstrationsaufruf
von Thomas Rupp (DJ moog_t.) und Martin Kliehm (DJ
Trauma XP)
Berlin ist eine Stadt der Kulturen, der Szenen und Nischen auch für Künstler und Musiker aller Richtungen. Nach Berlin zieht es die Menschen, um unabhängig von Politik und Kommerz hier leben zu können. Durch die fortschreitende Vereinnahmung durch Kommerz, Mainstream und Spekulantentum wird die kulturelle Verödung ganzer Stadtteile vorangetrieben!
Subkultur hat einen sozialen Wert, keinen kommerziellen. Für kreative Menschen ist sie Sozialisationsort, Rückzugsmöglichkeit und kulturelles Experimentierfeld. Subkultur ist der Nährboden kultureller Entwicklung, sie legt vom Mainstream verdrängte Probleme offen und arbeitet sie auf, sie lebt Toleranz durch Vielfalt und Andersartigkeit und schafft Kunst und Kultur ohne beschränkende kommerzielle Zwänge. Wir fordern den Erhalt und die Akzeptanz selbstbestimmter Räume, die finanzielle Unterstützung von kulturellen und alternativen Projekten!
Wir fordern ein erleichtertes Konzessionsverfahren für temporäre kulturelle Projekte. Bürokratische, teure und langwierige Genehmigungsverfahren drängen viele nichtkommerzielle Projekte und Aktionen in die Illegalität. Mehr Toleranz im Umgang mit nicht herkömmlichen Veranstaltungen bedeutet ein "Mehr" an lebendiger Stadt. Subkultur ist kein Verbrechen!
Mehr Kommunikation sorgt für die Aufhebung von Mißverständnissen zwischen Allgemeinheit und Subkultur. Daher fordern wir eine ernsthafte Auseinandersetzung mit Subkultur in den Medien!
Wir kämpfen auch um das Recht, unser Anliegen in den uns eigenen Ausdrucksmitteln vorzubringen. Deshalb fordern wir, Musik als zeitgemäßes politisches Ausdrucksmittel nicht weiter auszugrenzen und als Demonstrationsmittel anzuerkennen!
Berlin, den 27. Juni 2004
Redaktion Webteam Eve & Rave e.V. Berlin
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