Schweizer Drogenpolitik
Ja zur Heroinabgabe, nein zur Cannabislegalisierung
Redaktion Webteam www.eve-rave.net Berlin
Pressemitteilung vom 20. Dezember 2006 zur schweizer Drogenpolitik
Der Nationalrat (große Parlamentskammer,
Volksvertretung) hat die Teilrevision des Betäubungsmittelgesetzes
(BetmG) mit 108 zu 65 Stimmen verabschiedet. Im Zentrum der
BetmG -
Teilrevision
steht die Verankerung der Vier
-
Säulen
-
Politik:
Prävention, Therapie, Überlebenshilfe und Repression.
Anträge der Fraktion der Schweizerischen Volkspartei (SVP) sowie
der Fraktion der Evangelischen Volkspartei (EVP) und der
Eidgenössisch
-
Demokratischen
Union (EDU), die auf eine Streichung der Heroinabgabe bei der
Teilrevision des Betäubungsmittelgesetzes hinausliefen, wurden
abgelehnt. Im Gegensatz zur Bundesrepublik Deutschland konnten sich in
der Schweiz in der Frage betreff Heroinabgabe die fundamentalistischen
Kräfte aus dem konservatven Lager nicht durchsetzen.
Der Bundesrat (Regierung) empfiehlt dem
Parlament die »Hanf-Initiative« zur Ablehnung: Der
Bundesrat hat die Botschaft zur Volksinitiative »für
eine vernünftige Hanf-Politik mit wirksamem Jugendschutz«
zuhanden des Parlaments verabschiedet. Er lehnt die Initiative ohne
Gegenvorschlag ab. Das Volk (die Stimmberechtigten, der Souverän)
wird in einer Abstimmung, die vermutlich im Jahr 2009 stattfinden wird,
über die Cannabislegalisierung abstimmen.
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Heroinabgabe
Die Heroinabgabe respektive die
Originalstoffabgabe (diamorphingestützten Behandlung) bezeichnet
die medizinische Verschreibung von Diacetylmorphin (Heroin) an
heroinabhängige Personen, bei denen alle anderen Therapieversuche
gescheitert sind. Die
Wirksamkeit der Heroinbehandlung wurde durch mehrere
Forschungsprojekte in der Schweiz, in Deutschland in in den
Niederlanden belegt. Danach geht es etwa 80 Prozent der mit Heroin
behandelten schwer abhängigen kranken Personen deutlich besser,
der Beikonsum anderer Drogen ist signifikant niedriger als bei der
Methadonbehandlung. Ihre körperlichen
Beschwerden nehmen ab und die Lebenserwartung nimmt zu. Sie gehen
häufig einer geregelten Arbeit nach und
sind sozial besser integriert. Der Kreislauf von
Beschaffungskriminalität und
Verelendung wird gestoppt. Die volkswirtschaftlichen Gesamtkosten
liegen
unter denen der Methadonbehandlung. Forscher schließen aus den
Ergebnissen der Begleitstudien, daß die Heroinabgabe nicht zu
einer Verharmlosung des Heroingebrauchs geführt hat. Im Gegenteil,
durch die Medizinalisierung des Heroins habe für potentielle
Einsteiger eine Verschiebung des Images des Heroinkonsums als
rebellischer Akt zugunsten einer »Verliererdroge«
stattgefunden. Im Kanton Zürich, wo die Heroinabgabe seit 1994
praktiziert wird, ist die Zahl der Neueinsteiger in die
Heroinabhängigkeit (Inzidenz) von 850 Personen pro Jahr zu Beginn
der 90er Jahre auf noch etwa 150 Personen pro Jahr um die
Jahrtausendwende gesunken. Da der Ausstieg trotz diverser
Therapieangebote nur wenigen gelang, sank die Gesamtzahl der
heroinabhängigen Personen (Prävalenz) in den letzten zehn
Jahren nur geringfügig um 900 von 7.100 im Jahr 1996 auf 6.200 im
Jahr 2005 respektive um 13%. Die Befürchtungen der Gegner der
Heroinabgabe, daß diese zu einer Verharmlosung des
Heroingebrauchs führen würde, was eine Zunahme von
Neueinsteigern zur Folge hätte, haben sich als unbegründet
erwiesen. Die Zahl der Neueinsteiger pro Jahr ist seit Einführung
der Heroinabgabe im Kanton Zürich um mehr als 80% gesunken.
Schweiz: Volksabstimmungen zur Heroinabgabe
In der Schweiz gab es in verschiedenen
Städten wie auch auf Bundesebene mehrere Volksabstimmungen betreff
Heroinabgabe. Bei der Volksabstimmung in der Stadt Zürich am 1.
Dezember 1996 votierten 62,9% für die ärztlich kontrollierte
Heroinabgabe. Im Wahlkampf engagierten sich nicht nur die Mehrheit der
Parteien und der im gesundheitsbereich tätigen Verbände
für die Heroinabgabe, sondern auch die gesamte Spitze der
Stadtpolizei, obwohl damals das Polizeikorps mehrheitlich die
Drogenabgabe ablehnte. Bei der Abstimmung zur Fortführung der
kontrollierten Heroinabgabe in Zürich vom 29. November 1998
votierten 67,8% für die Heroinabgabe und am 26. September 2004
stimmten 75,1% der Zürcher für die Fortführung der
Heroinabgabe. Der Anteil der Ja-Stimmen hat in den letzten Jahren
massiv zugenommen. Auch in Winterthur (Kanton Zürich) stimmten die
Wahlberechtigten zweimal über die Heroinvergabe ab. 1995 votierten
dort 51,3% und 1998 59,1% für die Heroinvergabe. Im Kanton
Basel-Stadt haben die Stimmberechtigten die Heroinabgabeprojekte im
Juni 1994 mit einem Ja-Stimmenanteil von fast 66% unterstützt und
im Kanton Zug wurde die von der Schweizerischen Volkspartei (SVP)
lancierte Initiative »für eine abstinenzorientierte
Drogenpolitik«, die sich insbesondere gegen die Heroinvergabe
richtete, im September 1995 mit 74% Nein-Stimmen wuchtig verworfen.
Auf Bundesebene wurde am 28. September 1997 in der Schweiz über
die von der SVP protegierte Volksinitiative »Jugend ohne Drogen«
abgestimmt. Die Initiative wandte sich gegen alle Maßnahmen, die
nicht direkt auf Abstinenz ausgerichtet sind. Vor allem ein Dorn im
Auge war den Initianten die ärztlich verordnete Abgabe von Heroin.
Das Volk hat der Initiative mit 70,6% Nein-Stimmen eine deutliche
Absage erteilt. In der Stadt Zürich stimmten sogar 76,6%, in
Basel-Stadt 81,5% und in Genf 82,0% gegen die Initiative, die eine
einseitige, restriktive, direkt auf Abstinenz ausgerichtete
Drogenpolitik durchsetzen wollte. Die Bürger/innen der Schweiz
haben sich sicher nicht leicht getan, bei »Jugend ohne Drogen«
das NEIN anzukreuzen, denn der Name des Volksbegehrens klang
verführerisch. Menschenwürde und
Verantwortungsbewußtsein obsiegten jedoch über Illusion und
Dogmatismus. Am 13. Juni 1999 wurde in der Schweiz zum (befristeten)
Bundesbeschluß über die ärztliche Verschreibung von
Heroin abgestimmt. Die Zustimmung war mit 54,5% knapp ausgefallen. In
den großen Städten und in den Regionen, in denen die meisten
Abhängige an der Heroinvergabe teilhaben, fiel die Zustimmung
deutlich stärker aus: Basel-Stadt: 69,3%, Stadt Zürich:
69,2%, Basel-Land: 65,0% und die Kantone Zug und Zürich je 62,8%.
Hier war man froh um eine Politik, die sich an Lösungen und nicht
an Ideologien orientiert; will heißen: Abhängige von Herion,
die sich vorerst nicht für eine abstinenzorientierte Therapie
gewinnen lassen, sollen nicht auf die Straße zurückgeschickt
und kriminalisiert werden. Fazit: Heroinabgabe ist Mehrheitsfähig.
Heroinabgabe soll in der Schweiz gesetz werden
Der Nationalrat hat am 20. Dezember 2006 die
Teilrevision des Betäubungsmittelgesetzes (BetmG) mit 108 zu 65
Stimmen verabschiedet. Im Zentrum der BetmG-Teilrevision steht die
Verankerung der Vier-Säulen-Politik als Grundlage der Schweizer
Drogenpolitik. Die Cannabis-Problematik soll in einem separaten zweiten
Schritt angepackt werden. Der Nationalrat will, daß die
staatliche Heroinabgabe als Therapieform für Abhängige, bei
denen keine andere Behandlung erfolgreich war, weitergeführt wird.
Er hat die Anträge der SVP- und EVP/EDU
-
Fraktion
mit 111 zu 73 Stimmen bei 7 Enthaltungen abgelehnt, die auf eine
Streichung der Heroinabgabe bei der Teilrevision des
Betäubungsmittelgesetzes hinausliefen. Die jetzt zur definitiven
Verankerung vorgesehene Heroingestützte Behandlung ist
international ein Modellfall und vermochte den Gesundheitszustand und
die soziale Integration Drogenabhängiger nachweislich massiv zu
verbessern und ihre Zahl zu stabilisieren. Dem angekündigten
Referendum gegen die Verankerung der heroingestützten Behandlung
im Gesetz sehen die Befürworter mit großer Gelassenheit
entgegen, da das Volk bereits in mehreren Abstimmungen diese
Bahandlungsmethode gutgeheißen hat. Bundesrat Pascal Couchepin
(Gesundheitsminister) verwies in der Debatte zur Teilrevision des BetmG
auf die Erfolge der heroingestützten
Behandlung und auf die strengen Voraussetzungen, die für einen
Einstieg
in das Heroinabgabeprogramm erfüllt sein müßten.
Wörtlich sagte er: »Wir müssen in der
Lage sein, auch mal zuzupacken und die Leute dort abzuholen, wo sie nun
mal feststecken und versuchen, sie aus dem Sumpf zu ziehen.«
Wortprotokoll der Nationalratsdebatte vom 20. Dezember 2006
http://www.parlament.ch/ab/frameset/d/n/4715/236568/d_n_4715_236568_236729.htm
Medienmitteilung der Nationalen Arbeitsgemeinschaft Suchtpolitik NAS-CPD
http://www.infoset.ch/de/Dokumente/2006_12_mm_nas_betmg.pdf
(PDF, 2 Seiten, 340 KB)
Medienmitteilung des Fachverbandes Sucht
http://www.fachverbandsucht.ch/aktuellfiles/communique_201206.pdf
(PDF, 1 Seite, 60 KB)
Hintergrundinformationen zur Teilrevision des BetmG
http://www.infoset.ch/de/suchtpolitik/revision_betmg/teilrevision.shtm
Heroingestützte Behandlung in der Schweiz (Karte mit den 23
Behandlungsstellen)
https://www.unizh.ch/isgf/ssl-dir/hegebe/frame1.html
Institut für Sucht- und Gesundheitsforschung der Uni Zürich
(Begleitforschung zur Heroin gestützten Behandlung)
http://www.suchtforschung.ch/hegebe/aa_hegebe.html
Arbeitsgemeinschaft
für risikoarmen Umgang mit Drogen (Medienmitteilungen)
http://www.arud.ch/media/neu/presse.gif
Politische Parteien in der Schweiz
http://de.wikipedia.org/wiki/Politische_Parteien_in_der_Schweiz
Deutschland: Kontrollierte Heroinabgabe steht vor dem Aus
Am 21. November 2006 ist in einem Gespräch
der Fraktionsspitzen der Union
(CDU/CSU) und der Sozialdemokraten (SPD) eine Entscheidung zum Fortgang
der diamorphingestützten
Behandlung gefallen. Die Union war nicht bereit, eine
Gesetzesinitiative mitzutragen, die eine Überführung der
Diamorphinbehandlung in eine Regelversorgung ermöglichen
würde.
Lediglich eine Weiterbehandlung der Patient/innen in der Studie
käme
für die Union in Frage. In einer Pressemitteilung hält die
Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Sabine Bätzing, fest,
daß diese Entscheidung »nicht nachvollziehbar«
sei. Die Position der Bundestagsfraktionen der Union ist auch deshalb
nicht
nachvollziehbar, weil sie sich gegen die Forderungen aus den
betroffenen, zumeist unionsgeführten Städten und einigen
CDU-geführten
Ländern, zur Fortsetzung der diamorphingestützten Behandlung
stellt.
Diese haben bereits eine langfristige Integration der Heroinabgabe in
das Drogenhilfesystem begonnen oder
setzen sie schon um. Die Städte sehen die Behandlung von
schwerstabhängigen Menschen mit Heroin als einen wichtigen und
wirksamen Baustein ihrer kommunalen Drogenhilfestrategie an und fordern
eine entsprechende Änderung des Gesetzes.
Von Seiten der Verbände wie auch von den
Oppositionsparteien wurde dieser Entscheid bedauert und heftig
krtisiert. Die Deutsche Gesellschaft für Suchtmedizin (DGS) hat in
einer Medienmitteilung die Entscheidung der Regierungskoalition »mit
Entsetzen zu Kenntnis« genommen. In dieser Medienmitteilung
heißt es, die bundesweite Studie unter Beteiligung von sieben
Großstädten habe schließlich bewiesen, daß
für die kleine Gruppe der Schwerstabhängigen Diazetylmorphin
(DAM) deutliche Vorteile gegenüber der zugelassenen Substanz
Methadon habe. Dies in Abrede stellen zu wollen, entbehre jeder
wissenschaftlichen Grundlage. Deutlich werde dies am zunehmenden
Durchschnittsalter der Opiatabhängigen in den Nachbarländern,
wo eine kontrollierte Heroinabgabe praktiziert wird und wo die Zahl der
Neukonsumenten dramatisch zurückgegangen ist. Die
Regierungskoalition stelle sich mit ihrem Beschluß gegen die
Mehrheit der bundesdeutschen Polizeipräsidenten, gegen die
Bundesärztekammer, gegen die Magistrate der an der Studie
beteiligten Städte und gegen die Mehrheit der bundesdeutschen
Suchtexperten.
Auch der Bundeverband für akzeptierende
Drogenarbeit (akzept e.V.) zeigte sich »entsetzt«
und bedauerte in einer Pressemitteilung, daß sich leider die
gewählten Volksvertreter/innen
durchgesetzt haben, die Ideologie vor Menschenleben setzen –
ein Skandal.
Es sei zu befürchten, daß wieder Strafbedürfnisse
Vorrang vor Humanität und Hilfe bekämen. Der Bundesverband
der Eltern und Angehörigen für akzeptierende Drogenarbeit
e.V. bekundete Wut und Betroffenheit über diese
menschenverachtende Entscheidung in seiner Pressemitteilung vom 22.
November 2006 und betonte, die Bundesregierung und nicht nur die
CDU/CSU habe die Heroinvergabe gestoppt. Wortlich heißt es in der
Mitteilung: »Wir glauben, die Kritik an der CDU/CSU greift zu
kurz! Die Sozialdemokraten (vor allem die Männerriege) wollten
nicht wirklich Heroin auf Rezept. Die haben nicht darum gerungen. Die
SPD läßt das Frauen
-
Dreigestirn
Schmidt (Gesundheitsministerin), Caspers-Merk (Staatssekretärin im
Gesundheitsministerium und frühere Drogenbeauftragte) und
Bätzing (Bundesdrogenbeauftragte) im Regen stehen. Für die
möglichen Folgen (Tod und Verelendung) werden wir auch die
Sozialdemokraten in die Verantwortung nehmen.«
Monika Knoche, Stellvertretende
Fraktionsvorsitzende DIE LINKE., sagte zur Einigung der
Koalitonsspitze, das Heroinmodell auslaufen zu lassen: »Die
Einigung der Koalitonsspitze, die Heroinbehandlung nur bei Denjenigen
zu Ende zu führen, die bereits in Behandlung sind, die
Heroinversorgung indes nicht in die Regelversorgung für
Schwerstabhängige zu überführen, ist vor dem Hintergrund
der positiven Ergebnisse der Heroinstudie absolut unverständlich.
Hier triumphiert ideologischer Fundamentalismus über
wissenschaftlichen Erkenntnissen. Schwerstabhängigen die
Behandlung vorzuenthalten ist unethisch.« Die
Bundestagsfraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN stellte in ihrer
Pressemitteilung fest, daß wegen ideologischer Engstirnigkeit die
Union nicht in der Lage sei, hier auf menschliches Leid angemessen zu
reagieren und erbringe somit einen erneuten Beweis ihrer
Unfähigkeit zur
gesellschaftspolitischen Modernisierung. Mehrere deutsche Städte
planen nun im kommenden Jahr offenbar einen Krisengipfel zur Rettung
der Heroin-Abgabe an Schwerstabhängige.
Pressemitteilung des Bundesministeriums für Gesundheit vom 27.
November 2006
http://www.trio-media.de/jesjournal/baetzing28.11.06.html
Pressemitteilung der Deutsche Gesellschaft für Suchtmedizin vom
24. November 2006
http://www.trio-media.de/jesjournal/DGS_PM_Ende_der_Heroinverordnung.pdf
Akzept zur Absage an das Heroinprojekt
http://www.trio-media.de/jesjournal/akzept_24.11.06.html
Bundesverband der Eltern und Angehörigen für akzeptierende
Drogenarbeit e.V.: Pressemitteilung vom 22. November 2006
http://www.trio-media.de/jesjournal/eltern22.11.06.pdf
DIE LINKE: Heroinmodell: Ideologischer Fundamentalismus triumphiert
über wissenschaftliche Ergebnisse
http://www.trio-media.de/jesjournal/linke_22.11.06.html
Das JES-Journal (Stellungnahmen der Städte und Landesregierungen)
http://www.trio-media.de/jesjournal/index.html
Webseite zur aktuell laufenden Heroinstudie
http://www.heroinstudie.de
Schweizer Bundesrat empfiehlt dem Parlament die »Hanf-Initiative«
zur Ablehnung
Der Schweizer Bundesrat (Regierung) hat am 15.
Dezember die Botschaft zur Volksinitiative »für eine
vernünftige Hanf-Politik mit wirksamem Jugendschutz«
zuhanden des Parlaments verabschiedet. Er lehnt die Initiative ohne
Gegenvorschlag ab. Die Initiative verlangt die Straflosigkeit des
Cannabiskonsums und der dazugehörigen Vorbereitungshandlungen,
eine Kontrolle des Angebotes, ein Werbeverbot für Cannabis und
eine Verstärkung des Jugendschutzes. Der Bundesrat meint in seiner
Botschaft, die offene Formulierung der Initiative täusche einen
Handlungsspielraum vor, der aufgrund der internationalen Abkommen nicht
gegeben ist, da eine Legalisierung von Cannabis gegen verschiedene
UNO-Konventionen verstoße, deren Kündigung für den
Bundesrat nicht in Frage komme, da diese Verträge unter anderem
eine Voraussetzung für den Verbleib der Schweiz im
Schengenabkommen seien.
Die Hauptgründe für die ablehnende
Haltung liegen somit nicht in den Substanzeigenschaften begründet,
sondern in der Bindung an internationale Abkommen. Diese
Einschätzung der Gegebenheit wird durch die Tatsache
bestärkt, daß dem Bundesrat die nicht gegebene Evidenz und
Effizienz der Bestrafung des Konsums von Cannabis und den
dazugehörigen Vorbereitungshandlungen durchaus bekannt sind. So
heißt es in der Botschaft:
»Die Prävalenz des Cannabiskonsums
steht gemäß internationaler Erfahrung in keinem direkten
Zusammenhang mit der Bestrafung oder der Strafbefreiung des Konsums. Es
läßt sich nicht nachweisen, daß Staaten mit einer eher
restriktiven Cannabispolitik tiefere Konsumentenzahlen ausweisen als
Staaten mit einer weniger restriktiven Cannabispolitik.
Als Beispiel einer weniger restriktiven Politik können die
Niederlande angeführt werden. Das in den Niederlanden seit Ende
1976 bestehende Coffee-Shop-Modell ist ansatzweise mit den Regelungen,
wie sie von den Initianten vorgeschlagene werden, vergleichbar.
Erklärtes Ziel der niederländischen Coffee-Shop-Politik ist
die Trennung der Märkte von harten und weichen Drogen, womit die
Umsteigegefahr bei Cannabiskonsumierenden verringert werden soll. Die
aus den Niederlanden erhältlichen Daten weisen darauf hin,
daß sich nach einer teilweise starken Zunahme des Cannabiskonsums
Ende des letzten Jahrhunderts (von 15% im Jahre 1992 auf 19% im Jahre
2003) die Zahlen stabilisert bzw. abgenommen haben. In Frankreich, das
eine eher her restriktive Drogenpolitik verfolgt, konnte ebenfalls eine
starke Zunahme des Cannabiskonsums zwischen 1992 und 2002 festgestellt
werden (von 11,3% auf 26,2%). Seit ca. 2002 haben die Zahlen über
Cannabiskonsum in Europa eine Nivellierung oder sogar eine Reduktion
erfahren.
Die beiden Beispiele lassen den Schluß zu, daß zwischen
der Konsumhäufigkeit und dem erleichterten Zugang zu
Cannabisprodukten kein linearer Zusammenhang besteht. Dies entspricht
auch verschiedenen Studien, die zum Schluß kommen, daß kein
Zusammenhang zwischen der Gesetzgebung eines Landes einerseits und dem
Konsumverhalten andererseits besteht.
In der Schweiz ist heute trotz des Verbots der Cannabiskonsum bei
Jugendlichen weit verbreitet und auch für einen nicht zu
vernachlässigenden Teil der erwachsenen Bevölkerung zu einer
Gewohnheit geworden. Verschiedene Studien weisen darauf hin, daß
die gesellschaftliche Akzeptanz des Cannabiskonsums zugenommen und der
Cannabiskonsum selbst häufig ohne eigentliches
Unrechtbewußtsein erfolgt. Die Strafbefreiung des Cannabiskonsums
sowie die beschränkte Tolerierung von Anbau und Verkauf von
Cannabis-Produkten könnte – gestützt auf die Erfahrungen der
Niederlande – eine Erhöhung des Probierkonsums bei Adoleszenten
und jungen Erwachsenen mit sich bringen. Es kann jedoch davon
ausgegangen werden, daß dieser Probierkonsum bei der
überwiegenden Mehrheit eine temporäre Erscheinung bliebe.«
Offensichtlich sich nicht pharmakologische, medizinische oder
gesellschaftspolitische Argumente ausschlaggebend für die
ablehnende Haltung zur Cannabislegalisierung gewesen, sondern
internationaler Druck. Deshalb kann eine Novellierung der Drogenpolitik
respektive der Cannabispolitik nur im internationalen Kontext erfolgen.
Erste Schritte in dieser Richtung hat das Europäische Parlament
mit der Annahme des »Catania Reports« bereits am 15.
Dezember 2004 eingeleitet, doch die Europäische Kommission hat
sich über diesen parlamentarische Vorstoß (in
undemokratischer Weise) hinweggesetzt und im EU-Drogenaktionsplan
(2005–2008) nicht berücksichtigt.
Medieninformation des Bundesamtes für Gesundheit vom 15. Dezember
2006
http://www.bag.admin.ch/aktuell/00718/01220/index.html?lang=de&msg-id=9772
Botschaft der Bundesrate vom 15. Dezember 2006
http://www.bag.admin.ch/themen/drogen/00042/index.html?lang=de&download=
M3wBPgDB/8ull6Du36WenojQ1NTTjaXZnqWfVpzLhmfhnapmmc7Zi6rZnqCkkIZ1gXqBbKbXrZ6lhuDZz8mMps2gpKfo
Das Europäische Parlament fordert eine Revision der
Drogenpolitik
Das
Europäische Parlament verlangt, daß die
nationale Drogenpolitik auf wissenschaftlichen Erkenntnissen im
Hinblick auf jeden Drogentyp und nicht auf einem emotionalen Impuls
basieren muß, da jedes drogenbezogene Problem einen spezifischen
Ansatz
erfordert, da eine Verallgemeinerung des Ansatzes die
Glaubwürdigkeit
aller Teilaspekte dieser Politik unterminiert. Ebenso ausschlaggebend
für die Glaubwürdigkeit und Effizienz ist für das
Parlament, daß auf
der Grundlage von Evaluierungen und Analysen eine Revision der
Politiken im Bereich der sogenannten »Suchtstoffe«
in Angriff genommen wird, um sie im Hinblick auf die angestrebten Ziele
effizienter und wirksamer zu gestalten. Deshalb empfiehlt das
Europäische Parlament dem Rat und dem Europäischen Rat, bei
der
Festlegung der künftigen europäischen Strategie zur
Drogenbekämpfung (2005-2012) und allgemein im Zusammenhang mit der
Drogenpolitik der
Europäischen Union unter anderem
– |
zu
berücksichtigen, daß die bislang bezüglich der sechs
Hauptziele der
Strategie der Europäischen Union zur Drogenbekämpfung
(2000-2004)
durchgeführten Evaluierungen bei keinem dieser Ziele positive
Ergebnisse erbracht haben, und die politischen und legislativen
Konsequenzen daraus zu ziehen, wenn die europäische Strategie zur
Drogenbekämpfung (2005-2012) sowie die entsprechenden
Aktionspläne
erarbeitet werden; |
– |
den
Evaluierungen der Umsetzung der sechs Hauptziele der Strategie der
Europäischen Union zur Drogenbekämpfung Rechnung zu tragen; |
– |
die
neue Strategie stärker auf wissenschaftliche Untersuchungen und
eine
eingehende und strukturelle Beratung mit den in diesem Bereich in den
Mitgliedstaaten tätigen Akteuren zu gründen; |
– |
die
neue Strategie der Europäischen Union zur Drogenbekämpfung
auf
rechtliche, institutionelle und finanzielle Grundlagen zu stellen, die
auf dem basieren, was sich als wirksam erwiesen hat, sowie auf der
Förderung der besten Praktiken; |
– |
die
soziale und wissenschaftliche Erforschung illegaler Stoffe
für einschlägige medizinische und soziale Zwecke zu
verstärken; |
– |
eine
detaillierte Evaluierung der Wirksamkeit der Umsetzung der
vorherigen Strategie durchzuführen; |
– |
die
neue europäische Strategie zur Drogenbekämpfung (2005-2012)
nicht
anzunehmen, ohne die tatsächlichen Ergebnisse zu kennen, die nach
den
einschlägigen technischen, wissenschaftlichen, legislativen und
politischen Evaluierungen mit der vorherigen Strategie erzielt wurden; |
– |
das
Europäische Parlament gemäß den Grundsätzen der
demokratischen
Legitimität, der Transparenz und der fairen Zusammenarbeit
zwischen den
Organen regelmäßig über den Stand der Verhandlungen
über die
europäische Strategie zur Drogenbekämpfung (2005-2012) im Rat
zu
unterrichten. |
Das
Europäische Parlament fordert die Entwicklung
präziser, quantifizierbarer und operationeller Ziele, um zu
untersuchen, ob und in welchem Umfang die Zielsetzungen und
Maßnahmen,
wie sie in der vorherigen Strategie zur Drogenbekämpfung
formuliert
waren, zu Ergebnissen geführt haben. Des weiteren fordert das
Parlament, daß die von den Drogen ausgehenden Gefahren unter
anderem
unter wissenschaftlichen, soziologischen und kulturellen
Gesichtspunkten nicht nur durch eine genaue Untersuchung der objektiven
und vergleichbaren Daten, sondern auch unter sorgfältiger
Beurteilung
aller anderen Folgen und Schäden für die Entwicklung der
Gesellschaft
analysiert werden müssen, um zu verhindern, daß bei der
Analyse der
zahlreichen Probleme im Zusammenhang mit Drogen eine zu starke
Vereinfachung betrieben wird. Das Europäische Parlament verlangt
zudem,
daß diese Analysen und Beurteilungen veröffentlicht werden.
Siehe hierzu: EU-Drogenpolitik: Demokratie und Recht am Abgrund!
http://www.eve-rave.net/abfahrer/presse/presse05-04-28.html
Fazit
Drogenpolitik wird nach wie vor oft nicht nach
Kriterien der Vernunft sondern aufgrund von fundamentalistischen
Überzeugungen gemacht (z.B. das Aus der Heroinabgabe in
Deutschland). Drogenpolitik wird oft auch nicht nach demokratischen
Regeln gestaltet, sondern auf Basis bestimmter machtpolitischer
Strukturen (z.B. europäische Strategie zur Drogenbekämpfung
2005-2012). Drogenpolitik unterliegt einem internationalen Reglement,
das von fundamentalistischen Lobbyisten (vornehmlich aus den USA)
bestimmt und kontrolliert wird. Dabei handelt es sich um die gleichen
Lobbyisten, die auf Basis von Täuschungen und Lügen
Angriffskriege anzetteln (z.B. Irak) und hunderttausende von
Menschenleben auf dem Gewissen haben. Wer hierzu schweigt, macht sich
mitschuldig.
In zwei bis drei Jahren wird in der Schweiz
über die Cannabislegalisierung abgestimmt werden. Es wird sich
zeigen, wie und auf welche Weise diese Lobbyisten versuchen werden,
Einfluß auf die schweizer Stimmberechtigten zu nehmen, und dabei
wird es sich auch zeigen, wie souverän der schweizer Souverän
(die Stimmberechtigten) wirklich ist . Die Frage ist, ob die
Staatengemeinschaft (unter Federführung der sogenannten christlich
abendländischen Wertegemeinschaft) vor der Abstimmung die Schweiz
mit wirtschaftlichen und anderen Sanktionen erpressen wird, ja, die
Frage ist, ob heute in der globalisierten Welt ein echter
demokratischer Entscheid – ein souveräner Entscheid aufgrund von
sachlichen Erkenntnissen – überhaupt noch möglich ist.
Gewiß ist, daß frei nur ist, wer seine Freiheit gebraucht.
Berlin, den 20. Dezember 2006
Redaktion Webteam
Eve & Rave e.V. Berlin
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