Anthrax im Umlauf
Tödliche Milzbrandinfektionen bei Heroinkonsumenten
Redaktion
Webteam www.eve-rave.net Berlin
Pressemitteilung vom 21. Januar 2010 zum Anthrax im Umlauf
Im
Dezember 2009 starb ein 42-jähriger Mann, der Drogen injiziert
hatte, in Aachen an Milzbrand (Anthrax). Seit Dezember sind in
Schottland 14 Heroinkonsumenten an Milzbrand erkrankt, von denen sieben
starben. Weitere Verdachtsfälle kamen vor wenigen Tagen hinzu. Ein
Konsument hat die Infektion durch Rauchen/Schnupfen bekommen. Es wird
nun vermutet, daß mit infektiösen Milzbrandsporen
verunreinigtes Heroin in Europa im Umlauf ist!
Es
ist nicht auszuschließen, daß weitere Fälle in
Deutschland auftreten werden oder sogar schon aufgetreten sind. Die
Deutsche Gesellschaft für Suchtmedizin (DGS) bittet deshalb, diese
Meldung an Beratungsstellen, Drob Inn Einrichtungen und Stellen
für Spritzen-Nadeltauschprogramme, Gesundheitsräume,
Arztpraxen und Aufnahmestationen von Krankenhäusern weiterzuleiten.
Druckerfreundliche Version
(PDF-Format, 72 KB, 3 Seiten):
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Milzbrand (Anthrax)
Milzbrand oder Anthrax ist eine
Infektionskrankheit, die durch Bacillus
anthracis verursacht wird und meist Paarhufer wie Rinder,
Schweine, Kamele, Ziegen und Schafe befällt. Der Erreger des
Milzbrands ist ein sauerstoffverbrauchendes und sporenbildendes
Stäbchenbakterium und wurde im Jahr 1849 durch den deutschen Arzt
Aloys Pollender in Wipperfürth entdeckt. Die Sporen können
unter Umständen Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte überleben.
Menschen können auch befallen
werden, wenn sie hohen Dosen von Milzbrandsporen ausgesetzt sind. Das
Risiko einer Übertragung von Mensch zu Mensch ist bei
entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen gering. Milzbrand beim Menschen
trat vor allem als Berufskrankheit bei Gerbereiarbeitern, bei Personal
aus der Verarbeitung von Fellen, Borsten und Haaren, aber auch bei
Hafenarbeitern und Transportarbeitern, die Umgang mit diesen
Materialien hatten, auf. Höhepunkte des Auftretens waren
Krisenzeiten der Lederindustrie, als vermehrt billige Importe aus
Regionen ohne oder mit geringer veterinärärztlicher Kontrolle
der Schlachtungen erfolgten. Mit dem Rückgang der Produktion in
diesen Gewerbezweigen und mit der zunehmenden
veterinärärztlichen Kontrolle in den Herkunftsländern
der Tierprodukte nahmen die Erkrankungsfälle so weit ab, daß
Milzbrandfälle heute äußerst selten geworden sind.
Informationsblatt des Robert Koch-Instituts zu Milzbrand
Das Robert Koch Institut (RKI) teilte
am 14. Januar 2010 mit, daß in Aachen ein 42-jähriger
Heroinkonsument am 13. Dezember 2009 an den Folgen von kutanem
Milzbrand (Hautmilzbrand) verstorben ist. Der Mann hatte sich
vermutlich Heroin intravenös in die Kniekehle injiziert. Im
Wundabstrich von der Injektionsstelle wurden aerobe Sporenbildner
diagnostiziert. Die Verdachtsdiagnose Milzbrand wurde am 18. Dezember
2009 mittels PCR bestätigt. In der Folge gab das RKI am 21. Januar
2010 eine Information für Drogenkonsumenten heraus, in der die
wichtigsten Fakten zusammengefaßt sind.
Im Dezember 2009 starb ein
42-jähriger Mann, der Drogen injiziert hatte, in Aachen an
Milzbrand (Anthrax). Seit Dezember sind in Schottland 14
Heroinkonsumenten an Milzbrand erkrankt, von denen sieben starben.
Weitere Verdachtsfälle kamen vor wenigen Tagen hinzu. Ein
Konsument hat die Infektion durch Rauchen/Schnupfen bekommen. Soweit
bekannt ist, hatte der Aachener Drogenkonsument keine direkte
Verbindung zu Schottland. Derzeit läßt sich eine gemeinsame
Infektionsquelle für den Fall in Aachen und die Fälle in
Schottland nicht ausschließen. Kontaminiertes Heroin könnte
somit auch in anderen Bundesländern und europäischen Staaten
vertrieben worden sein. Ärzte sollten bei entsprechender Anamnese
und klinischem Bild Milzbrand differentialdiagnostisch frühzeitig
in Erwägung ziehen, und schon bei Verdacht nach erfolgter
Probenentnahme eine Therapie einleiten. Die Prognose der Infektion kann
durch eine frühzeitige gezielte Antibiotikatherapie deutlich
verbessert werden.
Milzbrand ist eine in Deutschland
sehr seltene, bakterielle, Infektions-krankheit (vor Dezember 2009
datierte der letzte Fall von 1994), die unbehandelt oft zum Tode
führt. Darüber hinaus ist das Krankheitsbild bei Ärzten
kaum bekannt, so daß eventuell nicht immer frühzeitig daran
gedacht wird. Milzbrand kann mit Antibiotika behandelt werden. Die
Behandlung sollte frühzeitig begonnen werden. Einen zugelassenen
Impfstoff gibt es nicht.
Es wird nun vermutet, daß mit
infektiösen Milzbrandsporen verunreinigtes Heroin (eventuell auch
andere psychoaktive Substanzen, die man spritzen kann) in Europa im
Umlauf ist! Möglicherweise wurde das Heroin in einem der
Herkunftsländer, in denen Milzbrand als Erkrankung von Vieh
vorkommt, bei der Herstellung oder beim Transport mit Milzbrandsporen
verunreinigt (z.B. durch »Strecken«
des Stoffs mit Knochenmehl, Trocknen von Substanzen auf verunreinigtem
Erdreich oder Transport in Taschen aus Tiermaterial). Aktuell ist nicht
bekannt, wie viel verunreinigtes Heroin im Umlauf ist. Allerdings ist
davon auszugehen, daß ein Heroinkonsum mit dem Risiko einer
Milzbrandinfektion verbunden ist – vor allem dann, wenn die Substanz
injiziert wird. Das RKI rät:
Seien Sie auf
der Hut und informieren Sie andere Konsumenten über das
Milzbrand-Risiko!
-
Wichtig: Man sieht es dem Stoff nicht an, ob er mit
Anthraxsporen verseucht ist.
-
Deshalb: Sollten Sie Heroin konsumiert haben und spezifische
Krankheitssymptome entwickeln, wenden Sie sich bitte
SOFORT an einen Arzt! Bitten Sie unbedingt den Arzt darum, daß er
bei
der Diagnostik an eine Milzbrand-Infektion (Haut, Lunge, Darm) denken
soll!
- Die
neu aufgetretene
Milzbrand-Gefahr erhöht die gesundheitlichen Risiken des
Drogenkonsums
zusätzlich: Bitte beenden Sie Ihren Drogenkonsum! Mitarbeiter/innen von
Kontaktläden, Drogenkonsumräumen, Drogenberatungsstellen,
Suchtmediziner und Entzugs-/Rehabilitationskliniken helfen Ihnen dabei.
-
Falls
Sie ärztlich substituiert
werden und zusätzlich Heroin konsumieren, versuchen Sie,
wenigstens in
der nächsten Zeit, damit aufzuhören bzw. zu reduzieren!
Übertragungswege:
Man kann sich mit Milzbrand infizieren, wenn man verunreinigten Stoff
(z.B. Heroin)
Symptome von Milzbrand:
Nach
Spritzen verunreinigten Stoffes droht Hautmilzbrand (häufigste
Form) oder aber auch eine Hirnhautentzündung, die sich durch
starke Kopfschmerzen äußert.
Hautmilzbrand:
An der Injektionsstelle bildet sich eine Schwellung, Rötung und
Hautverhärtung. Diese ist typischerweise kaum schmerzhaft. Ein
Abszeß (eine Eiteransammlung) oder Blasen können sich
bilden, dann trocknet der Bereich ein und bildet eine Nekrose, das
heißt eine dunkle, fast schwarze Stelle (daher der Name »Anthrax«) aus abgestorbenen
Zellen. Bei einer weiteren Ausdehnung der Krankheit treten neue
Bläschen auf. Wenn diese Bläschen sich verbinden, entsteht
ein Milzbrandkarbunkel, welches, wenn es Anschluß an ein
Blutgefäß bekommt, zu einer Blutvergiftung führen kann.
Es folgt eine Schwellung der gesamten Region (z. B. des Arms),
daraufhin ein sehr schweres Krankheitsbild, das rasch zum Tod
führen
kann. Hautmilzbrand wird mit systemischem Penicillin G behandelt. Haut-
und Lungenmilzbrand waren früher häufige Berufskrankheiten
von Fleischern und insbesondere Gerbern.
Nach
Rauchen/Schnupfen verunreinigten Stoffes droht Lungen- oder
Darmmilzbrand.
Lungenmilzbrand:
Es kommt zu einer grippeartigen Erkrankung (Fieber, Schüttelfrost,
Muskelschmerzen, Husten mit blutigem Auswurf, Atemnot) und innerhalb
der nächsten Tage zu einem schweren, fast immer tödlichen
Krankheitsbild. Die Inkubationszeit beträgt einige Tage bis zu
mehrere Wochen. Die Krankheit beginnt unspezifisch und
grippeähnlich mit Husten, es folgen hohes Fieber,
Schüttelfrost und Atemnot. Das ausgehustete Sekret ist
hochinfektiös. Auch mit sofortiger antibiotischer Therapie ist die
Letalität (Sterbensrate) an Lungenmilzbrand sehr hoch, da mit dem
Auftreten der Symptome eine massive Freisetzung der Milzbrandtoxine
bereits stattgefunden hat. Der Tod tritt meistens innerhalb von drei
bis sechs Tagen unter dem Bild eines septischen Schocks ein.
Darmmilzbrand: Es treten
Bauchschmerzen, Blähungen, blutiges Erbrechen und blutiger
Durchfall auf, welche Zeichen einer blutigen Darmentzündung sind.
Die Keime verbreiten sich über den ganzen Körper, es kann zu
einer Blutvergiftung und einem Herz- und Nierenversagen kommen.
Über 50 % der Erkrankten sterben. Dies ist die seltenste Form von
Milzbrand. Darmmilzbrand wird mit Breitbandantibiotika wie
Ciprofloxacin behandelt.
Quellen:
RKI: Milzbrand-Todesfall bei einem i.v. Drogenkonsumenten in
Nordrhein-Westfalen
http://www.rki.de/cln_160/nn_460940/DE/Content/InfAZ/A/Anthrax/Milzbrand-Todesfall__in__NRW.html?__nnn=true
RKI: Information für Drogenkonsumenten; Anthrax, Milzbrand,
Bacillus anthracis
http://www.rki.de/cln_160/nn_205760/DE/Content/InfAZ/A/Anthrax/Anthrax__node.html?__nnn=true
Wikipedia: Milzbrand
http://de.wikipedia.org/wiki/Milzbrand
dgs-info extra, 17.Januar 2010: Tödliche Milzbrandinfektion bei
einem Heroinkonsumenten in Aachen
http://www.dgsuchtmedizin.de/newsletter/fruehere-ausgaben/dgs-info-extra-17januar-2010-toedliche-milzbrandinfektion-bei-einem-heroinkonsumenten-in-aachen/
dgs-info extra, 21. Januar 2010: Anthrax. RKI-Informationsblatt
für Drogenkonsumenten
http://www.dgsuchtmedizin.de/newsletter/fruehere-ausgaben/dgs-info-extra-21-januar-2010-anthrax-rki-informationsblatt-fuer-drogenkonsumenten/
Berlin, den 21. Januar 2010
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