Pressemitteilung zur Sechzehnten Verordnung zur
Änderung betäubungsmittelrechtlicher Vorschriften


Redaktion Webteam www.eve-rave.net Berlin
Pressemitteilung vom 11. Januar 2002 zur 16. BtMÄndV

Druckerfreundliche Version (PDF-Format, 124 KB, 4 Seiten):
http://www.eve-rave.net/abfahrer/presse/presse02-01-11.pdf


GHB (Gamma-Hydroxy-Buttersäure) fällt ab dem 1. März 2002 in Deutschland unter die betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte gibt dazu auf seiner Homepage bekannt:

Erläuterungen zur 16. Verordnung zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher Vorschriften vom 28. November 2001: Zweck der 16. BtMÄndV war es, zwei Stoffe (Zolpidem und Gamma-Hydroxybuttersäure) gemäß dem Beschluß der Commission on Narcotic Drugs (CND) vom März 2001 in Wien dem BtMG zu unterstellen sowie Isocodein in Anlage II einzuordnen, was lediglich bei der Neufassung der Anlagen anläßlich der 15. BtMÄndV versehentlich unterblieben war.
 
Quelle: http://www.bfarm.de/de_ver/betaeubungsm/btmg.html#16

Die Sechzehnte Verordnung zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher Vorschriften (16. BtMÄndV) ist als PDF-Datei (1 Seite, 10 KB) unter folgender Adresse im Netz abrufbar:
 
16. BtMÄndV: http://www.eve-rave.net/download.sp?file=aendver16

Bemerkenswert ist, daß auf der Homepage des BMG  http://www.bmgesundheit.de  bislang kein Hinweis auf diese Änderung der Anlagen zu § 1 BtMG zu finden ist. In Sachen Informationspolitik gleichen sich CSU, Grüne und SPD (die in dieser Abfolge die Federführung im BMG inne hatten) doch sehr stark!

 
GHB in Deutschland

Bis 1997 war der Gebrauch von GHB als Freizeitdroge in Deutschland wenig verbreitet. Dies änderte sich jedoch schlagartig nach einer bundesweiten Pressekampagne, die der damalige Bundesdrogenbeauftragte Eduard Lintner (CSU) vor der Love Parade in Berlin im Juni 1998 inszinierte. Unter Berufung auf die »Welt am Sonntag« vom 21. Juni 1998 und auf diverse Nachrichtenagenturen (AFP: Neue Designer-Droge in deutscher Techno-Szene aufgetaucht – Zahl der Drotgentoten drastisch gestiegen. Agenturmeldung vom 20.06.1998. DPA: Mehr Drogentote – Drogenbeauftragter warnt vor »Liquid Ecstasy«. Agenturmeldung vom 21.06.1998. AP: Bundesregierung warnt vor neuer Designerdroge. Agenturmeldung vom 21.06.1998) erschienen unter Ängste schürende Überschriften Artikel zu einer angeblich neuen Designerdroge namens »Liquid Ecstasy«, in denen der Bundesdrogenbeauftragte Eduard Lintner zitiert wurde:

»Wie bei Ecstasy-Tabletten handelt es sich um eine höchst gefährliche Substanz, die zunächst euphorisiert, dann Übelkeit, Erbrechen und Atemnot bis zu schweren Atembeschwerden, Anfällen und Kommazuständen erzeugt. [...] Den Konsumenten, die meist aus der Techno-Szene stammen, droht ein totaler Horrortrip.« Weiter hieß es, in Diskotheken in Herford und Bielefeld seien größere Mengen sichergestellt worden. Keine der oben bezeichneten Nachrichtenagenturen und kaum eine Zeitung meldete jedoch, als sich herausstellte, daß die Bielefelder Drogenfahnder keinen einzigen Tropfen »Liquid Ecstasy« beschlagnahmten und daß »Liquid Ecstasy« keine neue Designerdroge ist, sondern ein verschreibungspflichtiges Medikament, das unter dem Namen »Somsanit« im Handel erhältlich ist. »Somsanit« ist ein eingetragenes Warenzeichen der Dr. Franz Köhler Chemie GmbH. Anwendungsgebiete des im allgemeinen intravenös verabreichten Medikamentes sind: Kaiserschnittentbindungen und Geburtsanästhesie, Unfallchirurgie und Risikofälle aller Art, langandauernde Operationen, Herzkathetisierung, Neurochirurgie und Kinderchirurgie.

Daß Lintner, der der Techno-Szene äußerst Medienwirksam den »totalen Horrortrip« verausgesagt hatte, am folgenden Montag von seinem Szenario abrückte, war kaum in einer Zeitung nachzulesen. Eine der wenigen erhellenden Ausnahmen stellte in diesem Fall der Kölner Stadtanzeiger dar. Axel Spilker berichtete in der Ausgabe vom 23.06.1998 über die Falschmeldung des Bundesdrogenbeauftragten ausführlich unter der Überschrift: Lintner tritt den Rückzug an. Vermeintliche Superdroge »Liquid Ecstasy« existiert nur in der Phantasie.

Bis Sommer 1998 wurde GHB in Deutschland außer als Arzneimittel in der Chirurgie vorwiegend nur als Leistungssteigerungsmittel (Doping-Stoff) im Bereich des Hochleistungssports und von Body-Buildern gebraucht. In der Partyszene war GHB bis dahin wenig verbreitet und kaum bekannt. Erst durch die vom Bundesdrogenbeauftragten ausgelöste Berichterstattung in den Medien wurden viele auf diesen sogenannten »neuen« Stoff aufmerksam und GHB hielt rasch einzug in diverse Gesellschaftskreise, so auch in der Party- und Technoszene.

Die Überschriften der Agenturmeldungen, die einen Anstieg der Zahl der Drogentoten mit dem Konsum von GHB in der Szene verknüpften, haben mit der Realität überhaupt nichts zu tun. So kann man im Bericht »Report on the Risk Assessement of GHB in the Framework of the Joint Action on New Synthetic Drugs« der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA) vom 29.09.2000 nachlesen, daß in der Europäischen Union im Zeitraum vom September 1995 bis Jannar 2000 insgesamt 11 Todesfälle im Zusammenhang mit dem Konsum von GHB jenseits des medizinischen Gebrauchs registriert wurden (4 Fälle in England, 4 in Schweden, 2 in Finnland und ein Fall in Dänemark). Todesursache war zumeist Drogenmischkonsum, wobei vor allem die Kombination von Alkohol und GHB als lebensgefährlich einzustufen ist. Im klinischen Bereich wurden dagegen etwa 200 Fälle von Überdosierung mit GHB registriert, vor allem in Schweden, England, Holland, Dänemark, Belgien, Finnland, Spanien und Norwegen.

Zum Vergleich: Bis im Juli 1999 sind 564 Todesfälle bekannt geworden, die im Zusammenhang mit der Einnahme von Sildenafil (Viagra) stehen. Pro Million Verschreibungen von Viagra entspricht dies einer Todesrate von 49 Fällen. (JAMA, Medical News & Perspectives, Vol. 283 No. 5, February 2, 2000). Das Risiko, nach der Einnahme von Viagra zu sterben, liegt somit bei 1 zu 20.500. Das Risiko, an Ecstasy zu sterben, ausgedrückt durch das Verhältnis der Zahl der Todesfälle zu jener der Ecstasy-Konsumenten, ist dagegen sehr klein. Es liegt minimal bei einem Todesfall auf 17.000.000 Konsumenten bis maximal einem auf 1.000.000 Konsumenten. (Schweizerisches Bundesgericht, BGE, 125, 90 ff; Aktenzeichen 6S.288/1998/rei; Entscheid Kassationshof, Sitzung vom 21.04.1999).

 
GHB (Gamma-Hydroxybutyrat, Liquid Ecstasy)

Substanz


GHB (Gamma-Hydroxybutyrat) ist ein Narkotikum (Narkosemittel) mit hypnotischen (einschläfernden) Eigenschaften ohne analgetische (schmerzstillende) Wirkung. GHB ist ein Metabolit (im biologischen Stoffwechsel umgesetzter Stoff; Zwischenprodukt beim Stoffwechsel; im Organismus synthetisierter Stoff) des im zentralen Nervensystem dämpfend wirkenden Neurotransmitters GABA (Gamma-Aminobuttersäure) und befindet sich auch selbst als eigenständiger Neurotransmitter im menschlichen Körper. GHB wurde 1960 erstmals synthetisiert und seitdem auch als Arznei eingesetzt. Es wird, da es in der Technoszene zur Stimmungsaufhellung und Luststeigerung als Flüssigkeit oral eingenommen wird, auch »Liquid Ecstasy« genannt, obwohl es in keiner Art mit Ecstasy (MDMA) verwandt ist. GHB bewirkt eine Stimulierung der Wachstumshormone und begünstigt den Fettstoffwechsel. Deshalb wird GHB von BodybuilderInnen als Aufbausubstanz eingenommen.

Wirkung

Die Wirkung setzt nach oraler Einnahme nach ca. 10 bis 30 Minuten ein und wirkt für etwa 3 Stunden, in seltenen Einzelfällen aber erheblich länger, d.h. bis zu einem ganzen Tag. Eine Dosis von 0,5 g bis 1,5 g wirkt antidepressiv, anxiolytisch (angstlösend), leicht euphorisierend und sozialisierend. Eine Dosis von 1,5 g bis 2,5 g bewirkt vor allem auf der körperlichen Ebene eine verstärkte sexuell anregende Sensibilität. Deshalb wird GHB als Kuscheldroge und Sexdroge eingenommen. Bei zu hohen Dosierungen (ab 2,5 g) geht das Glücksgefühl durch Müdigkeit und Übelkeit, oft mit Brechreiz verbunden, flöten. Als Hypnotikum (in Dosierungen bis zu 2,5 g oral verabreicht) wird GHB in der Medizin zur Behandlung der Narkolepsie (Störung der Schlaf- und Wachstruktur) gebraucht und als Narkotikum (in Dosierungen von 5 g bis 7,5 g intravenös verabreicht) wird GHB in der Chirurgie eingesetzt. GHB wird innerhalb von zwei Stunden zu 98% metabolisiert (vorwiegend in der Leber zu besser ausscheidbaren Substanzen umgewandelt) und als Kohlenstoffdioxyd abgeatmet und ist dann im Körper nicht mehr nachweisbar.

Risiken und Nebenwirkungen

Die größten Risiken und Nebenwirkungen liegen in der Kombination mit Alkohol. Von dieser »Mischung« ist auf jeden Fall abzuraten!
GHB kann die Wirkung anderer zentralnervös wirksamer Substanzen verstärken (z.B. Verstärkung der atemdepressiven Wirkung der Opiate). Folienrauchen (Rauchen von Heroinbase) unter dem Einfluß von GHB kann zu Atemstillstand führen!
GHB ist kontraindiziert (sollte nicht eingenommen werden) nach der Einnahme von Benzodiazepinen (Psychopharmaka aus der Gruppe der Tranquilizer), Barbituraten (Derivate der Barbitursäure, die als Schlafmittel, Antiepileptika und Narkotika eingesetzt werden) und Antihistaminika (Medikamente, die zur Behandlung von Allergien eingesetzt werden und die Histaminrezeptoren blockieren).
GHB kann in der Phase zunehmender Müdigkeit Brechreiz auslösen. Durch diese Wirkungskombination besteht akute Erstickungsgefahr!
Unter der Wirkung von höheren GHB-Dosierungen verschwindet der Lidreflex. Dadurch ist es für medizinisch nicht ausgebildete Personen schwer einschätzbar, ob jemand nach GHB-Konsum nur im Tiefschlaf ist oder bereits im Koma liegt. Im Zweifelsfall sofort einen Arzt oder eine Ärztin rufen.
Gelegentlich auftretende Muskelzuckungen verschwinden meistens nach kurzer Zeit wieder von selbst. Durch Gabe von niedrigen Barbiturat-Dosierungen können diese Zuckungen von einem Arzt oder einer Ärztin leicht beherrscht werden. Die Verabreichung von Barbituraten bei Muskelzuckungen sollte jedoch nur von einem Arzt oder einer Ärztin erfolgen, da zu hohe Dosierungen lebensgefährlich sein können. Auf eine Selbstmedikation sollte auf jeden Fall verzichtet werden.
Personen mit Epilepsie sollten auf jeden Fall GHB meiden.


Safer use

Bereite Deine Umgebung vor der GHB-Einnahme gut vor: Du, wie auch Deine PartnerInnen, brauchst einen bequemen Platz zum sitzen oder liegen.
Nimm GHB niemals, wenn Du alleine bist, da immer unerwartete Nebenwirkungen auftreten können und Du eventuell auf die Hilfe anderer angewiesen bist.
Sex auf GHB kann sehr geil sein, das Suchen und Herbeischaffen von Kondomen und Gleitcreme jedoch äußerst anstrengend oder mühsam. Lege Dir zuvor alles schön zurecht, was Du nach der GHB-Einnahme brauchen könntest: Kondome, Gleitcreme, Massageöl, Dildos, Getränke, ...
Prüfe vor der Einnahme nochmals genau die Dosierung. Sollte Dir die Wirkstoffkonzentration der Flüssigkeit nicht genau bekannt sein, dann nimm lieber weniger als mehr. Nach einer Überdosierung verschläfst Du bestenfalls die Zeit, in der das GHB wirkt, nach einer Unterdosierung hingegen kannst Du dann später immer noch entscheiden, ob Du es mit einer höheren Dosierung versuchen willst.
Erkundige Dich vor der Einnahme nochmals genau, ob Deine PartnerInnen zuvor schon andere psychoaktive Substanzen konsumiert haben und ob diese mit GHB verträglich sind. Bereits geringe Mengen von Alkohol können ein GHB-Erlebnis auf äußerst unangenehme Weise trüben.


 
Berlin, den 11. Januar 2002
Redaktion Webteam Eve & Rave e.V. Berlin

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Nachtrag: Ergänzung vom 21. April 2008

Mit der Sechzehnten Verordnung zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher Vorschriften (16. BtMÄndV) vom 28. November 2001, in Kraft getreten am 1. März 2002, wurde GHB (Gamma-Hydroxybuttersäure) in Deutschland den betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften unterstellt, das heißt jeglicher Umgang mit dieser Substanz war für die Allgemeinheit verboten worden. Seitem ist diese Substanz in Anlage III zu § 1 BtMG (verkehrsfähige und verschreibungsfähige Stoffe) aufgelistet. Ärzte dürfen somit seit dem 1. März 2002 GHB nur noch auf einem speziellen Betäubungsmittelrezept verschreiben, ausgenommen in Zubereitungen zur Injektion, die ohne einen weiteren Stoff der in Anlagen I bis III bis zu 20 vom Hundert und je abgeteilte Form bis zu zwei Gramm GHB, berechnet als Säure, enthalten. Letztgenannte Zubereitung (wie das Medikament Somsanit®) dürfen Ärzte nach wie vor auf einem gewöhnlichen Rezept verschreiben.

Mit der 16. BtMÄndV wurde auch der Umgang mit den Estern, Ethern und Molekülverbindungen des GHB den betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften unterstellt. Doch das Verbot eines allgemeinen Umgangs mit diesen Estern, Ethern und Mölekülverbindungen (zu denen auch GBL, BDO und THF gehören) hätte bedeutet, viele Herstellungsprozesse aus dem Bereich der organischen Chemie sofort einstellen zu müssen. Deshalb wurde mit der 17. BtMÄndV vom 12. Februar 2002, in Kraft getreten am 1. März 2002, die 16. BtMÄndV dahingehend korrigert, daß die Ester, Ether und Molekülverbindungen des GHB durch eine Ausnahmeregelung nicht den betäumungsmittelrechtlichen Vorschriften zu unterstellen seien. Daher wird beispielsweise GBL nur im Monitoring chemischer Substanzen erfaßt, jedoch nicht von den Bestimmungen des Grundstoffüberwachungsgesetzes (GÜG ) berührt. GBL ist überdies als einziger Ester eines Betäubungsmittels nicht den Vorschriften des BtMG unterstellt.
 
17. BtMÄndV: http://www.eve-rave.net/abfahrer/download/eve-rave/aendver17.pdf
 
Weiterführende Informationen zu GHB siehe: Hans Cousto: Fachinformation: GHB (Gamma-Hydroxybutyrat) – Mischkonsum [Endogener Neurotransmitter]
http://www.drogenkult.net/?file=GHB