Warnung: Tödliches Kokain-Atropin-Gemisch europaweit im Umlauf
Redaktion Webteam www.eve-rave.net Berlin
Pressemitteilung vom 19. Dezember 2004
Derzeit ist in Europa ein Kokain-Atropin-Gemisch, das als besonders hochwertiges Kokain zu überhöhten Preisen angeboten wird, im Umlauf. In mehreren Ländern der Europäischen Union [Belgien, Frankreich, Italien, Niederlande] wurden insgesamt bisher 57 Personen aufgrund des Konsums dieses Gemisches mit Vergiftungserscheinungen in Krankenhäuser eingeliefert. Eine Person ist nach dem Konsum dieses Gemisches gestorben. Atropin bewirkt eine Beschleunigung des Pulsfrequenz, das Auftreten von Herzrhythmusarrhythmien [ungegelmäßiger Pulsschlag], das Auftreten einer Peristaltikhemmung [Verhinderung der Weiterleitung der Nahrung im Magen und im Darm], das Auftreten von Spasmolysen [Krämpfe] im Mastdarm und in der Blase wie auch im Bereich der Bronchen, eine Hemmung der Speichel- und Schweißsekretion und eine Erweiterung der Pupillen in Verbindung mit einer Steigerung des Augeninnendrucks.
Vor dem
Konsum dieses Kokain-Atropin-Gemisches wird dringend gewarnt! Wenn
möglich
sollten im Zweifelsfall Kokain-Proben bei einer Institution, die
Drug-Checking
durchführt, zur Untersuchung abgegeben werden! Nach der Auflistung
und der Beschreibung der Vergiftungsfälle in Europa sind in dieser
Pressemitteilung die wesentlichen Merkmale von Atropin dargestellt und
Hinweise zur ersten Hilfe in Notfall aufgefüht.
Vergiftungsfälle, die in Europa bis zum 18. Dezember 2004 bekannt geworden sind
Im Verlauf
der drei letzten Wochen [Ende November 2004 bis zum 18. Dezember 2004]
sind Vergiftungsfälle in Italien, in Frankreich, in den
Niederlanden
und in Belgien registriert worden. Insgesamt wurden in Europa bisher 57
Vergiftungsfälle, von denen einer tödlich endete,
registriert.
In Italien wurden in der Region von Mailand 20
Vergiftungsfälle
durch den Konsum eines Kokain-Atropin-Gemisches registriert, wobei ein
Fall tödlich endete.
Quellen: L'Eco
die Bergamo [04.12.2004]: Cocaina avariata, 16 casi di overdose:
http://www.ecodibergamo.it/EcoOnLine/CRONACA/2004/12/04_cocaina.shtml
Mbe/Pn/Adnkronos
[04.12.2004]: Droga: Da Bergamo allarme cocaina tagliata male, 19 casi
di overdose
http://www.adnkronos.com/IGNDispacci/20041204/ADN20041204132633.htm
Corriere della
Sera [08.12.2004]: Bergamo: caccia alla coca avvelenata, sequestrati
3,5
kg di droga
http://www.corriere.it/ultima_ora/agrnews.jsp?id=%7BD8AC6D87-2A2B-4333-8CE9-001F1A6C4AA3%7D
In Fankreich wurden insgesamt 6 Vergiftungsfälle gemeldet. Ein 34jähriger Mann ist am 6. Dezember 2004 in Lens in ein Krankenhaus eingeliefert worden, da er eine psychomotorische Erregung aufwies, verwirrt wirkte und stark erweiterte Pupillen hatte. Er hatte ein Kokain-Atropin-Gemisch zu sich genommen, das ihm als besonders gutes und reines Kokain angeboten wurde. Der Mann konnte nach 24 Stunden das Krankenhaus in gutem Zustand wieder verlassen. Im Krankenhaus von Béthune wurden am 6. Dezember 2004 vier Personen registriert, die an einer Kokain-Atropin-Vergiftung litten. Sie haben ein Pulver verbraucht, das gemäß dem Laboratorium für Biochemie des Centre Hospitalier Régional Universitaire [CHRU] von Lille ungefähr 60% Kokain und 30% Atropin sowie Phenacetin und Procain enthielt. Eine weitere Person mit analogen Symptomen ist an Béthune im Krankenhaus eingeliefert worden. Hierzu sind die klinischen Einzelheiten noch nicht verfügbar.
Seit 1999 sind
147 Stichproben, die Kokain enthielten, durch die Sintes in Frankreich
analysiert worden. Keine dieser Proben enthielt Atropin. Es handelt
sich
somit um ein erstmaliges Auftauchen von Kokain-Atropin-Mischungen.
Quelle:
Notes
d'informations
du dispositiv trend issue du système sintes [regierungsamtliche
Pillen- und Drogenwarnungen aus Frankreich]
http://www.drogues.gouv.fr/fr/professionnels/info_rapides_trend/infos_rapides.html
In den Niederlanden
teilten die Gesundheitsbehörden am 8. Dezember 2004 die
Einlieferung
von 8 Personen in das Krankenhaus von Lelystad [in der Nähe
von Amsterdam] wegen Vergiftungserscheinungen nach dem Konsum einer
Kokain-Atropin-Mischung
mit. Die Patienten zeigten psychotische Symptome und deutlich
erkennbare
Pupillenerweiterungen. Die toxikologischen Untersuchungen zeigten,
daß
das Pulver 42% Kokain und 35% Atropin enthielt. Einige Tage später
[Wochenende vom 11./12. Dezember] wurden 7 Personen, die identische
Symptome
zeigten, in Roosendaal in ein Krankenhaus eingeliefert. Ein weiterer
Fall
ist in der Stadt Breda registreirt worden, einer weiterer in Rotterdam
und 3 weitere in Den Haag. Insgesamt wurden somit bislang 20
Vergisftungsfälle
in den Niederlanden bekannt. Quellen:
Trimbos
Institut
[Utrecht, 10. Dezember 2004] http://www.trimbos.nl/default12891.html
Trimbos
Institut
[Utrecht, 16. Dezember 2004] http://www.trimbos.nl/default12898.html
In Belgien
meldeten Mitarbeiter des öffentlichen Gesundheitswesens, daß
11 Personen, die aus 3 Städten stammen [2 Fälle in Antwerpen,
3 in Brüssel, 6 in Lüttich], die Symptome einer
Atropinvergeftung
zeigten, nachdem sie ein Kokain-Atropin-Gemisch konsumierten. In allen
Fällen, bei denen der Einkaufsort des Pulvers ermittelt werden
konnte,
wurde die Stadt Anvers genannt, wobei für das Pulver ein
höherer
Preis zu bezahlen war als üblich. Die toxikologische Untersuchung
des Pulvers zeigte, daß das Gemisch 65% Kokain und 35% Atropin
enthielt.
Andere psychotrope Substanzen oder Streckmittel konnten nicht
nachgewiesen
werden. Quelle:
La Derniere
Heure [18.12.2004]: Cocaine: nobreux dangers: http://www.dhnet.be/dhinfos/article.phtml?id=110890
Atropin
Chemische Bezeichnung
3α[1αH,5αH]-tropanyl-[RS]-tropat;DL-Tropyltropat
Synonyme
Atropium,
Atropina, Atropinum, DL-Hyoscyamin, d,l-Hyoscyaminum, Tropintropat
Stoffklasse
Tropanalkaloide
Beschreibung
Atropin ist
ein Tropanalkaloid mit der Summenformel C17H23NO3.
Es ist ein
Isomergemisch aus d-Hyoscyamin und l-Hyoscyamin. Damit ist Atropin nah
verwandt mit Cocain, Hyoscyamin und Scopolamin. Atropin wird
medizinisch
bei Augenoperationen und Asthma sowie zur Narkoseeinleitung und
Herz-Kreislaufstillstand
eingesetzt. Zudem findet Atropin eine Verwendung als Antidot
[Gegenmittel]
bei Vergiftungen mit Thiophosphorsäureestern [Insektizide, z.B.
E605]
sowie Muscarin- und Pilocarpin-Vergiftungen.
Natürliche
Quellen
Atropa
belladonna beziehungsweise Atropa spp. (TollkirschenArten)
und
andere Solanaceae (Nachtschattengewächse)
Legalitätsstatus
Legal, in
pharmazeutischen Zubereitungen verschreibungspflichtig
Symptome
und Diagnostik
Tachykardie
[stark beschleunigte Herztätigkeit], Mydriasis
[Pupillenerweiterung],
Halluzinationen, gerötete, warme und trockene Haut. In einigen
Fällen
Arrhythmien [unregelmäßige Herztätigkeit], Somnolenz
[Benommenheit,
krankhafte Schläfrigkeit] und/oder motorische Unruhe. Vor allem
bei
Kindern: Bewußtseinsstörungen, Krampfanfälle,
Angstzustände,
Harnverhalt. Atropin wird im Blut und im Urin nachgewiesen.
Dosierung,
Überdosierung
Therapeutische
Dosierung: 0,25 bis 1 Milligramm intravenös appliziert, in
Ausnahmefällen
auch bis zu maximal 10 Milligramm
Augentropfen,
Augensalben: Atropingehalt 0,5% bis maximal 1%
Letale Dosis
bei Erwachsenen: ca. 100 Milligramm oral
Letale Dosis
beim Kind: ca. 10 Milligramm oral
Letale Dosis
beim Baby: ca. 2 Milligramm oral
Antidot
Physiostigminsalicylat
(Anticholium®)
Pharmakologie/Wirkungen
Atropin wirkt
parasympathikolytisch [die Erregungsübertragung an den
Nervenendigungen
des parasympathischen Nervensystems hemmend, indem die Wirkung des
Acetylcholins
maßgeblich aufgehoben wird] und blockiert den muscarinergen
Acetylcholin-Rezeptor.
Infolgedessen sind typische Atropinwirkungen: Trockenheit der
Schleimhäute,
Tachykardie [stark beschleunigte Herztätigkeit],
Akkomodationslähmung
[Lähmung des Augenmuskels sphincter pubillae und des
Augenmuskels
ciliaris], Spasmolyse der glatten Muskulatur,
Beeinträchtigung
der Magensaft-, Schweiß- und Speichel-Sekretion. Atropin kann
außerdem
halluzinogen wirken.
Nebenwirkungen
Tachykardie
[stark beschleunigte Herztätigkeit], Mydriasis
[Pupillenerweiterung],
trockene Schleimhäute, gerötete, heiße Haut
[Gefühl
von Gespanntheit], Unruhe, Halluzinationen und sonstige
Bewußtseinsstörungen,
Krampfanfälle, Arrhythmie [unregelmäßige
Herztätigkeit].
Gefahren
und Wechselwirkungen
Kontraindiziert
sind Phenothiazin [Atosil® und ähnliche
Präparate],
Morphine und Opiate [Synergieeffekt mit Acetylcholin-Antagonisten]
sowie
Physostigminsalicyclat [Anticholium] bei Bradykardie [verlangsamte
Herzfrequenz],
starkem Speichelfluß oder Erbrechen. Die Applikation ist unter
diesen
Symptomen sofort einzustellen!
Maßnahmen
präklinisch Notarzt/Rettungsdienst
Medizinische
Aktivkohle [maximal 1 Gramm pro Kilo Körpergewicht],
Antidotapplikation,
Flüssigkeitszufuhr, Talk-Down. Je nach Zustand des Patienten 2 bis
4 Liter O2 per Sonde oder Maske. Bei
Krampfanfällen
10 bis 30 Milligramm Diazepam.
Maßnahmen
klinisch Arzt/Pflegepersonal
Antidot
Physostigminsalicyclat
[Anticholium®] oder Pilocarpin – Kinder 0,5 Milligramm
[alle
5 Minuten, Gesamtdosierung maximal 2 Milligramm]; Erwachsene 2
Milligramm
[bei Bedarf alle 20 Minuten 1 bis 4 Milligramm]. Weiterhin:
Natriumsulfat,
bei Krampfanfällen Diazepam.
Quelle: Markus
Berger: Handbuch für den DrogenNotfall
–
safer-use-info
– Das
Wichtigste
zu Gefahrenpotenzialen, Überdosierungen und Abhängigkeiten,
S.
132 ff., Nachtschatten
Verlag, Solothurn 2004, ISBN 3-03788-125-9
http://www.nachtschatten.ch/prod/buch_533.htm
Aktueller
Artikel zur Langzeitwirkung von Kokain
Andrea Naica-Loebell [19.12.2004]: Kokain macht lernunfähig – Die vorübergehend die Leistung steigernde Droge macht nicht nur süchtig, sondern programmiert das Gehirn um
Den Schnee, auf dem wir alle
talwärts fahren, kennt heute jedes
Kind. Aber die Mechanismen der Abhängigkeit von Kokain sind immer
noch
nicht wirklich verstanden. Nicht erst seit Falcos Lied über den
Kommissar bemühen sich Wissenschaftler intensiv darum zu
verstehen, was
Koks bei chronischem Konsum genau bewirkt. Im Wissenschaftsmagazin Science
behauptet jetzt ein US-Forscher, dass Kokain-User nichts dazulernen
können, weil die Droge genau das in ihrem Hirn verhindert.
Mehr dazu: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/19/19044/1.html
Berlin, 19. Dezember 2004
Redaktion Webteam Eve & Rave e.V. Berlin
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