EU-Drogenpolitik: Demokratie und Recht am Abgrund!

Redaktion Webteam www.eve-rave.net Berlin
Pressemitteilung vom 28. April 2005


In der Europäischen Union wird derzeit ein neuer Aktionsplan zur Drogenbekämpfung ausgearbeitet. Die Entwürfe zur Strategie der Europäischen Union zur Drogenbekämpfung werden von der Europäischen Kommission und vom Europäischen Rat hinter verschlossenen Türen ohne Beteiligung externer Fachleute aus den Zivilgesellschaften erarbeitet. Die Einwände des Europäischen Parlaments werden nicht berücksichtigt und übergangen. Das Europäische Parlament fordert eine Richtungsänderung in der Drogenpolitik, da es zur Erkenntnis gelangte, daß die bisherige Prohibitionspolitik gescheitert sei. Die Europäische Kommission und der Europäische Rat wollen hingegen die repressive Drogenpolitik nicht nur weiter führen, sondern auch noch weiter ausbauen. Um dem Ansinnen von Kommission und Rat Einhalt zu gebieten und um dem Vorstoß des Parlaments mehr Gehör zu verschaffen, startete die ENCOD eine europaweite Unterschriftenaktion für eine bessere Drogenpolitik in der Europäischen Union. In dieser Pressemitteilung werden die Einzelheiten der Differenzen zwischen Parlament einerseits und Kommission und Rat andererseits erläutert und zur Beteilung an der ENCOD-Unterschriftensammlung aufgerufen.

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Das Europäische Parlament fordert eine Evaluierung der Drogengesetzgebung

In der Empfehlung vom Mittwoch, 15. Dezember 2004, des Europäischen Parlaments an den Rat und den Europäischen Rat zu der europäischen Strategie zur Drogenbekämpfung [2005-2012] bedauert das Parlament, daß der Rat in der Horizontalen Gruppe Drogen und im CATS [Ausschuß nach Artikel 36 des EU-Vertrags] den Inhalt des Entwurfs einer Strategie der Europäischen Union zur Drogenbekämpfung [2005-2012] verhandelt hat, ohne die politischen und technischen Evaluierungen bezüglich der Strategie der Europäischen Union zur Drogenbekämpfung [2000-2004] und der Umsetzung des Aktionsplans der Europäischen Union zur Drogenbekämpfung [2000-2004] zu kennen, die von der Kommission und von der europäischen Drogenbeobachtungsstelle in Lissabon [EBDD] durchgeführt wurden und deren Ergebnisse dem Rat Justiz und Inneres am 25. und 26. Oktober 2004 von der Kommission und dem Parlament am 24. November 2004 von der EBDD vorgelegt wurden, um bewerten zu können, in welchem Maße die elf allgemeinen Zielsetzungen und die sechs Hauptziele der Strategie der Europäischen Union zur Drogenbekämpfung [2000-2004] erreicht wurden.

Die sechs Hauptziele der Strategie der Europäischen Union zur Drogenbekämpfung [2000-2004] waren:

1.
innerhalb von fünf Jahren die Prävalenz des Drogenkonsums wie auch die Zahl der Erstkonsumenten signifikant zu senken, insbesondere bei Jugendlichen unter 18 Jahren;
2.
innerhalb von fünf Jahren die Inzidenz der durch Drogenkonsum bedingten gesundheitlichen Schäden [HIV, Hepatitis, TBC etc.] sowie die Zahl der durch Drogenkonsum bedingten Todesfälle signifikant zu senken;
3.
die Zahl der erfolgreich behandelten Drogenabhängigen deutlich zu erhöhen;
4.
innerhalb von fünf Jahren die Verfügbarkeit illegalisierter Drogen signifikant zu senken;
5.
innerhalb von fünf Jahren die Kriminalität im Zusammenhang mit Drogen signifikant zu senken;
6.
innerhalb von fünf Jahren die Geldwäsche und den illegalisierten Drogenhandel signifikant zu reduzieren.

Quelle:
The EU action plan on drugs [2000–2004]: http://www.emcdda.eu.int/index.cfm?fuseaction=public.Content&nNodeID=1338&sLanguageISO=EN

Fakt ist, daß der Drogenkonsum in den Ländern der Europäischen Union in den letzten fünf Jahren signifikant zu- und nicht abgenommen hat. Dies gilt insbesondere bei Jugendlichen unter 18 Jahren. Das Ziel, die Prävalenz des Drogenkonsums zu senken, wurde nicht erreicht. Auch das Ziel, die durch Drogenkonsum bedingten gesundheitlichen Schäden signifikant zu senken, wurde nicht erreicht. Zwar nahm die Zahl der HIV-Infektionen im Kreise der Fixer ab, dafür stiegt jedoch die Zahl der Infektionen mit Hepatitis C dramatisch an. Auch die Zahl der durch Drogenkonsum bedingten Todesfälle ist nur in einigen EU-Ländern zurückgegangen, stieg dafür jedoch in anderen merklich an. Auch die Verfügbarkeit von illegalisierten Drogen ist nicht gemindert worden, sondern ist nach wie vor nahezu flächendeckend in der gesamten Europäischen Union gewährleistet. Zudem sind die Preise tendenziell eher gefallen und nicht gestiegen. Ecstasy kostet beispielsweise nur noch etwa halb so viel wie vor fünf Jahren [drei Euro pro Pille im Klub statt 15 bis 20 Mark (7,50 bis 10 Euro) wie vor fünf Jahren] und die Dosierung pro Tablette hat dabei noch zugenommen. Gemäß polizeilichen Kriminalstatistiken hat die sogenannte "Drogenkriminalität" in den letzten fünf Jahren massiv zugenommen und nicht abgenommen und die Verfügbarkeit der illegalisierten Drogen zeigt, daß der Handel floriert und nicht signifikant reduziert wurde. Die Hauptziele der Strategie der Europäischen Union zur Drogenbekämpfung wurden nicht erreicht, die Strategie muß als gescheitert eingestuft werden. Dennoch hält der Rat der Europäischen Union gemäß seinen Empfehlungen vom 19. November 2004 an der gescheiterten Strategie fest, wie dem Plan "EU-Drogen-Strategie [2005-2012]" zu entnehmen ist.

Siehe: http://www.emcdda.eu.int/index.cfm?fuseaction=public.AttachmentDownload&nNodeID=6791&sLanguageISO=EN

Deshalb fordert das Europäische Parlament die Entwicklung präziser, quantifizierbarer und operationeller Ziele, um zu untersuchen, ob und in welchem Umfang die Zielsetzungen und Maßnahmen, wie sie in der vorherigen Strategie zur Drogenbekämpfung formuliert waren, zu Ergebnissen geführt haben. Des weiteren fordert das Parlament, daß die von den Drogen ausgehenden Gefahren unter anderem unter wissenschaftlichen, soziologischen und kulturellen Gesichtspunkten nicht nur durch eine genaue Untersuchung der objektiven und vergleichbaren Daten, sondern auch unter sorgfältiger Beurteilung aller anderen Folgen und Schäden für die Entwicklung der Gesellschaft analysiert werden müssen, um zu verhindern, daß bei der Analyse der zahlreichen Probleme im Zusammenhang mit Drogen eine zu starke Vereinfachung betrieben wird. Das Europäische Parlament verlangt zudem, daß diese Analysen und Beurteilungen veröffentlicht werden.


Drogenpolitische Forderungen des Europäischen Parlaments

Das Europäische Parlament verlangt, daß die nationale Drogenpolitik auf wissenschaftlichen Erkenntnissen im Hinblick auf jeden Drogentyp und nicht auf einem emotionalen Impuls basieren muß, da jedes drogenbezogene Problem einen spezifischen Ansatz erfordert, da eine Verallgemeinerung des Ansatzes die Glaubwürdigkeit aller Teilaspekte dieser Politik unterminiert. Ebenso ausschlaggebend für die Glaubwürdigkeit und Effizienz ist für das Parlament, daß auf der Grundlage von Evaluierungen und Analysen eine Revision der Politiken im Bereich der sogenannten "Suchtstoffe" in Angriff genommen wird, um sie im Hinblick auf die angestrebten Ziele effizienter und wirksamer zu gestalten. Deshalb empfiehlt das Europäische Parlament dem Rat und dem Europäischen Rat, bei der Festlegung der künftigen europäischen Strategie zur Drogenbekämpfung [2005-2012] und allgemein im Zusammenhang mit der Drogenpolitik der Europäischen Union unter anderem

zu berücksichtigen, daß die bislang bezüglich der sechs Hauptziele der Strategie der Europäischen Union zur Drogenbekämpfung [2000-2004] durchgeführten Evaluierungen bei keinem dieser Ziele positive Ergebnisse erbracht haben, und die politischen und legislativen Konsequenzen daraus zu ziehen, wenn die europäische Strategie zur Drogenbekämpfung [2005-2012] sowie die entsprechenden Aktionspläne erarbeitet werden;
den Evaluierungen der Umsetzung der sechs Hauptziele der Strategie der Europäischen Union zur Drogenbekämpfung Rechnung zu tragen;
die neue Strategie stärker auf wissenschaftliche Untersuchungen und eine eingehende und strukturelle Beratung mit den in diesem Bereich in den Mitgliedstaaten tätigen Akteuren zu gründen;
die neue Strategie der Europäischen Union zur Drogenbekämpfung auf rechtliche, institutionelle und finanzielle Grundlagen zu stellen, die auf dem basieren, was sich als wirksam erwiesen hat, sowie auf der Förderung der besten Praktiken;
die soziale und wissenschaftliche Erforschung illegaler Stoffe für einschlägige medizinische und soziale Zwecke zu verstärken;
eine detaillierte Evaluierung der Wirksamkeit der Umsetzung der vorherigen Strategie durchzuführen;
die neue europäische Strategie zur Drogenbekämpfung [2005-2012] nicht anzunehmen, ohne die tatsächlichen Ergebnisse zu kennen, die nach den einschlägigen technischen, wissenschaftlichen, legislativen und politischen Evaluierungen mit der vorherigen Strategie erzielt wurden;
das Europäische Parlament gemäß den Grundsätzen der demokratischen Legitimität, der Transparenz und der fairen Zusammenarbeit zwischen den Organen regelmäßig über den Stand der Verhandlungen über die europäische Strategie zur Drogenbekämpfung [2005-2012] im Rat zu unterrichten;
das Europäische Parlament rechtzeitig vor der Annahme der europäischen Strategie zur Drogenbekämpfung [2005-2012] zu konsultieren, damit seine Stellungnahme berücksichtigt wird.

Quelle: Empfehlung vom Mittwoch, 15. Dezember 2004, des Europäischen Parlaments an den Rat und den Europäischen Rat zu der europäischen Strategie zur Drogenbekämpfung [2005-2012].  Hinweis: Am Ende dieser Pressemitteilung [auf gelbem Hintergrund] sind alle 33 Empfehlungen [Forderungen] des Europäischen Parlaments [Buchstaben a) bis ae)] an den Rat und den Europäischen Rat aufgelistet. Vor dieser Auflistung der Empfehlungen [Forderungen] sind der Kenntnisstand des Europäischen Parlaments [jeder Absatz nach einem Gedankenstrich verweist auf ein oder mehrere Dokument(e)] sowie die Erwägungen und Überzeugungen [Buchstaben A. bis K.] des Europäischen Parlaments aufgelistet.


Die Europäische Kommission übergeht das Europäische Parlament

Am 17. Dezember 2004 hat der Europäische Rat den EU-Anti-Drogen-Strategieplan [2005-2012] verabschiedet. Darin werden Rahmenbedingungen, Prioritäten und Zielsetzungen für zwei aufeinanderfolgende dreijährige Drogen-Aktionspläne umschrieben, auf die jeweils ein Jahr der Auswertung folgen soll. Die Europäische Kommission hat dazu am 14. Februar 2005 den Entwurf eines Aktionsplanes zur europäischen Drogenpolitik vorgelegt, der im Juni 2005 verabschiedet werden soll. Dieser Aktionsplan berücksichtigt bisher nicht die Empfehlungen des Europäischen Parlaments, das eine grundsätzliche Änderung der Herangehensweise in der Drogenpolitik und eine Abkehr vom "Krieg den Drogen" fordert, wie auch nicht den Catania Report, der am 15. Dezember 2005 vom EU-Parlament verabschiedet wurde. Die Vorgehensweise der Europäischen Kommission offenbart, daß es derzeit noch erhebliche "demokratische Lücken" in der Europäischen Union gibt.

Solche
"demokratische Lücken" in der Europäischen Union haben bereits Tradition. So stellte das Europäische Parlament in einer Entschließung zum Europäischen Rat von Helsinki am 16. Dezember 1999 fest, daß man zur Kenntnis genommen habe, daß der Europäische Rat den Aktionsplan der Union zur Drogenbekämpfung [2000-2004] angenommen und die betreffenden Institutionen und Organe aufgefordert habe, bis 2002 eine diesbezügliche Bilanz aufzustellen; bedauerte jedoch lebhaft, daß die Empfehlungen in der Entschließung vom 19. November 1999 zu diesem Thema vom Rat nicht geprüft wurden, insbesondere der Grundsatz einer Sondertagung des Rates "zwischen den Pfeilern", die dem Drogenproblem gewidmet war.

Siehe: http://www.europarl.eu.int/enlargement/positionep/resolutions/b50327_de.htm  [Position Nr. 33] 



Öffentliches Hearing zur Drogenpolitik im Europäischen Parlament

Im Rahmen der Ausarbeitung des Aktionsplanes war für den 21.April 2005 [09:00 bis 12:30 Uhr] ein öffentliches Hearing im Europäischen Parlament angesetzt, wo u.a. diverse Nichtregierungsorganisationen zu Worte kamen. Anmeldungen von Nichregierungsorganisationen hierzu waren bis spätestens am 15. April an den Europäischen Rat der Nichtregierungsorganisationen für Drogen und Entwicklung [ENCOD] zu richten. ENCOD bemühte sich auf mehreren Ebenen, bei diesem Haering den Empfehlungen des Catania Report Gehör zu verschaffen.

Siehe:
http://www.encod.org

Giusto Catania,  geboren am 10. Juni 1971 in Palermo, ist Mitglied der Konföderale Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken [Partito della Rifondazione Comunista [PRC] – Sinistra Europea], Mitglied des Europäischen Parlaments, Mitglied im Ausschuß für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres, stellvertretendes Mitglied im Ausschuß für regionale Entwicklung, Mitglied der Delegation für die Beziehungen zu Iran und stellvertretendes Mitglied der Delegation für die Beziehungen zu den Maghreb-Ländern und der Union des Arabischen Maghreb [einschließlich Libyen]. Catania hat einen Hochschulabschluß in Philologie [1996], die Befähigung zum Unterricht in Literatur [2001] sowie das Forschungsdoktorat in Interkultureller Pädagogik an der Universität Palermo [2004] erlangt.  Catania war von  1994 bis 1996 Verantwortlicher der Jungkommunisten der PRC in Sizilien und Mitglied des Parteisekretariats der Region Sizilien, dann von 1996 bis 2001 Parteisekretär der PRC auf Provinzebene – Sektion Palermo und ist seit 2001 Parteisekretär der PRC für die Region Sizilien.  Von 1997 bis 2000 war er Mitglied des Gemeinderats und Fraktionsvorsitzender der PRC im Gemeinderat von Palermo und seit 2000 Kulturdezernent der Stadt Palermo.
Homepage: http://wwwdb.europarl.eu.int/ep6/owa/whos_mep.data?ipid=0&ilg=DE&iucd=28979&ipolgrp=&ictry=&imode=&itempl=&ireturn=
Catania Report, Vollversion in deutscher Sprache:
http://www2.europarl.eu.int/omk/sipade2?PUBREF=-//EP//NONSGML%2BREPORT%2BA6-2004-0067%2B0%2BDOC%2BPDF%2BV0//DE&L=DE&LEVEL=3&NAV=S&LSTDOC=Y
Amtliches Programm des Hearings vom 21. April 2005 in deutscher Sprache:
http://www.europarl.eu.int/comparl/libe/elsj/events/hearings/20050421/564000_de.pdf

Dokumentation des Hearings vom 21. April 2005 in englischer Sprache:
http://www.europarl.eu.int/comparl/libe/elsj/events/hearings/20050421/documentation_en.htm


Als Folgemaßnahme der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 15. Dezember 2004 zur EU-Drogenstrategie 2005–2012 [Annahme des Berichts von Giusto Catania, Berichterstatter des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres zur EU-Drogenstrategie für den Zeitraum 2005–2012, A6-0067/2004] und einer ersten aktuellen Einschätzung der Situation in den Mitgliedstaaten wurde im Rahmen der Anhörung am 21. April 2005 in erster Linie wissenschaftlich geprüft, inwieweit der von der Kommission vorgeschlagene EU-Drogenaktionsplan [2005–2008] dabei behilflich sein könnte, die darin gesteckten Ziele zu erreichen und vor allem, ob dieser EU-Drogenaktionsplan geeignet erscheint, eine deutlichen Verminderung des Drogenkonsums in der Bevölkerung zu erzielen sowie die mit dem Drogenkonsum verbundenen Schäden im sozialen Bereich und im Bereich der Gesundheit zu reduzieren.

Dem Europäischen Parlament ist bewußt, daß das Problem des Drogenmißbrauchs  unter verschiedenen Gesichtpunkten erörtert werden muß: dem politischen, dem wissenschaftlichen und dem der praktischen Arbeit vor Ort. Die legislativen und politischen Maßnahmen, die dem diesbezüglichen Ansatz der EU zugrunde liegen, müssen deshalb alle diese Blickwinkel berücksichtigen und wurden deshalb auch alle im Rahmen der Anhörung thematisiert. Die Bekämpfung des Drogenmißbrauchs ist für das Europäische Parlament ein elementarer Bestandteil der vielfältigen Anstrengungen, die auf die Verwirklichung eines Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts abzielen sowie gleichzeitig eine vorrangige Aufgabe in den Bereichen des Gesundheitswesens und der internationalen Zusammenarbeit.

Die Anhörung vor dem Europäischen Parlament am 21. April 2005 mit Vertretern der ENCOD [stellvertretend für 200 Nichtregierungsorganisationen] war ein wegweisendes Ereignis für die europäische Politik, das einen neuen Wind in die europäischen Institutionen brachte. Es war – nebeinbei bemerkt – das erste mal, seit es dieses Parlament gibt, daß die Zivilgesellschaft [vertreten durch Nichtregierungsorganisationen] an einer offiziellen Sitzung des Parlaments angehört wurde, ja es war das erste mal, daß das Europäische Parlament eine richtige Debatte mit der Zivilgesellschaft führte. Bei dieser Debatte wurde auch auf das übliche Einbringen von diplomatischen Floskeln verzichtet und die geladenen Repräsentanten der Europäischen Kommission [u.a. Franco Frattini, Vizepräsident der Europäischen Kommission mit dem Geschäftsbereich Justiz, Freiheit und Sicherheit und Carel Edwards, Leiter der Drogeneinheit der Europäischen Kommission] waren genötigt auf Fragen aus der Zivilgesellschaft zu antworten, die für sie eine ungewöhnliche Brisanz hatten und die für sie überraschend waren.  Die Diskrepanz zwischen den Vorgaben des Parlaments und den Vorstellungen der Nichtregierungsorganisationen einerseits und den Leitlinien und Beschlüssen der Kommission andererseits war ein zentrales Thema bei dieser Anhörung. Dabei wurde vor allem deutlich, wie schwer sich die Kommission mit den Vorgaben des Parlaments tut und und wie sehr sich die drogenpolitischen Leitlinien der Kommission an der vornehmlich altbekannten Strategie der Repression orientiert. Zudem wurde der neue Strategieplan ausschließlich von Mitgliedern der Kommission und Regierungsvertretern der Mitgliedstaaten der Europäischen Union hinter verschlossenen Türen erarbeitet – externe Beobachter waren nicht zugelassen und externe Expertisen wurden nicht berücksichtigt. Daß das Parlament eigentlich die Legislative [gesetzgebende Gewalt] in einem demokratischen Gebilde wie die Europäische Union ist, scheint die Kommission auch nicht begreifen zu wollen. Dies wurde nicht nur bei dieser Anhörung deutlich, sondern zeigt sich auch in der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament [Antwort auf den Beschluß des Parlaments zum Catania Report] vom 14. Februar 2005. Darin wird der EU-Drogenaktionsplan [2005-2008] erläutert und verteidigt – auf die Argumente des Parlaments wird jedoch nicht eingegangen.

Siehe: http://www.europarl.eu.int/comparl/libe/elsj/events/hearings/20050421/com(2005)0045_de.pdf

Bemerkenswert ist noch die Tatsache, daß viele Parlamentarier nicht an der Anhörung vom 21. April 2005 teilgenommen haben. Sie folgten einem Boykottaufruf der Christdemokraten, obwohl diese bei der Organisation der Anhörung beteiligt waren und zwei Redner stellen durften – einer der zwei eingeplanten Redner der Christlich Demokratischen Partei boykottierte ebenfalls die Anhörung. Anscheinend wollen die konservativen Kräfte in der Europäischen Union immer noch lieber Politik betreiben ohne Einbindung der Zivilgesellschaft [Nichtregierungsorganisationen] in den gesetzgebenden Verfahren. Bürgernähe scheint für diese Politiker immer noch ein rotes Tuch zu sein.

Generell muß festgestellt werden, daß die Europäische Union immer noch im "Krieg den Drogen" [War on Drugs] involviert ist – oder genauer gesagt, sich im Krieg gegen einige Drogen befindet respektive im Krieg gegen Menschen, die mit bestimmten Drogen zu tun haben. Eigentlich sollten wir jedoch in Europa gelernt haben, daß es bei einem Krieg nie einen echten Gewinner geben kann. Die essentielle Frage heißt somit nicht, ob Drogen gefährlich sind. Sicher, alle Drogen können gefährlich sein. Die essentielle Frage ist, ob die Gesellschaft durch das Drogenverbot [Prohibition] gewinnt oder verliert. Sich dieser Frage zu stellen, dafür scheinen viele Politiker in der Europäischen Union noch nicht reif genug zu sein, insbesondere jene aus dem konservativen Lager.


Petition für eine neue Drogenpolitik in der Europäischen Union

Am 15. Dezember 2004 verabschiedete das Europäische Parlament eine Reihe von Empfehlungen zur neuen EU Strategie zum Umgang mit der Drogenproblematik, den "Catania Report". Im Catania Report werden alternative Ansätze zur gegenwärtigen dominierenden Drogenpolitik gefordert. Der "Catania Report" lehnt eine Fortsetzung der gegenwärtigen auf Prohibition ausgerichteten Poltitk ab. Er fordert statt dessen die eurpoaweite Umsetzung eines breiter angelegten Ansatzes, der generell mit dem Begriff ‚Harm Reduction’ [Risikominderung, Schadensminderung] beschrieben wird. Die neue EU Strategie zur Drogenpolitik soll im Juni 2005 verabschiedet werden. Es ist von lebenswichtigem Interesse, daß darin die Empfehlungendes "Catania ReportBerücksichtigung finden. Eine Unterzeichnung der Petition ist nicht nur ein Akt für eine bessere Drogenpolitik in Europa, sondern auch ein Akt für mehr Demokratie und Recht in Europa.

ENCOD setzt sich dafür ein, daß die Bürger europaweit Gelegenheit zur Mitsprache erhalten; ihre Stimmen sollen den politisch Verantwortlichen bewußt machen, daß es Zeit ist, die Politik des "Krieg den Drogen" zu beenden. ENCOD bittet alle an einer Änderung der Drogenpolitik interessierten Mitbürger, eine Petition zur Unterstützung des Catania Reports zu unterzeichnen.

Bis heute haben etwa 44.000 Menschen in Europa die Petition für eine bessere Drogenpolitik in der Europäischen Union unterschrieben. Über 75% der Unterschriften kamen aus Polen [33.000]. Aus Deutschland kamen bis jetzt nur 3% der Unterschriften [1.400], aus Österreich nur 0,4% [165] und aus der Schweiz gar nur 0,1% [49].  Es scheint fast so zu sein, daß im deutschsprachigem Raum Bürgerbeteiligung und demokratisches Engagement etwas unterentwickelt sind. Doch noch ist der neue Aktionsplan nicht verabschiedet, noch kann man etwas bewirken und jeder ist frei, diese Petition zu unterschreiben. Und eines ist Gewiß, frei ist nur, wer seine Freiheit gebraucht und die Stärke demokratischer Völker mißt sich und zeigt sich am Wohl der Schwachen!

Online Unterschriftensammlung [Formular in zehn verschiedenen Sprachen] für eine bessere Drogenpolitik in Europa: Jetzt signieren!
http://action.encod.org/ic3/faces/public/ic3/home/petition


Berlin, den 28. April 2005
Redaktion Webteam Eve & Rave e.V. Berlin

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Anhang:

Empfehlung vom Mittwoch, 15. Dezember 2004, des Europäischen Parlaments an den Rat und den Europäischen Rat zu der europäischen Strategie zur Drogenbekämpfung [2005-2012]  [2004/2221(INI)]
http://www2.europarl.eu.int/omk/sipade2?SAME_LEVEL=1&LEVEL=5&NAV=X&DETAIL=&PUBREF=-//EP//TEXT+TA+P6-TA-2004-0101+0+DOC+XML+V0//DE


Vom Parlament angenommene Texte

Mittwoch, 15. Dezember 2004 Endgültige Ausgabe

EU-Strategie zur Drogenbekämpfung

Empfehlung des Europäischen Parlaments an den Rat und den Europäischen Rat zu der europäischen Strategie zur Drogenbekämpfung [2005-2012]  [2004/2221(INI)]

Das Europäische Parlament ,



in Kenntnis des von Rosa Díez González im Namen der PSE-Fraktion eingereichten Entwurfs einer Empfehlung an den Rat zu dem Entwurf einer Strategie der EU zur Drogenbekämpfung [2005-2012] [B6-0070/2004],
unter Hinweis auf Titel V des EU-Vertrags,
unter Hinweis auf Titel VI des EU-Vertrags, insbesondere Artikel 31 Absatz 1 Buchstabe e und Artikel 34 Absatz 2 Buchstabe b,
unter Hinweis auf den Vertrag über eine Verfassung für Europa, insbesondere die Artikel I-16, I-17, I-40, II-94, II-95, III-271, III-278, III-305 und andere,
in Kenntnis der internationalen, europäischen und nationalen Instrumente zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten und insbesondere zum Schutz des Rechts auf Leben und Gesundheit,
unter Hinweis auf die Einbeziehung des Schengen-Besitzstands in den Vertrag über die Europäische Union und in den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft,
unter Hinweis auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 30. März 1961, geändert durch das Genfer Protokoll vom 25. März 1972 über Suchtstoffe, das Übereinkommen vom 21. Februar 1971 über psychotrope Substanzen und das Übereinkommen vom 20. Dezember 1988 zur Bekämpfung des illegalen Handels mit Suchtstoffen und phychotropen Substanzen,
unter Hinweis auf die Verordnung [EWG] Nr. 302/93 des Rates vom 8. Februar 1993 zur Schaffung einer Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht(1) [EBDD],
unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament über einen Aktionsplan der Europäischen Union zur Drogenbekämpfung [1995-1999]  [KOM (1994) 0234],
unter Hinweis auf die politische Erklärung über Drogen und die während der Sondertagung der Generalversammlung der Vereinten Nationen [UNGASS] vom 8. und 10. Juni 1998 angenommenen Resolutionen,
unter Hinweis auf den Beschluss Nr. 102/97/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über ein Aktionsprogramm der Gemeinschaft zur Suchtprävention innerhalb des Aktionsrahmens im Bereich der öffentlichen Gesundheit [1996-2000](2) ,
unter Hinweis auf die Gemeinsame Maßnahme 96/750/JI des Rates vom 17. Dezember 1996 betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften und der Verfahren der Mitgliedstaaten der Europäischen Union zur Bekämpfung der Drogenabhängigkeit und zur Verhütung und Bekämpfung des illegalen Drogenhandels(3) ,
unter Hinweis auf die Gemeinsame Maßnahme 97/396/JI des Rates vom 16. Juni 1997 betreffend den Informationsaustausch, die Risikobewertung und die Kontrolle bei neuen synthetischen Drogen(4) ,
unter Hinweis auf die Verordnung (EG) Nr. 2046/97 des Rates vom 13. Oktober 1997 über die Nord-Süd-Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von Drogen und Drogenabhängigkeit(5) ,
in Kenntnis der Jahresberichte der EBDD,
unter Hinweis auf den Aktionsplan des Rates und der Kommission zur bestmöglichen Umsetzung der Bestimmungen des Amsterdamer Vertrags über den Aufbau eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts(6) , angenommen durch den Europäischen Rat von Wien vom Dezember 1998, insbesondere dessen Punkte 13, 14, 44, 47 und 51,
in Kenntnis der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Tampere vom 15. und 16. Oktober 1999, insbesondere deren Punkte 43, 48, 50, 59, 60, 61 und 62,
unter Hinweis auf den Europäischen Rat von Helsinki vom 10. und 11. Dezember 1999, insbesondere die Schlussfolgerung 53, in der die Drogenstrategie der Europäischen Union [2000-2004] zur Kenntnis genommen wird,
in Kenntnis der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Santa Maria da Feira vom 19. und 20. Juni 2000, insbesondere deren Punkt 51, in dem der Aktionsplan der Europäischen Union zur Drogenbekämpfung [2000-2004] gebilligt wird,
unter Hinweis auf die Richtlinie 2001/97/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Dezember 2001 zur Änderung der Richtlinie 91/308/EWG des Rates zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche(7) ,
in Kenntnis der Mitteilungen der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament über die Umsetzung des Drogenaktionsplans der EU [2000-2004]  [KOM (2001) 0301 und KOM (2002) 0599],
in Kenntnis des Vorschlags für eine Verordnung des Rates betreffend die Neufassung der Verordnung [EWG] Nr. 302/93 des Rates vom 8. Februar 1993 über die Schaffung der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht [KOM (2003) 0808],
unter Hinweis auf die Verordnung [EG] Nr. 273/2004 des Europäischen Parlaments und des Rats vom 11. Februar 2004 betreffend Drogenausgangsstoffe(8) ,
in Kenntnis des Rahmenbeschlusses 2004/757/JI des Rates vom 25. Oktober 2004 zur Festlegung von Mindestvorschriften über die Tatbestandsmerkmale strafbarer Handlungen und die Strafen im Bereich des illegalen Drogenhandels(9) ,
gestützt auf Artikel 114 Absatz 3 und Artikel 94 Absatz 1 seiner Geschäftsordnung,
in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres [A6-0067/2004],
A.
in der Erwägung, dass der Drogenkonsum und der Drogenhandel in allen Mitgliedstaaten ein sehr hohes Ausmaß erreicht haben, dass dieses Problem nicht von jedem Staat allein gelöst werden kann und es daher unerlässlich ist, dass die Europäische Union eine echte europäische Politik im Bereich der Drogenbekämpfung als ganzheitliches und umfassendes Konzept annimmt, das alle erforderlichen Mittel vorsieht, um die Gesundheitsprobleme und die damit verbundenen Probleme der sozialen Ausgrenzung von Personen zu verhindern und zu lösen und die Schäden zu beheben, die von der mit Drogen im Zusammenhang stehenden organisierten Kriminalität in der Gesellschaft verursacht werden,
B.
in der Erwägung, dass die Herstellung von und der Handel mit Suchtstoffen die wichtigste Profitquelle der europäischen Mafiaorganisationen darstellen und sowohl ihre Möglichkeiten erhöhen, andere zu bestechen als auch, straffrei auszugehen,
C.
in der Erwägung, dass die Herstellung und der Konsum der in den drei oben genannten Übereinkommen der Vereinten Nationen erfassten illegalen Substanzen sowie der Handel mit diesen Stoffen trotz der bislang auf internationaler, europäischer und nationaler Ebene durchgeführten Maßnahmen in allen Mitgliedstaaten ein sehr hohes Ausmaß erreicht haben und dass es angesichts dieses Misserfolgs unerlässlich ist, dass die Europäische Union ihre allgemeine Strategie im Bereich der Suchtstoffe revidiert,
D.
in der Erwägung, dass der Rat Justiz und Inneres auf seiner Tagung vom 8. Juni 2004 beschlossen hat, eine neue Strategie der Europäischen Union zur Drogenbekämpfung für den Zeitraum 2005-2012 umzusetzen, die die Grundlagen für die beiden Aktionspläne der Europäischen Union zur Drogenbekämpfung mit einer Laufzeit von jeweils drei Jahren [2005-2007 und 2009-2011] legt, wobei auf jeden Aktionsplan ein einjähriger Evaluierungszeitraum [2008 und 2012] folgen soll, und diese Strategie auf der Tagung des Europäischen Rates vom Dezember 2004 anzunehmen,
E.
in der Erwägung, dass der niederländische Ratsvorsitz der Horizontalen Gruppe Drogen am 6. Juli 2004 einen Entwurf einer europäischen Strategie zur Drogenbekämpfung [2005-2012] [CORDROGUE 53] vorgelegt hat, die die Schlussfolgerungen der Konferenz von Dublin vom 10. und 11. Mai 2004 über eine „EU-Drogenstrategie" [CORDROGUE 36] berücksichtigt und die später bei ihren Treffen vom 7. und 8. September sowie vom 30. September und 1. Oktober 2004 geprüft wurde,
F.
in der Erwägung, dass der Rat in der Horizontalen Gruppe Drogen und im CATS [Ausschuss nach Artikel 36 des EU-Vertrags] den Inhalt des Entwurfs einer Strategie der Europäischen Union zur Drogenbekämpfung [2005-2012] verhandelt hat, ohne die politischen und technischen Evaluierungen bezüglich der Strategie der Europäischen Union zur Drogenbekämpfung [2000-2004] und der Umsetzung des Aktionsplans der Europäischen Union zur Drogenbekämpfung [2000-2004] zu kennen, die von der Kommission und von der EBDD durchgeführt wurden und deren Ergebnisse dem Rat Justiz und Inneres am 25. und 26. Oktober 2004 von der Kommission und dem Parlament am 24. November 2004 von der EBDD vorgelegt wurden, um bewerten zu können, in welchem Maße die elf allgemeinen Zielsetzungen und die sechs Hauptziele der Strategie der Europäischen Union zur Drogenbekämpfung [2000-2004] erreicht wurden,
G.
in der Erwägung, dass die Suchtstoffkommission der Vereinten Nationen die Vorbereitungen für die Sitzung der Generalversammlung der Vereinten Nationen über Suchtstoffe im Jahr 2008, zehn Jahre nach der Sondertagung über Drogen im Jahr 1998, einleiten wird,
H.
in der Erwägung, dass die Entwicklung präziser, quantifizierbarer und operationeller Ziele erforderlich ist, um zu untersuchen, ob und in welchem Umfang die Zielsetzungen und Maßnahmen, wie sie in der vorherigen Strategie formuliert waren, zu Ergebnissen geführt haben,
I.
in der Überzeugung, dass die von den Drogen ausgehenden Gefahren unter anderem unter wissenschaftlichen, soziologischen und kulturellen Gesichtspunkten nicht nur durch eine genaue Untersuchung der objektiven und vergleichbaren Daten, sondern auch unter sorgfältiger Beurteilung aller anderen Folgen und Schäden für die Entwicklung der Gesellschaft analysiert werden müssen, um zu verhindern, dass bei der Analyse der zahlreichen Probleme im Zusammenhang mit Drogen eine zu starke Vereinfachung betrieben wird, und mit der Forderung, dass diese Analysen und Beurteilungen veröffentlicht werden,
J.
in der Erwägung, dass die nationale Drogenpolitik auf wissenschaftlichen Erkenntnissen im Hinblick auf jeden Drogentyp und nicht auf einem emotionalen Impuls basieren muss, da jedes drogenbezogene Problem einen spezifischen Ansatz erfordert, sowie in der Erwägung, dass eine Verallgemeinerung des Ansatzes die Glaubwürdigkeit aller Teilaspekte dieser Politik unterminiert,
K.
in der Erwägung, dass es ebenso ausschlaggebend ist, dass auf der Grundlage dieser Evaluierungen und Analysen eine Revision der Politiken im Bereich der Suchtstoffe in Angriff genommen wird, um sie im Hinblick auf die angestrebten Ziele effizienter und wirksamer zu gestalten, wobei den alternativen Maßnahmen besondere Aufmerksamkeit zu widmen ist, mit denen bereits heute in vielen Mitgliedstaaten bessere Ergebnisse erzielt werden, beispielsweise im Hinblick auf die Verringerung der Zahl der Drogentoten, den Schutz der Gesundheit und die soziale und wirtschaftliche Wiedereingliederung der Drogenabhängigen,


1.
empfiehlt dem Rat und dem Europäischen Rat, bei der Festlegung der künftigen europäischen Strategie zur Drogenbekämpfung [2005-2012] und allgemein im Zusammenhang mit der Drogenpolitik der Europäischen Union:

   a)

die europäische Kooperation in der Drogenpolitik neu zu definieren, damit sie sich auf das Vorgehen gegen den grenzüberschreitenden und in großem Stil betriebenen Drogenhandel richtet, alle Aspekte des Phänomens berücksichtigt und sich auf einen wissenschaftlichen Ansatz, die Achtung der bürgerlichen und politischen Rechte und den Schutz des Lebens und der Gesundheit der Menschen stützt;

   b)

klare, präzise und quantifizierbare Zielsetzungen und Prioritäten festzusetzen, die in den künftigen Aktionsplänen in operationelle Indikatoren und Maßnahmen übertragen werden können, wobei die Verantwortlichkeiten und Fristen für ihre Umsetzung sehr klar definiert werden müssen und dem Subsidiaritätsprinzip Rechnung zu tragen ist; um zu einer zügigen Durchführung zu kommen, ist ein multidisziplinärer Ansatz auf europäischer Ebene im Hinblick auf diese klar abgesteckten Ziele [Koordinierung, Information, Evaluierung und internationale Zusammenarbeit] notwendig;

   c)

zu berücksichtigen, dass die bislang bezüglich der sechs Hauptziele der Strategie der Europäischen Union zur Drogenbekämpfung [2000-2004] durchgeführten Evaluierungen bei keinem dieser Ziele positive Ergebnisse erbracht haben, und die politischen und legislativen Konsequenzen daraus zu ziehen, wenn die europäische Strategie zur Drogenbekämpfung [2005-2012] sowie die entsprechenden Aktionspläne erarbeitet werden;

   d)

den Evaluierungen der Umsetzung der sechs Hauptziele der Strategie der Europäischen Union zur Drogenbekämpfung Rechnung zu tragen;

   e)

die neue Strategie stärker auf wissenschaftliche Untersuchungen und eine eingehende und strukturelle Beratung mit den in diesem Bereich in den Mitgliedstaaten tätigen Akteuren zu gründen;

   f)

die neue Strategie der Europäischen Union zur Drogenbekämpfung auf rechtliche, institutionelle und finanzielle Grundlagen zu stellen, die auf dem basieren, was sich als wirksam erwiesen hat, sowie auf der Förderung der besten Praktiken;

   g)

die soziale und wissenschaftliche Erforschung illegaler Stoffe für einschlägige medizinische und soziale Zwecke zu verstärken;

   h)

eine Alternative zur gegenwärtigen finanziellen Zersplitterung durch Schaffung einer neuen Haushaltslinie auszuarbeiten, die eng mit allen Maßnahmen verbunden ist, die in den künftigen Aktionsplänen vorgesehen und von der Kommission angenommen werden müssen, da ansonsten die in der Strategie zur Drogenbekämpfung festgelegten Ziele nicht erreicht werden können;

   i)

eine spezifische Haushaltslinie zu schaffen, um einen ständigen Konsultationsprozess mit den betreffenden Organisationen der Zivilgesellschaft und unabhängigen Fachleuten über die Auswirkungen der Drogenpolitik auf Bürgerebene zu fördern;

   j)

eine detaillierte Evaluierung der Wirksamkeit der Umsetzung der vorherigen Strategie durchzuführen, vor allem im Hinblick auf:

Verhütung von Konsum und Abhängigkeit,

Bekämpfung der Beschaffung illegaler Drogen und der Nachfrage nach ihnen,

Begrenzung der sozialen Schäden [Ausgrenzung],

Begrenzung der gesundheitlichen Schäden,

Bekämpfung der drogenbezogenen Kleinkriminalität und des organisierten Verbrechens, und deshalb die neue europäische Strategie zur Drogenbekämpfung [2005-2012] nicht anzunehmen, ohne die tatsächlichen Ergebnisse zu kennen, die nach den einschlägigen technischen, wissenschaftlichen, legislativen und politischen Evaluierungen mit der vorherigen Strategie erzielt wurden;

   k)

das Europäische Parlament gemäß den Grundsätzen der demokratischen Legitimität, der Transparenz und der fairen Zusammenarbeit zwischen den Organen regelmäßig über den Stand der Verhandlungen über die europäische Strategie zur Drogenbekämpfung [2005-2012] im Rat zu unterrichten;

   l)

das Europäische Parlament rechtzeitig vor der Annahme der europäischen Strategie zur Drogenbekämpfung [2005-2012] zu konsultieren, damit seine Stellungnahme berücksichtigt wird;

   m)

einige Maßnahmen vorzuschlagen, die sich von den genannten Maßnahmen vollkommen unterscheiden, um die allgemeine Zielsetzung des Entwurfs einer Strategie der Europäischen Union zur Drogenbekämpfung zu erreichen, in deren Rahmen dem Schutz des Lebens und der Gesundheit von Konsumenten illegaler Stoffe, der Verbesserung ihres Wohlergehen und ihres Schutzes mit einer ausgewogenen und integrierten Herangehensweise an das Problem Vorrang eingeräumt wird, da die vorgeschlagenen Maßnahmen unzulänglich sind;

   n)

die europäischen Mechanismen der Zusammenarbeit zu stärken, da die EU der 25 näher an den Ländern liegt, aus denen die Drogen stammen, um so den Drogenhandel in Richtung Union einzuschränken, und ein neues europäisches Koordinierungssystem im Bereich der Drogenpolitik, u.a. durch die EBDD, eindeutig zu definieren und zu erweitern, um eine integrierte, multidisziplinäre und ausgewogene Herangehensweise an das Drogenproblem zu erreichen, die heute nach dem Beitritt der zehn neuen Mitgliedstaaten nötiger denn je ist;

   o)

die Koordinierung und den Informationsaustausch innerhalb der Union in Bezug auf die Drogenpolitik nach dem Beitritt der zehn neuen Mitgliedstaaten so zu verbessern, dass man zu einem integrierten, multidisziplinären und ausgewogenen Ansatz in Hinblick auf das Drogenproblem gelangt, der auch den ermutigenden Ergebnissen Rechnung trägt, die von mehreren Mitgliedstaaten und weiteren europäischen Staaten, die eine alternative Drogenpolitik anwenden, erreicht und vollständig dokumentiert wurden;

   p)

Mindeststandards für die Verbesserung der Verfügbarkeit und Wirksamkeit der Maßnahmen und für Wiedereingliederungsmaßnahmen auf der Grundlage der besten Verfahren in den Mitgliedstaaten festzulegen, um die sozialen Auswirkungen des Konsums von Suchtstoffen zu vermindern;

   q)

der neuen Situation ausreichend Rechnung zu tragen, die mit dem Beitritt von zehn neuen Mitgliedstaaten zur Union entstanden ist und die eine intensivierte Zusammenarbeit mit den neuen Grenzstaaten erforderlich macht;

   r)

den Zugang zu Schadensverringerungsprogrammen für die Drogenabhängigen zu verbessern [insbesondere um die Verbreitung von HIV und anderen über das Blut übertragenen Krankheiten zu verhindern];

   s)

Mindestnormen für Rehabilitationsmaßnahmen auf der Grundlage der besten Praktiken in den Mitgliedstaaten festzulegen, statt sich zu sehr auf die Nachbehandlung mit Drogen ersetzenden Mitteln zu konzentrieren; zu diesem Zweck müssen besondere Anstrengungen im Hinblick auf die Resozialisierung unternommen werden;

   t)

ein stärkeres Gewicht auf die Aspekte Schadensbegrenzung, Information, Prävention, Behandlung und Berücksichtigung des Schutzes des Lebens und der Gesundheit der Menschen mit Problemen infolge des Konsums von illegalen Stoffen zu legen und Maßnahmen zu ermitteln, die die soziale Ausgrenzung der Betroffenen verhindern können, statt repressive Strategien umzusetzen, die an die Verletzung der grundlegenden Menschenrechte grenzen und häufig zu einer solchen geführt haben;

   u)

Therapieprogramme für Drogenkriminelle/Drogenkonsumenten als Alternativen zu Gefängnisstrafen zu entwickeln, nachdem sich derartige Programme in Ländern, in denen sie durchgeführt wurden, als wirksam erwiesen haben;

   v)

die notwendigen Informationsinitiativen zu verstärken und für ihre angemessene Finanzierung zu sorgen, um über illegale Stoffe aufzuklären und dem Drogenkonsum vor allem an Schulen vorzubeugen, wie es im Aktionsplan 2000-2004 vorgesehen war, und um die negativen Auswirkungen des Drogenkonsums und die damit zusammenhängenden Gefahren einzuschränken;

   w)

Nachdruck auf verstärkte Aufklärungsmaßnahmen zu legen, die auf wissenschaftlichen Erkenntnissen über die Folgen des Konsums der verschiedenen Arten von Drogen [insbesondere synthetischen] basieren müssen, um jedermann klar und unmissverständlich warnen zu können;

   x)

die Beteiligung und Einbeziehung der Drogenabhängigen und Konsumenten von illegalen Stoffen, der Zivilgesellschaft, der Nichtregierungsorganisationen, der Freiwilligendienste sowie der Öffentlichkeit bei der Lösung der drogenbedingten Probleme festzulegen und erheblich zu verstärken, insbesondere durch eine stärkere Einbeziehung der in diesem Bereich tätigen Organisationen in die Arbeit der Horizontalen Gruppe Drogen und die Durchführung einer jährlichen europäischen Verhütungsinitiative und die versuchsweise Einrichtung spezieller Räumlichkeiten, die von Drogenabhängigen ohne Hemmungen aufgesucht werden können, um die Schäden zu verringern und eine Strategie zu verfolgen, die ohne Verbote auskommt;

   y)

Evaluierungsmaßnahmen festzulegen, mit denen mögliche im Zusammenhang mit den in der Strategie der Europäischen Union zur Drogenbekämpfung vorgesehenen Zielen festgestellte Mängel – sowie die geeignetsten Mittel und Ressourcen zu ihrer Erreichung – richtig ermittelt und korrigiert werden können;

   z)

geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um zu verhindern, dass die Profite aus dem illegalen Drogenhandel den internationalen Terrorismus finanzieren können, und die geltenden Rechtsvorschriften über die Beschlagnahme von Vermögen und die Bekämpfung der Geldwäsche anzuwenden, wobei auch die italienische Antimafiagesetzgebung zu unterstützen ist, die die Verwendung des bei den kriminellen Organisationen beschlagnahmten Vermögens [Profite] für soziale Zwecke vorsieht;

   aa)

in alle internationalen Übereinkommen und insbesondere in die neuen Kooperationsabkommen mit Drittstaaten eine besondere Klausel für die Zusammenarbeit im Bereich der Drogenbekämpfung aufzunehmen, der der Status einer wesentlichen Bestimmung zuerkannt wird;

   ab)

die Entwicklungshilfe für die Herstellerländer der Drogen über Programme, in deren Rahmen nachhaltige alternative Anbauprodukte und der radikale Abbau der Armut finanziert werden, erheblich zu erhöhen und dabei auch die Möglichkeit zu prüfen, die Herstellung beispielsweise von Opiaten zu medizinischen und wissenschaftlichen Zwecken zu fördern und zu schützen, sowie die Möglichkeit in Erwägung zu ziehen, Pilotvorhaben für die Industrialisierung der legalen Erzeugnisse aus den im Übereinkommen von 1961 genannten Pflanzen wie beispielsweise der Kokapflanze und dem indischen Hanf einzuleiten;

   ac)

die Zugänglichkeit der Ersatzprogramme vorzusehen und zu gewährleisten, wobei den Gefängnissen besondere Aufmerksamkeit zu widmen ist, und gleichzeitig die Anwendung von anderen Maßnahmen als Gefängnisstrafen für Konsumenten von illegalen Stoffen oder für kleinere, gewaltfreie Vergehen im Zusammenhang damit zu fördern;

   ad)

die Forschung im Bereich der Verwendung von Pflanzen, deren Anbau gegenwärtig illegal ist oder sich in einer Grauzone befindet, etwa Hanf, Opium oder Kokablätter, im Hinblick auf medizinische Anwendungen, Lebensmittelsicherheit, nachhaltige Landwirtschaft, Erzeugung alternativer Energie, Ersetzung holz- oder ölbasierter Produkte oder im Hinblick auf sonstige nützliche Zwecke zu verstärken;

   ae)

den Rahmenbeschluss über die Bekämpfung des Suchtstoffhandels unter Berücksichtigung der Stellungnahmen des Europäischen Parlaments zu revidieren, und zwar unter Einhaltung der in den Verträgen verankerten Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit;

   af)

eine wissenschaftliche Untersuchung über die Kosten und den Nutzen der derzeitigen Maßnahmen zur Kontrolle der Suchtstoffe durchzuführen, die insbesondere Folgendes umfasst: eine Analyse von Cannabis und seiner verschiedenen legalen und illegalen Derivate, auch um die Auswirkungen, die therapeutischen Möglichkeiten sowie die Ergebnisse der Politik der Kriminalisierung sowie mögliche Alternativen zu bewerten; eine Analyse der Wirksamkeit von Programmen zur Abgabe von Heroin zu therapeutischen Zwecken unter ärztlicher Aufsicht im Hinblick auf das Ziel der Verringerung der Zahl der Drogentoten; eine Analyse der wirtschaftlichen, gerichtlichen, sozialen und ökologischen Kosten der Verbotspolitik im Hinblick auf Humanressourcen und finanzielle Mittel, die für die Durchsetzung des Rechts bereitgestellt werden; eine Analyse der Auswirkungen der gegenwärtigen Politik auf Drittstaaten sowohl infolge der europäischen Strategie als auch des weltweiten Systems der „Drogenkontrolle";

   ag)

die Regierungen und die nationalen Parlamente aufzufordern, wirksamere Maßnahmen zu beschließen, um zu verhindern, dass Drogen in Gefängnisse gelangen;

2.
beauftragt seinen Präsidenten, diese Empfehlung dem Rat und dem Europäischen Rat und - zur Information - der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht, dem Europarat, der UNO und ihren Fachorganisationen zu übermitteln.



(1)

ABl. L 36 vom 12.2.1993, S. 1.

(2)

ABl. L 19 vom 22.1.1997, S. 25.

(3)

ABl. L 342 vom 31.12.1996, S. 6.

(4)

ABl. L 167 vom 25.6.1997, S. 1.

(5)

ABl. L 287 vom 21.10.1997, S. 1.

(6)

ABl. C 19 vom 23.1.1999, S. 1.

(7)

ABl. L 344 vom 28.12.2001, S. 76.

(8)

ABl. L 47 vom 18.2.2004, S. 1.

(9)

ABl. L 335 vom 11.11.2004, S. 8.





Berlin, den 28. April 2005
Redaktion Webteam Eve & Rave e.V. Berlin

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