Albert Hofmann zu LSD (in Auszügen) |
Frage: Wer die Wirkung von LSD
erfahren hat,
weiß um die Schwierigkeit, davon zu erzählen. Wie
würden Sie die Erfahrung beschreiben?
Hofmann: Unter LSD gerät man in einen sehr tiefen Zustand. Das Ich entschwindet, man nimmt sich als Bestandteil eines Ganzen wahr, ist im Himmel und auf der Erde heimisch, fühlt sich geborgen im Universum, geht ein in ein allgemeines Bewußtsein. Das ist ein mystischer Zustand, der auch durch Meditation angestrebt wird. Der Mensch unterscheidet sich von allen anderen Lebewesen darin, daß er ein Bewußtsein hat – was erklärt, warum Tiere nicht auf LSD reagieren. Das Bewußtsein ist das göttliche Geschenk an den Menschen. Er weiß, wer er ist und weiß, daß es einen Schöpfer gibt. Er kann sich wundern und die Schönheit sehen. Dieses Bewußtsein nun, dieses Zugehörigkeitsgefühl, wird unter LSD stark intensiviert. Frage: Was auch starke Ängste auslösen kann? Hofmann: Natürlich, darin liegt die Gefahr. Die Leute können Angst bekommen und das Gefühl haben, sie seien verloren, wenn sie in einen solchen, völlig anderen Zustand geraten. LSD ist nahe verwandt mit Meskalin und anderen uralten Kultdrogen, deren Wirkung schon die Indianervölker kannten. Und weil diese Kultdrogen in ein anderes Bewußtsein führten, wurden sie von einem Priester oder einer Priesterin abgegeben. Zuvor mußte man fasten und beten, man mußte rein sein und die Substanz in einer rituellen Zeremonie einnehmen. Tat man das nicht, tötete der Pilz oder machte einen wahnsinnig. Frage: Bis heute hoffen Therapeuten, mit Hilfe von LSD schwere psychische Leiden wie Depressionen, Süchte und selbst Kriegstraumen besser und auch schneller behandeln zu können. Wie kann LSD dabei helfen? Hofmann: Bevor das LSD auf die Straße gelangte, konnten wir eine Menge therapeutische Erfahrungen sammeln. Die Substanz wurde bei der Psychoanalyse von Patienten verwendet, die nicht mehr ansprechbar, also blockiert waren. Gab man ihnen LSD, wurden sie stimuliert, sie sind gewissermaßen aufgewacht, und man konnte mit der eigentlichen Analyse beginnen. Was damals als Wundermittel galt, wurde in der Folge zur Kultdroge der Jugend – und damit zu einer politischen Gefahr für Amerika. Der Entscheid der USA, das LSD zu verbieten, war ein rein politischer Entscheid. Jeder Arzt hatte kontrollierten Zugriff auf Heroin, Morphin, sogar Strychnin, sollte das nötig gewesen sein. Aber für LSD galt ein Totalverbot. Es gilt im Prinzip bis heute – für Herstellung, Besitz und Anwendung. Das muß sich ändern, und ich denke, daß der LSD-Kongreß in Basel dazu beitragen wird. Wenigstens die Ärzte sollten wieder die Möglichkeit bekommen, mit LSD therapeutisch zu arbeiten. Frage: Der Schriftsteller Aldous Huxley ließ sich auf dem Totenbett von seiner Frau LSD geben; er starb ganz friedlich, sein letztes Wort war »Yes«. Wie schätzen Sie die Bedeutung Ihrer Substanz für die Sterbebegleitung ein? Hofmann: Ich denke, das sei etwas vom Wichtigsten, für das LSD Verwendung finden könnte. Man gibt Sterbenden ja sehr oft Morphin. Wo das Morphin nicht mehr wirkt, bekommt man die Schmerzen mit LSD weg. Und ermöglicht zugleich ein Erwachen der Patienten. Darauf deuten zumindest die Versuche hin, die man bis zum Verbot der Substanz durchführen konnte. Ich verstehe wirklich nicht, weshalb man diese Behandlungsmöglichkeit nicht weiter untersucht. Jean-Martin
Büttner: LSD
ermöglicht gewissermaßen ein Aufwachen
Interview mit Albert Hofmann in: Tagesanzeiger vom 11. Januar 2006 http://www.tagesanzeiger.ch/dyn/leben/print/wissen/580679.html Frage: In den ersten zehn Jahren nach seiner Entdeckung galt LSD, unter dem Arzneinamen »Delysid«, als wahres Wundermittel in der Psychotherapie. Dann kam das Verbot, die Dämonisierung als Teufelsdroge – und jetzt scheint das Pendel wieder zurückzugehen, zu größerer Akzeptanz. Selbst an der Harvard - Universität finden wieder LSD-Studien statt. (Was sagen Sie dazu?) Hofmann: Ja, das habe ich verfolgt. Es ist sicher ein Wandel. Vor allem weil man entdeckt hat, daß diese Pflanzen (und Pilze), die man schon vor 3.000 Jahren gekannt und benutzt hat, Stoffe wie LSD oder Psilocybin enthalten und mit den Substanzen in unserem Gehirn, wie Serotonin, sehr eng verwandt sind. Die Pflanzen (und Pilze) geben uns Nahrung, sie geben uns Heilmittel und sie geben uns auch Medikamente für das Bewußtsein. Die Pflanze produziert aus dem Sonnenlicht unsere Nahrung und unsere Atemluft. Und unser Bewußtsein ist letztlich nichts anderes als die höchste Umwandlung dieser Sonnenenergie. Wir sind Sonnenkinder! Bröckers, Matthias +
Liggenstorfer, Roger: Das LSD
ist zu mir gekommen
Interview mit Albert Hofmann, in: Die Tageszeitung (TAZ) vom 11. Januar 2006, S. 13 http://www.taz.de/pt/2006/01/11/a0131.1/text Frage: Wie würden Sie LSD kurz charakterisieren? Hofmann: LSD ist ein Werkzeug der Bewußtseinsforschung und der Bewußtseinserweiterung. Frage: Wie funktioniert das »Werkzeug« LSD? Hofmann: LSD stellt das Wissen und die Erfahrungen, die wir in unserem Hirn gespeichert haben, neu zusammen und verschafft uns dadurch neue Einsichten. Frage: Sind die Versuche, durch LSD das Bewußtsein zu erweitern, nicht letztlich an der Realität gescheitert? Hofmann: Leider haben viele Menschen das LSD mißbraucht. Richtig angewendet, führt LSD den Menschen zu der Erkenntnis, was er werden und sein sollte, nämlich eher ein geistiges als ein technisches Wesen. Noch nie in der Geschichte der Menschheit war eine Droge wie LSD so notwendig wie in der heutigen westlichen Zivilisation. Frage: Dies klingt nach einem politischen Bekenntnis... Hofmann: Genau das ist es, es geht mir um Weltpolitik, um die Gestaltung der Zukunft der gesamten Menschheit. Wir müssen uns wieder darauf besinnen, was wir sind: ein Teil der Schöpfung und ein Teil alles Lebendigen. Und wir müssen lernen zu unterscheiden, was wichtig ist und was weniger wichtig ist. Frage: Wie vereinbaren Sie diese Vision mit Ihrer Denkweise als Naturwissenschaftlet? Hofmann: Bestens, für mich besteht da kein Widerspruch, sondern vielmehr ein inniger Zusammenhang. Wer die Natur wirklich erforscht, wird dabei zum Mystiker. Und wer dabei kein Mystiker wird, ist kein echter Naturwissenschaftler. Im Übrigen hat LSD auch manchem Forscher zu wichtigen Erkenntnissen verholfen: Der Nobelpreisträger Kary Mullis hat die Idee der Polymerase - Kettenreaktion unter der Wirkung von LSD entwickelt. (Anm. der Red.: Kary Banks Mullis ist ein US-amerikanischer Biochemiker und Nobelpreisträger. Er erhielt 1992 den Robert-Koch-Preis und 1993 den Nobelpreis in Chemie für die Entdeckung der Polymerase-Kettenreaktion (PCR) im Jahr 1983. ) Caesar, Wolfgang: Der
Naturwissenschaftler als
Mystiker
Interview mit Albert Hofmann, in: Deutsche Apotheker Zeitung vom 9. Februar 2006, Nr. 6 S. 555; 63 Frage: Sie haben das Bewußtsein in einem Sender-Empfänger-Modell beschrieben: der ganze Planet als Sender und jedes einzelne Bewußtsein als Empfänger... Hofmann: Unsere Sinne sind die Antennen, darüber kommt alles herein, das Bewußtsein ist der Empfänger. Alles was wir im Bewußtsein haben, ist irgendwann einmal durch die Sinne hineingekommen – bei Geburt ist es gleichsam ein leeres Bewußtsein und wird dann durch all das gefüllt. Frage: Und ein paar Millionstel Gramm LSD verändern die Wahrnehmung dramatisch – es ist nicht nur einfach das bekannte Bild, ein bisschen verzerrter oder bunter, es ist ein völlig anderes Programm... Hofmann: Und das deshalb, weil LSD unsere Sinne verändert, man sieht besser, man hört besser, alles wird intensiviert. Insofern hatte auch Timothy Leary recht, wenn er behauptet, es sei auch das größte Aphrodisiakum. Der Mechanismus des LSD ist ganz einfach: Die Tore der Wahrnehmung werden geöffnet und wir sehen plötzlich mehr – von der Wahrheit... Frage: Und das ist manchmal sehr verwirrend... Hofmann: Ja, man erschrickt. Man hat ein völlig anderes Bild und das kann einen furchtbar erschrecken. Deshalb sagen die Indianer ja: bevor ich den heiligen Pilz nehme, muß ich fasten, muß ich beten, muß ich rein sein – dann bringt mich der Pilz dem Göttlichen näher. Und wenn ich das nicht mache, tötet er mich oder macht mich wahnsinnig. Das haben die Indianer, lange bevor LSD und Psylocibin entdeckt wurden, gesagt – und die amerikanische Jugendbewegung, die es ja gut meinte, hat sich daran nicht gehalten, diese Jugendendlichen haben es zu oberflächlich genommen, sie haben sich nicht vorbereitet... Bröckers, Matthias: Wenn man im
Paradies lebt, will man ja nicht
so schnell weg
Interview mit Albert Hofmann, in Telepolis (TP) vom 11. Januar 2006 http://www.telepolis.de/r4/artikel/21/21746/1.html Frage: Sie sagten, Naturwissenschaft sei die absolute, die endgültige Wahrheit. Bis zum Geheimnisvollen – und weiter komme man nicht. Und das soll einfach akzeptiert werden? Hofmann: Das muß man akzeptieren! Einstein sagte: Das Schönste und das Tiefste, was ein Mensch im Leben erfahren kann, ist das Gefühl des Geheimnisvollen. Genauso ist es. Auch wenn wir wahnsinnig viel wissen und sehr tief gehen – am Schluß stoßen wir immer auf das Geheimnisvolle: Auf das Schönste und Tiefste, wie Einstein sagt. Zuerst spricht er von der Schönheit, dann erst von der Tiefe! So ist es auch für mich. Weiter kommt man nicht. (...) Ich glaube an die geheimnisvolle schöpferische Kraft, die hinter unserem Dasein und dem Universum steht. Der Begriff Gott ist mir zu persönlich. Ich sage lieber: Gott spricht durch seine Schöpfung. Da kommt wieder die Schönheit, die Perfektion der Schönheit. Wenn wir als Naturwissenschaftler sehen, was hinter dem Wunder der Schöpfung steht, nun, da müßte jeder Naturwissenschaftler zum Mystiker werden. Man meint ja immer, die Naturwissenschaft sei etwas, das entzaubert. Wenn man aber tiefer geht, wird es immer wunderbarer. Wenn ich sehe und weiß, wie alles aufgebaut ist, wie unsere Wahrnehmung funktioniert, wie unser Bewußtsein zustande kommt, dann ist das alles so wunderbar planmäßig und raffiniert aufgebaut, daß man nur noch staunen kann. Das sind nicht einfach Worte. Das sind Fakten! Suter, Ruedi: Der Schamane des LSD
feiert Geburtstag 100
Interview mit Albert Hofmann, in:
OnlineReports vom 11. Januar 2006
http://www.onlinereports.ch/2006/HofmannAlbert100.htm |
LSD – eine verpaßte Chance? |
Was hat nun die moderne Naturforschung mit
LSD
zu tun? Nach meinung von Prof. Dr. Rudolf Bauer, Graz, dem
Präsidenten der Gesellschaft für Arzneipflanzenforschung und
Moderator des Seminars »Arzneistoffe aus der Natur«,
hat
LSD unter allen natürlichen Wirkstoffen, die im letzten
Jahrhundert isoliert worden sind, das größte allgemeine
Interesse gefunden. Aus wissenschaftlicher Sicht fasziniert vor allem
die Pharmakologie des LSD. Es wirkt hochpotent im Mikrogramm - Bereich,
und es scheint nicht einmal toxisch zu sein, was aber natürlich
nicht ausschließt, daß die Anwendung der halluzinogenen
Droge lebensgefährlich sein kann.
Dennoch: LSD ist derzeit kein bevorzugtes Objekt der Naturstofforschung. Das hat das Seminar in Basel klar gezeigt. LSD wurde in den 50er- und 60er-Jahren von der Firma Sandoz unter dem Namen Lysergid® in den Handel gebracht. Daß es nach seiner anfangs Erfolg versprechende Anwendung in der Psychiatrie zu einem gesellschaftlichen Problem wurde und daraufhin verboten oder zumindest geächtet wurde, beklagen der Entdecker Albert Hofmann und viele andere Wissenschaftler – und noch mehr Künstler – bis heute. LSD hat keinen anerkannten Platz in unserer Gesellschaft gefunden, das heißt: Wer LSD nimmt, stellt sich außerhalb der Gesellschaft. Ethisch und politisch motivierte Urteile unterliegen dem Zeitgeist und sind vergänglich. Dagegen ist das Potenzial eines Wirkstoffs eine relativ beständige Größe. Man braucht kein Prophet zu sein, um vorauszusagen, daß LSD eine latente Herausforderung für die Wissenschaft darstellt und irgendwann einmal »wieder entdeckt« wird. Caesar, Wolfgang: LSD und andere
(Arznei-)Drogen
in: Deutsche Apotheker Zeitung vom 9.
Februar 2006, Nr. 6 S. 552; 60
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LSD und andere Psychedelika als Medikamente – Zitate in Auszügen |
Es sind Geschichten, die am LSD-Symposium
erzählt werden –
Krankengeschichten, an deren Ende die Heilung steht, die Besserung oder
wenigstens die Linderung. Etwa die Geschichte einer amerikanischen
Krebspatientin im Endstadium, deren Schmerzen dermaßen stark
geworden
sind, daß sie nicht einmal mehr auf Morphin reagiert und sich das
Leben nehmen will. Sie erhält eine Kombination von LSD und MDMA,
das in
der Szene als Ecstasy gehandelt wird. Zuerst schüttelt es sie in
allen
Gliedern durch. Dann weichen die Schmerzen von ihr, sie ist bei klarem
Bewußtsein und kann ihren ganzen Körper wieder spüren.
Zwei Tage
später stirbt sie friedlich im Beisein ihrer Eltern.
Oder die Geschichte jenes britischen Patienten, der sich am LSD-Symposium über die Behandlung so genannter Cluster-Kopfschmerzen informiert. Das sind seltene, äußerst schmerzhafte Attacken, gegen die kein Medikament mehr weiterhilft. Dem Briten wird in Basel von Forschern bestätigt, was er von Leidensgenossen im Internet erfahren hat. Daß sich seine Kopfschmerzen mit Hilfe von LSD oder Psilocybin nicht nur behandeln lassen, sondern auch der Schmerzzyklus vor dem Ausbruch unterlaufen werden kann. Oder dann die Geschichten von Gewaltopfern
und Kriegsveteranen, die
unter dem posttraumatischen Streßsyndrom leiden,
arbeitsunfähig
werden, in Depressionen versinken oder in die Sucht abgleiten. Die
amerikanische Regierung gibt allein für die Behandlung von
Kriegsveteranen jährlich 4,2 Milliarden Dollar aus, viele von
ihnen
haben in Afghanistan und im Irak gekämpft. Forscher in den USA
haben
eine kleine Patientengruppe mit MDMA behandelt. Im Vergleich zur
Kontrollgruppe, die nur Placebo erhielt, verbesserte sich ihr Zustand
in den allermeisten Fällen dramatisch, wobei die Besserung noch
Monate
später nachweisbar blieb.
Das alles sind Geschichten, keine Märchen. Daß sie zu Ende erzählt werden können, deutet auf einen Gesinnungswandel hin. Die Fachwelt hofft darauf, die therapeutische Wirkung solcher Substanzen weiter – und wieder – erforschen zu können. Über 80 Experten treten in Basel auf, Chemiker und Pharmakologen, Psychologinnen, Ärzte, Ethnologinnen, Biochemiker, Neurowissenschafter und Psychiater. Sie haben einen weltweiten Appell zuhanden der Behörden unterzeichnet, der Forschung und Therapie mit Halluzinogenen wieder ermöglichen soll. Und bei aller Skepsis über Rückfälle in der Drogenpolitik, bei aller Frustration über anhaltende Repression und politische Verbotsreflexe durchweht eine Aufbruchstimmung den Kongreß. Seit den Endsechzigern war die Hoffnung nicht mehr so groß, die Resultate früherer Experimente weiterzuentwickeln. Und die Fachleute lassen keinen Zweifel an ihrem wissenschaftlichen Anspruch. Das Bundesamt für Gesundheit verhalte sich sehr aufgeschlossen und bestehe einzig auf saubere Versuchsplänen, bestätigt Franz Xaver Vollenweider, weltweit anerkannter Grundlagenforscher über die Wirkung von Halluzinogenen. Der Zürcher Psychiater und Hirnforscher sieht die Indikation von Halluzinogenen bei der Behandlung von Depressionen, Zwängen, Bulimie und anderen schwer behandelbaren Störungen. Auch in der Schweiz sind Pilotversuche in Vorbereitung oder kurz vor der Bewilligung, darunter eine Studie über Patienten mit posttraumatischem Streßsymptom. Auffälliger gestaltet sich der Gesinnungswandel in den USA. Die amerikanische Drogenbehörde reagiere viel offener als früher, sagt der Psychologe Rick Doblin, der die Forschergruppe Multidisciplinary Association for Psychedelic Studies (MAPS) anführt und in Basel als energischer Pragmatiker auftritt. Von den politischen Parteien kämen positive Signale, sagt er, selbst die Bush - Regierung habe, die permanent steigenden Gesundheitskosten im Nacken, das therapeutische Potenzial von Halluzinogenen anerkannt. Für Doblin geht es jetzt darum, »diese Substanzen vom Ruch der Gegenkultur zu befreien«. Sein Ziel ist ihre Verschreibbarkeit. Büttner, Jean-Martin:
Halluzinigene als
Medikament und Sakrament
in: Tagesanzeiger vom 18. Januar 2006 http://www.tagesanzeiger.ch/dyn/leben/print/gesundheit/582955.html Aldous Huxley war Anfang der Sechziger einer
der großen Apostel
der
Droge. Auf dem Totenbett bat er, ihm LSD zu verabreichen, was ihm laut
einem Bericht seiner Frau einen schmerzfreien Tod bescherte. Seit
einigen Jahren bemühen sich verschiedene Ärzte und Psychiater
darum,
wieder mit LSD arbeiten zu dürfen. Die Berichte über diese
Arbeit waren
Höhepunkte des Symposiums, allein schon deshalb, weil hier der
ganze
phantastometaphysische Überbau wegfiel. Rick Doblin von der
Organisation Multidisciplinary Association for Psychedelic Studies
(MAPS) setzt sich ebenso für eine kontrollierte Aufnahme
medizinischer
Studien ein wie der aus der Tschechoslowakei stammende Psychiater Juraj
Styk, der in den sechziger Jahren in Prag LSD in klinischen Versuchen
einsetzte. Die amerikanische Gesundheitsbehörde FDA gab dem
Psychiater
Charles Grob jüngst grünes Licht für seine Studie mit
dem ebenfalls von
Albert Hofmann entdeckten Halluzinogen Psilocybin, mit dem Grob
Sterbenden die letzten schmerzhaften Tage erleichtern will. Steht also
eine behutsame Renaissance des LSD bevor?
Rühle, Alex: LSD-Kongreß in
Basel –
Kinners, mir wird so blümerant
in: Süddeutsche Zeitung vom 17. Januar 2006 http://www.sueddeutsche.de/kultur/artikel/294/68226/print.html Auch als Schmerzmittel wurde die Droge
eingesetzt. Zum Beispiel verabreichte der Chicagoer Psychiater Eric
Kast in den 60er-Jahren sterbenskranken Krebspatienten LSD anstatt
eines Schmerzmittels. Die Probanden waren 30- bis 45-mal länger
schmerzfrei als Patienten, die herkömmliche Analgetika erhalten
hatten.
Außerdem sahen sie dem Tod gefaßter entgegen. »Sie
hatten
sich
psychologisch von ihrem Schmerz getrennt und den Schmerz beim
Körper
gelassen«, sagte Albert Hofmann später in einem
Zeitungsinterview.
Wimmer, Monika: Als die Farben zu
leuchten
begannen
in: Berliner Zeitung vom 11. Januar 2006 http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/wissenschaft/516424.html Mit der Entdeckung der halluzinogenen
Eigenschaften war LSD plötzlich interessant. Der tschechische
Seelenarzt Stanislav Grof lobte LSD als »Teleskop der
Psychiatrie«: Es bringe unbewußte, verdrängte
Seelenteile ans Licht, die sonst kaum zugänglich seien. Die
Erfolgsaussichten einer Psychoanalyse würden damit drastisch
erhöht.
Bis Mitte der Sechzigerjahre waren über 1.000 Fachartikel erschienen, in denen LSD bei Depressionen, Angst- und Zwangsneurosen, Süchten und anderen Leiden eine verheißungsvolle Wirkung attestiert wurde. Zur gleichen Zeit machte LSD auch als Droge Karriere. Die Folge: LSD wurde, wie andere halluzinogene Substanzen, vor rund 40 Jahren verboten. Auch die medizinische Anwendung und Forschung mußte damit auf Eis gelegt werden. Seit kurzer Zeit kehren psychedelische Drogen jedoch zaghaft in die Medizin zurück. Auch LSD. So bereitet John Halpern von der Harvard University in Boston derzeit eine klinische Studie vor, in der die Wirkung von LSD bei extrem starken Kopfschmerzen, so genannten Clusterkopfschmerzen, getestet werden soll. Allerdings weiß man mittlerweile, daß sich andere Halluzinogene weitaus besser für den medizinischen Einsatz eignen als LSD. Psilocybin beispielsweise, der Wirkstoff der Magic Mushrooms, oder DMT (Dimethyltryptamin). Die beiden Substanzen wirken deutlich weniger lang als LSD. Die Gefahr, damit einen Furcht einflößenden Trip zu erleben, ist gering. Ein Team um Felix Hasler von der Psychiatrischen Universitätsklinik in Zürich konnte kürzlich in einer Studie mit acht gesunden Probanden zeigen, daß der kurzzeitige Konsum von Psilocybin weder psychische noch körperliche Schäden hinterläßt. Das Gefahrenpotenzial von DMT soll demnächst in einer Studie in Deutschland getestet werden. Inwiefern Psilocybin unheilbar kranken Krebspatienten die Angst vor dem Tod nehmen kann, wird derzeit an der University of California in Los Angeles untersucht. An der Universität Tucson in Arizona testet man, inwieweit der Magic - Mushroom - Wirkstoff bei der Behandlung von Zwangsstörungen helfen kann. Für den größten Wirbel sorgt derzeit allerdings der therapeutische Einsatz von Ecstasy. Die Partydroge mit dem chemischen Kürzel MDMA (3,4-Methylendioxyamphetamin) soll als pharmakologischer Gefühlsöffner dienen. Der amerikanische Psychiater Michael Mithoefer setzt MDMA in Kombination mit Psychotherapie bei Traumaopfern ein. Neuerdings darf er auch Kriegsveteranen damit therapieren, bei denen sich schreckliche Erlebnisse ins Gedächtnis eingebrannt haben. In Harvard wiederum will John Halpern die Todesangst von Krebspatienten im Endstadium mit MDMA lindern. Olff, Sabine: Leises Comeback von LSD
und Co.
in: SonntagsZeitung vom 15. Januar 2006 Für LSD, das in den fünfziger und
sechziger Jahren ohne Zweifel große Auswirkungen auf die
verschiedensten Lebensbereiche von der Psychiatrie über die Kunst
bis hin zur Politik hatte, scheint das Rennen trotz Kongreß
vorerst gelaufen zu sein. Immerhin wäre es aber möglich,
daß Psilocybin, der kleine und weniger berüchtigte Bruder
von LSD, in Forschung und Psychotherapie eine gewisse Karriere macht.
Dieses kosmische Gewürz wirkt kürzer, hat eine
überschaubare Pharmakologie und ist auch in der
bewußtseinsverändernden Wirkung deutlich
konsumentenfreundlicher als das notorisch zickige und stimmungslabile
LSD. Ehre, wem Ehre gebührt: Auch diesen Wirkstoff hat
schließlich Albert Hofmann aus Pilzen isoliert und synthetisch
hergestellt. (Und selbstverständlich auch ausprobiert.) Ein guter
Vater liebt alle seine Kinder. Somit kann Hofmann mit Gelassenheit der
zukünftigen Entwicklung seines chemischen Nachwuchses
entgegensehen. Und trotz beträchtlicher ideologischer
Reibungsflächen gibt es an der LSD-Konferenz immerhin einen ganz
großen Konsens. Ob Professor im dunklen Anzug oder Acid - Test -
bestandener Althippie mit Batikhemd: Alle lieben Albert Hofmann.
Hasler, Felix: Alle lieben Albert, in:
Die Weltwoche, Ausgabe 3/06
|
Günter Amendt zu LSD
und Bewußtseinserweiterung |
Meine Erfahrungen mit halluzinogenen Drogen
haben meine politischen Überzeugungen nicht für eine Sekunde
ins Wanken gebracht. Sie haben meinen Blick geschärft und meine
Wahrnehmung sensibilisiert, sie haben mir sinnlich erfahrbar gemacht,
was mir analytisches Denken schon lange vorher bewußt gemacht
hatte: Es gibt mehr als nur eine Realität und folglich auch mehr
als nur eine Wahrheit. Den chemisch erzeugten Fehlschaltungen im Hirn
und den wilden Assoziationen, die sie auslösten, verdanke ich
außergewöhnliche Kommunikationserfahrungen, tiefe
Erkenntnisse und starke Gefühle. Sie zu verarbeiten dauerte Tage,
Wochen, oft Monate. Ich habe mir die Zeit genommen. Auch wenn ich dem
propagandistischen Gerede von einer Bewußtseinserweiterung unter
dem Einfluß von LSD immer mit Skepsis begegnet bin, kann ich
nicht umhin, die neuen Einsichten, die ich über das
Verhältnis von Mensch und Natur gewonnen habe, als eine
Bewußtseinserweiterung zu bezeichnen.
Es ist ratsam, Learys Slogan »Just say know« zu befolgen. Die Reise nach seinen Regeln vorzubereiten, lohnt sich, auch wenn ich manches, was Leary gesagt und geschrieben hat, für konfus, geschwätzig und reaktionär halte. Je mehr er die ihm angetragene Gururolle annahm und verinnerlichte, desto geringer wurde sein Gefühl für Verantwortung. ... LSD ist eine Droge nur für Erwachsene. Das kann gar nicht oft genug gesagt werden. Denn die Droge zielt unmittelbar auf den Erfahrungsschatz eines Menschen. Sie spielt mit diesen Erfahrungen, verstärkt sie, verzerrt sie und setzt sie neu zusammen, mal in Farbe, mal in schwarzweiß. Glücklich, wer dabei auf einen reichen Erfahrungsschatz zurückgreifen kann. Sonst bleiben nur Erschöpfung und Leere, wie nach jedem kräftezehrenden Konsumtrip. Amendt, Günter: Are you
experienced?
in: Die Wochenzeitung vom 12. Januar 2006 http://www.woz.ch/artikel/print_12790.html |
LSD-Führerschein |
Angesichts dieser kommenden
Herausforderungen plädiert der Bewußtseinsphilosoph Thomas
Metzinger für einen neuen Umgang mit psychoaktiven Substanzen.
Statt diese in die Illegalität abzudrängen (wo sie ihre
unheilvolle Wirkung erst recht entfalten), sei es wichtig, eine neue
»Bewußtseinsethik« zu schaffen. »Die
Forschung hat gezeigt, daß sich das Kosumentenverhalten durch
soziale
Kontexte effektiver steuern läßt als durch neue Gesetze.«
Der Philosoph, der sich schon von Berufs
wegen mit Bewußtseinserweiterung befaßt, kann sich etwa in
einem Pilotprojekt die Einführung eines »LSD-Führerscheins«
vorstellen: Wer ihn erwerben wolle, müsse in einem Eignungstest
seine psychische Stabilität nachweisen und eine private
Pflegeversicherung abschließen. Außerdem müsse jeder
Kandidat eine Prüfung in Theorie und fünf »psychedelische
Fahrstunden« unter fachkundiger Begleitung absolvieren.
Danach solle ihm der Erwerb von maximal zwei Einzeldosen pro Jahr in
der Apotheke erlaubt werden.
Schnabel, Ulrich: Die Kernkraft der
Seele
in: Die Zeit vom 12. Januar 2006 Nr. 3 http://www.zeit.de/2006/03/LSD |
Cisco-Techniker empfiehlt LSD und Hippiemusik |
Im Drogenrausch habe Kevin Herbert,
Technologieexperte beim Netzwerkunternehmen Cisco Systems, die
hartnäckigsten Probleme gelöst. Das gestand er
anläßlich des 100. Geburtstages von LSD-Erfinder Albert
Hofmann. Die Droge solle die hirninterne Kommunikation verändern
und ungenützte Regionen aktivieren. Zudem sei Musik der Gruppe
Grateful Dead äußerst anregend für Programmierer und
Techniker.
Die Wirkung von LSD auf seine Arbeit beschrieb er mit den Worten: »Ich hörte auf zu denken und begann zu wissen.« Diese Offenbarung machte er vor 2.000 Wissenschaftlern und Historikern auf einer Ehrenveranstaltung für Hofmann in Basel und sprach sich weiters gegen Drogentests bei Cisco-Mitarbeitern aus. o.A.: Aufhören zu denken –
Cisco-Techniker empfiehlt LSD und Hippiemusik
in: Kronenzeitung vom 28. Janar 2006 http://www.lsd.info/symposium/presse/Kronen_Zeitung_Asterreich_.pdf |
Zwischen Politik und Spiritualität |
Eine Männerrunde –
charakteristisch
für jene Zeit – zeichnete die
eigene Existenz und Befindlichkeit im Stichjahr 1966 nach. Urban
Gwerder, Zürcher Poet und Ein-Mann-Produzent der Zeitschrift
»Hotscha!« – damals europaweit die beste
Untergrundpublikation, wie ihm attestiert
wurde –, war gerade 22 Jahre alt und lebte wie viele damals vom
Postsack-Verladen. Ronald Steckel, heute Komponist und Regisseur in
Berlin, war dem dumpfen Nachkriegsdeutschland nach London, diesem Mekka
der amerikanischen Kriegsdienstverweigerer, entflohen. Bernd
Brummbär,
heute Künstler in Kalifornien, hatte sich der Bundeswehr entzogen
und
war ebenfalls in London gelandet, wo er sich als Pflastermaler
über
Wasser hielt und später als Zen-Mönch durch die Welt zog.
Alle waren
sich einig, daß früher Nischen zum Überleben leichter
zu finden waren
als heute. Auch Werner Pieper, seit 35 Jahren Verleger in Heidelberg
und Übersetzer amerikanischer Autoren in der »Edition
Rauschkunde«,
landete 1967 in London, wo er mit 18 Jahren LSD kennen und mit ihm
dealen lernte.
Bereits 36 Jahre alt war damals Sergius Golowin, der in Burgdorf aufgewachsene Geschichten - Sammler und -Erzähler. Er erlebte die sechziger Jahre in Paris. Der Amsterdamer Poet Simon Vinkenoog, Weltbürger in der Selbstdefinition, hatte als Kind die deutsche Okkupation erlebt und nahm später an einer klinischen Studie mit LSD teil. Mitte der sechziger Jahre erlebte er in London, wie amerikanische Dienstverweigerer ihren Paß zerrissen. Viele Jugendliche aus Europa gingen auf Distanz zu ihren Heimatländern, da diese ihre Mitschuld am Krieg von sich wiesen. Antiautoritäre Impulse kamen aus den USA: die Civil - Rights- und die Flower - Power - Bewegung. Die Konfliktlinie zwischen »Polit-Freaks« und »Drogen-Freaks«, die die Jugendkulturen durchzog, kam auch zur Sprache. 1969 sei es in Berlin nicht um Bewußtseinserweiterung gegangen, sondern um die Bewaffnung der Bewegung, die in die Rote - Armee - Fraktion mündete. Andreas Bader habe LSD eingesetzt, »um das Gewissen der Leute zu knacken«. Der Mythos sechziger Jahre erfuhr hier eine scharfe Korrektur. He.: Biochemischer Schub für den
gesellschaftlichen Aufbruch
|
Zitate aus »St.Petri-Schnee« von
Leo
Perutz |
Der Pfarrer: »Glauben heißt
begnadet
sein. Der Glaube ist das Werk Gottes in uns und er kann nur lebendig
werden durch geduldige Arbeit, durch dienende Liebe und durch
Gebet.«
Die Pharmakzeutin: »Nein, auch durch Chemie.« (S.
114)
Der Baron: »Das, was wir
religiöse Inbrunst und Ekstase des
Glaubens nennen, bietet als Einzel- wie Massenerscheinung fast immer
das klinische Bild eines durch ein Rauschgift hervorgerufenen
Erregungszustandes.« (S. 115)
Der Baron: »Es gibt – oder es gab –
eine Getreidekrankheit, die
in früheren Jahrhunderten oft beschrieben worden ist, und in jeder
Gegend, in der sie auftrat, war sie unter einem anderen Namen bekannt.
In Spanien hieß sie 'die Magdalenenflechte', im Elsaß 'der
Armen-Seelen-Tau'. Das 'Arztbuch' des Adam von Cremona beschrieb sie
unter dem Namen 'Misericordia-Korn', in den Alpen war sie als
'St.Petri-Schnee' bekannt. In der Umgebung von St. Gallen nannte man
sie den 'Bettelmönch' und im nördlichen Böhmen die 'St.
Johannis-Fäule'. Hier bei uns im Westfälischen, wo sie
besonders oft auftrat, hieß sie bei den Bauern 'der
Muttergottesbrand'. (...) Und nun beachten Sie, daß alle Namen,
die ich ihnen aufgezählt habe, etwas gemeinsames besitzen: die
Verknüpfung mit religiösen Vorstellungen.« (S. 121)
Es gelang der Pharmazeutin, durch ein
Destillationsverfahren aus dem
Pilz das flüssige Rauschgift zu gewinnen, und die Analyse, die sie
vornahm, ergab: »Die wirksamen Bestandteile sind eine Anzahl
Alkaloide. Außerdem finden sich noch kleinere Mengen harzartiger
Produkte und ein wenig Sphazelynsäure vor und schließlich
lassen sich eine Spur einer öligen Substanz nachweisen.«
(S.
127)
Der Baron: »Dieses Mittel (dieses
Alkaloid) schädigt in
keiner Weise den Organismus. Es ruft rein psychische Wirkungen hervor,
vorübergehende Wirkungen übrigens. Es macht vielleicht den
Mann für kurze Zeit ein wenig glücklicher – das ist
alles.« (S. 79)
|
Albert Hofmann: LSD ist eine sakrale Droge |
Ich verstehe darunter
Substanzen, die seit
Jahrtausenden immer im zeremoniellen Rahmen gebraucht wurden, und bei
denen ein Tabu lastete. Der gewöhnliche Sterbliche darf diese
Stoffe, diese Pflanzen nur gebrauchen im Rahmen ... einer heiligen
Feier unter der Leitung des Schamanen. Es waren Drogen, die deshalb
diesen Schutz nötig hatten, weil sie zutiefst in den Menschen, den
Menschen verändern. .... Das Bewußtsein ist eigentlich
die göttliche Gabe, die den Menschen beschieden ist. Deswegen
waren immer diese bewußtseinsverändernden Drogen im
Gebrauch. Sie konnten nur im rituellen Rahmen gebraucht werden. Das ist
auch die große Schwierigkeit heute: Wir haben keinen
zeremoniellen Rahmen mehr. |
Franz Xaver Vollenweider über LSD |
Körperliche Wirkungen hat
man nie gesehen,
daß langfristig sich irgendetwas verändert habe oder
daß es Entzugssymptome gäbe. |
Und der klinische Psychiater und Drogenforscher Thorsten Passie an der Abteilung für klinische Psychiatrie und Psychotherapie der Medizinischen Hochschule Hannover meinte am LSD-Symposium:
Thorsten Passie über LSD |
Herausgefunden hat man,
daß man
tatsächlich, wenn man die Leute vernünftig vorpräpariert
hat, das heißt mit ihnen zwei bis drei Gespräche vorher
führt und so eine gewisse Beziehung zu dem Durchführenden
herzustellen und die auch im entsprechend günstiger gestalteten
Räumen mit ein bisschen Musik usw. sitzen läßt und
quasi sich ihrer inneren Selbsterfahrung überläßt,
daß diese Leute danach doch erhebliche, mindestens ein
Drittel dieser Leute, erhebliche Veränderungen im
Persönlichkeitsbild, also in positiver Hinsicht – also weniger
Pathologie, weniger pathologische Charakterzüge, und auch in Bezug
auf die Lebensführung und die Werte der Welt dieser Leute – sich
doch erheblich verändert hat, so daß man eigentlich schon
sagen kann, doch, das wurde durchaus gefunden, daß LSD im
angemessenen Rahmen unter angemessenen Bedingungen durchaus auch
positive Wirkungen hinterlassen kann. Und, was auch noch aufregend war:
Irgendwelche pathologischen Effekte oder Umbiegungen der
Persönlichkeit in negativer Hinsicht konnten in den Studien gar
nicht berichtet werden, obwohl die doch schon eine Probandenanzahl von
nahezu 100 hatten. |
1933 |
Leo Perutz veröffentlichte den Roman »St.Petri-Schnee«, in dem er die Extraktion eines Mittel aus dem Mutterkorn beschrieb, das ohne den Organismus zu schädigen psychische Reaktionen hervorruft, die einer religiösen Inbrunst sehr ähnlich sein können und auch glücklich machen können. |
1938 |
Albert Hofmann synthetisierte in den Labors des Basler Pharmakonzerns Sandoz erstmals Lysergsäurediäthylamid (LSD). Basis war ein Inhaltsstoff des Mutterkorns. Die Verbindung wurde im Tierversuch getestet, wo sie keine besondere Wirkung zeigte. |
1943 |
Albert Hofmann stellte am Freitag,
den 16. April
1943, die Substanz LSD erneut her – aus dem
unbestimmten Gefühl heraus, der Stoff müsse doch irgendetwas
bewirken.
Offenbar gelangte er damit unabsichtlich in Berührung. Hofmann
verspürte
plötzlich »ungewöhnliche Empfindungen«,
fuhr mit dem Fahrrad nach
Hause und versank in einen rauschartigen Zustand, »der sich
durch eine
äußerst angeregte Fantasie kennzeichnete«.
Drei Tage später, am Montag, den 19.
April 1943, unternahm Albert
Hofmann einen Selbstversuch mit der, wie er meinte, »kleinsten
Menge, von der noch irgendein feststellbarer Effekt erwartet werden
konnte« – 0,25 Milligramm LSD, aus heutiger Sicht eine
gewaltige
Dosierung. Hofmann hatte das Gefühl, wahnsinnig zu werden.
»Die
Substanz, mit der ich hatte experimentieren wollen, hatte mich besiegt.
Sie war der Dämon, der höhnisch über meinen Willen
triumphierte. (…)
Ich war in eine andere Welt geraten, in andere Räume, mit anderer
Zeit.« Eilig wurde ein Arzt gerufen, der allerdings keine
abnormen
Symptome feststellen konnte. Hofmann glaubte an eine Vergiftung, trank
in der
Nacht »alle irgendwie beschaffbare Milch« und blieb
einen
ganzen Tag
lang im Bett. »Tags darauf konnte ich vollkommen normal und
frisch die
Arbeit im Laboratorium wieder aufnehmen«, notierte er im
Bericht
für
seine Vorgesetzten.
|
1947 |
Sandoz bot LSD (Markenname
Delysid®) einigen
Wissenschaftlern »zur seelischen Auflockerung bei analytischer
Psychotherapie und für experimentelle Untersuchungen über das
Wesen der
Psychosen« an. Die erste wissenschaftliche Publikation über LSD weltweit wurde von Werner A. Stoll unter dem Titel »Lysersäure - Diäthylamid, ein Phantastikum aus der Mutterkorngruppe« veröffentlicht. In der im Artikel beschriebenen Studie betreff des Einflusses von LSD auf das Bewußtsein wurde die Gabe von insgesamt 19 LSD-Applikationen an 16 gesunden Personen und 20 Applikationen an sechs Personen mit der Diagnose Schizophrenie verglichen. |
1949 |
Der Psychiater Max Rinkel brachte
als erster LSD in die USA und begann in Boston mit dieser Substanz zu
experimentieren.
Der Direktor der CIA, Allen Dulles,
iniziiert ein Geheimprogramm unter dem Decknamen »Bluebird«
um das Potenzial von LSD zur Bewußtseinskontrolle zu analysieren.
|
1950 |
Bei Versuchen mit radioaktivem
LSD stellte man
fest, daß LSD sich nicht im Gehirn, sondern vor allem in Magen,
Leber und Nieren konzentriert. Die Operation »Bluebird« der CIA wurde ausgeweitet und unter dem Namen »Artischocke« weitergeführt. Die CIA wollte den Nutzen von LSD als Waffe untersuchen wie auch Verteidigungsmöglichkeiten für den Fall, daß diese Droge gegen Bürger der USA eingesetzt werde, ausloten. |
1951 |
Albert Hofmann lud den befreundeten Schriftsteller Ernst Jünger zu einem Selbstversuch ein, dem ein intensiver Briefwechsel über die Wirkung von Drogen folgte. Jünger schrieb: »Der Wein hat bereits viel verändert, hat neue Götter und eine neue Humanität mit sich gebracht. Aber der Wein verhält sich zu (…) LSD, wie die klassische zu der modernen Physik. Erprobt sollten diese Stoffe nur in kleinen Gremien werden.« |
1952 |
Allen Ginsberg und die Beatniks
glaubten, man
müsse den Verstand übergehen, um ein Zenbewußtsein zu
entfalten. Halluzinogene Substanzen seien die einfachsten Mittel
hierfür. |
1953 |
Die CIA wollte den gesamten
LSD-Bestand von
Sandoz aufkaufen. Man einigte sich auf Lieferungen von 100 Gramm pro
Woche (100 Gramm entsprechen einer Million Trips à 100
Mikrogramm). Zudem willigte Sandoz in die Nennung aller Bezieher von
LSD an die CIA. Um nicht von der neutralen Schweiz abhängig zu
sein, drängte die CIA den US-Pharmakonzern Eli Lilly, LSD zu
synthetisieren. Die CIA erweiterte nochmals ihr LSD-Forschungsprogramm
und nannte es fortan »MK-ULTRA«. In den folgenden 12
Jahren wurden etwa 150 verschiedene Geheimprojekte in Kooperetion mit
150 verschiedenen Institutionen durchgefüht.
Am 29. November 1953 stürzte sich Dr.
Frank Olson, ein für
das US-Militär tätiger Biologe, aus dem zehnten Stock eines
Hotels. Die Angehörigen hielten einen Selbstmord für
ausgeschlossen und forderten eine Untersuchung. Vergeblich. Erst
Jahrzehnte später wurde jene Geheimakte freigegeben, welche die
Hintergründe des Todessturzes enthüllte. Es stellte sich
heraus, daß Olson einige Tage vor dem Vorfall bei Kollegen zu
Besuch war. Nach dem Abendessen genehmigte er sich ein Glas Cointreau.
Er ahnte nicht, daß ein CIA-Offizier zu Versuchszwecken 0,07
Milligramm LSD in sein Getränk gemischt hatte. Er erlitt eine
Panikattacke, fühlte sich noch am folgenden Tag verwirrt und
niedergeschlagen. Wie er es schließlich geschafft hatte, durch
das geschlossene Fenster des Hotelzimmers zu springen, darüber
schwieg sich die Akte aus.
Die Psychiater Humphery Osmond und John
Smythies schrieben in einem
Essay: »Niemand ist wirklich kompetent, Schizophrenie zu
behandeln, der nicht selber die Welt der Schizophrenie erfahren hat.
Das ist möglich, indem man Meskalin nimmt.« Im Mai 1953
trank Aldous Huxley
erstmalig unter der Aufsicht von Humphery Osmond in Wasser
gelöste
Meskalinkristalle. Danach telegraphierte Huxley seinem New Yorker
Herausgeber Michael Horowitz: »Meskalin ist die
außergewöhnlichste und
bedeutendste Erfahrung für ein Menschliches Wesen diesseits einer
göttlichen Offenbarung.«
|
1954 |
Der Schriftsteller Aldous Huxley
veröffentlichte das Buch »The Doors of Perception«
(Die
Pforten
der Wahrnehmung), in dem er seine Drogenerfahrungen beschrieb. Das Buch
wurde in der Folge zu einem Grundlagenwerk der psychedelischen Bewegung.
Dem
amerikanischen Pharmakonzern Eli Lilly gelang die rein
chemische
Synthese von LSD. Mutterkorn als Grundsubstanz war zur Produktion von
LSD nicht mehr vonnöten. Die USA respektive die CIA waren nicht
mehr abhängig von LSD-Lieferungen aus der Schweiz.
Der Psychiater Oscar Janiger nahm
LSD. Danach vertrat er vehement die
Ansicht, daß LSD nur unter ärztlicher Kontrolle eingenommen
werden dürfe. Den Psychiater aus Los Angeles interessierte jedoch
die Wirkung der Droge auf die Kreativität und auf die
Fähigkeit der Künstler, ein Stadium des »bewußten
Verrücktseins« zu erreichen, ohne dabei die Kontrolle
über die Umgebung zu verlieren. Er testete als Psychotherapeut LSD
in den Jahren 1954 bis 1962 an etwa 1.000 Freiwilligen. Insgesamt
verbrauchte er 3.000 LSD-Trips für seine Studien, 13 davon
konsumierte er selbst, dem Schauspieler Cary Grant verabreichte
er fast
100 Trips.
|
1955 |
Der Psychiater Humphrey Osmond
prägte den
Begriff »psychedelisch« (die
Seele erhellend, die Seele entfaltend) in einem Brief an Aldous
Huxley. Der in Prag tätige Psychoanalytiker Stanislav Grof,
der später die »transpersonale Psychologie«
begründete, nahm erstmalig LSD. In der Folge setzte er LSD zu
therapeutischen Zwecken ein.
Der Bankier, Vizepräsident der J.P.
Morgan & Co., und Pilzfreund Gordon Wasson reiste mit
seiner aus Rußland stammenden Frau Valentina Wasson nach
Mexiko, um den Zauberpilz teonanacatl zu suchen. Als erster
Weißer nahm er und sein Reisbegleiter, der Photograph Allan
Richardson am 29. Juni 1955 hoch in den Bergen der Provinz Oaxaca
an den geheimen Ritualen der Mazatek-Indianer
teil.
Zeremonienmeisterin war Maria Sabina. Wasson postulierte, die
rituelle Einnahme psychoaktiver Substanzen
führe
zur Religion.
Der Schriftsteller Aldous Huxley
nahm erstmalig LSD. Auch seine Frau Laura fand gefallen am LSD:
»Sorgsam und spärlich angewendet, kann LSD ein direkter
Weg zum spirituellen Erwachen sein.« Er und seine Frau
begannen danach
eine Elite von Künstlern, Wissenschaftlern und Publizisten mit LSD
und anderen Psychedelika bekannt zu machen.
|
1956 |
Aldous Huxley
veröffentlichte sein Buch »Heaven and Hell«
(Himmel und Hölle), das in der Folge zu einem Klassiker in der
psychedelischen Szene wird. |
1957 |
Das Life-Magazin
veröffentlichte in einem 17 Seiten langen Artikel die These
von Gordon Wasson, daß die Entstehung von Religion eng
mit der
rituellen Einnahme psychedelisch wirkender Substanzen verbunden sei.
Dieser Artikel machte den Psychologen Timothy Leary auf
psychedelische Substanzen aufmerksam. Gordan Wasson hatte dem in Paris tätigen Mykologen Roger Heim Pilze geschickt, damit dieser dieselben untersuchen möge. Diesem war es gelugnen, die Pilze auf einem künstlichen Nährboden zu züchten. Dann übergab dieser Albert Hofmann ein paar Pilze zur chemischen Analyse. Kurze Zeit später isolierte Hofmann die Wirkstoffe Psilocin und Psilocybin und synthetisierte auch die beiden Wirkstoffe. Der Psychiater Humphrey Osmond führte den Begriff »psychedelisch« (die Seele erhellend, die Seele entfaltend) an einer Konferenz an der Akademie der Wissenschaften in Ney York als Fachbegriff in den Wissenschaften ein. |
1958 |
Die Schriftstellerin Anaïs Nin
pobierte unter der Aufsicht des Psychiaters Oscar
Janiger erstmalig LSD.
Die Ansicht zahlreicher Therapeuten,
daß mit LSD Heilungsprozesse
zu beschleunigenseien, verdrängte den psychotomimetischen, das
heißt Psychosen nachahmenden, Ansatz zur Klassifizierung von LSD.
Duncan Blewett und Nick Chwelos
veröffentlichten das erste Handbuch im Sinne eines Leitfadens
für die LSD-gestützte Einzel- und Gruppentherapie.
|
1959 |
LSD-Sitzungen wurden in Hollywood
populär,
ja, sie wurden zu einem Muß für alle in der Filmstadt, die
mitreden wollten.
»Ich wurde wiedergeboren«
erklärte Cary Grant nach einem LSD-Trip. Aldous Huxley
und Allen
Ginsberg propagierten in elitären Zirkeln LSD zur
Bewußtseinserweiterung.
|
1960 |
Der Psychologe Timothy Leary machte
in Mexiko seine ersten Erfahrungen mit Zauberpilzen und begann dann mit
Frank Barron an
der
Harvard University das
Psilocybin Projekt. Das Psilocybin erhielt er von der Firma Sandoz in
Basel, das heißt, bei diesem Projekt wurde synthetisches
Psilocybin verwendet. Leary lud viele bekannte Persönlichkeiten
zur Teilnahme an dem Projekt ein, so u.a. Aldous Huxley, Alan Watts,
Artur Koestler, Allen Ginsberg, Peter Orlovsky, William Burroughs, Jack
Kerouac und Niel Cassady. Leary verwarf den elitären Ansatz von
Huxley
und anders als etwa Oskar Janiger wollte Leary die
Drogenerfahrung der ganzen Menschheit zugänglich machen.
»Listen!
Wake up! You are God!«
Stanislav Grof, der an der
Karls-Universität in Prag Medizin und
Medizinphilosophie studierte, begann bei seiner Arbeit am
psychiatrischen Forschungszentrum in Prag die Wirkung psychedelischer
Drogen (unter anderem LSD) bei Patienten und an sich selbst zu
erforschen. Bis Mitte der 60er Jahre verabreichte er seinen Patienten
(u.a. Alkoholiker) über 4.000 Portionen LSD. Grof lobte LSD als
das »Teleskop der Psychiatrie«.
|
1961 |
Timothy Leary verschob
bei seinem Psilocybin Projekt an der Harvard Universität die
Fragestellungen betreff psychedelische Substanzen vom psychologischen
zum religiösen Bereich. Leray wurde deshalb aufgefordert, die
Vorräte an Psilocybin dem Dekan seiner Fakultät zu
übergeben. Er leistete dieser Anweisung ohne Widerspruch Folge, da
man dort inzwischen mit LSD experimentierte. Mit Richard Alpert und Ralf Metzner entwickelte Leary das Konzept von »Drug, Set und Setting« als Determinanten für psychedelische Reisen. Dabei bedeuten »Drug« die Substanzspezifikation, »Set« die persönliche Befindlichkeit und Erwartungshaltung und »Setting« das Umfeld, in der die Droge eingenommen wird. Alle drei Determinanten respektive Faktoren sind gleichermaßen entscheidend für das Gelingen einer psychedelischen Reise respektive eines guten Trips. |
1962 |
Timothy Leary unternahm mit 21
Theologiestudenten einen
nicht genehmigten
LSD-Versuch. 11 Studenten erhielten LSD, eine Kontrollgruppe von zehn
Studenten bekam statt LSD Nikotinsäure. Neun Studenten, die LSD
erhielten und ein Student, der Nikotinsäure erhielt, berichteten
von einer mystischen Erfahrung. Als die
Presse das Thema aufgriff, schritt die amerikanische Food and Drug
Administration (FDA) ein und konfiszierte die LSD-Vorräte.
Der Schauspieler Cary Grant ging
unter Aufsicht seines Psychiaters Oscar Janiger auf fast 100
Trips. Sie halfen ihm,
Kindheitstraumata und
Potenzprobleme zu überwinden. Seine 72. Drogenerfahrung im April
1962 beschrieb der Filmstar so: »Ich merkte, wie das Licht im
Raum intensiver wurde, und in kurzen Abständen, erschienen mir
Visionen, jedesmal, wenn ich meine Augen schloß. Ich schien in
einer Welt gesunder, rundlicher kleiner Babybeine in Windeln versetzt.
Blut war verschmiert, eine Art genereller Menstruationsaktivität
fand statt. Davor ekelte ich mich aber nicht so wie sonst.«
Aldous Huxley entwarf
in seinem Buch »Eiland« die Utopie einer
psychedelischen Gemeinschaft, in
der die Droge moksha eine zentrale Rolle spielte. Er schickte Hofmann
ein
Exemplar des Buches, gewidmet »dem ursprünglichen
Entdecker
der
moksha-Medizin«. Alan Watts veröffentlichte sein
Buch »The Joyous Cosmoloy« (Kosmologie der Freude).
Das Buch wurde in der Folge ein Klassiker in der psychedelischen Szene.
Im Frühjahr 1962 trafen sich vier
Männer in einem Haus auf
einem Landgut in Deutschland. Daß dort der berühmte
Hitler-Attentäter Stauffenberg aufgewachsen war, blieb
unerwähnt; es ging um Wichtigeres. Die vier Männer richteten
sich in dem grafschaftlichen Wohnzimmer ein, das mit Stilmöbeln
verstellt war und an dessen Wänden alte französische Stiche
hingen. Eine Frau servierte heiße Schokolade. Die vier
Männer saßen in Polstersesseln, nippten an ihren Tassen und
warten. Der Dichter Ernst Jünger trug ein kaftanartiges
Gewand mit
dunkelblauen Streifen, der Pharmakologe Heribert Konzett
steckte in
einem bunt bestickten Mandarinkleid, der Orientalist Rudolf Gelpke
und Albert Hofmann hatten sich Hausmäntel
übergeworfen. Nichts
sollte an die Zumutungen des Alltags erinnern. Mit dem Beginn der
Abenddämmerung war es so weit: Sie schluckten je 20 Milligramm
Psilocybin; einen Stoff, der in seiner Wirkung LSD ähnelt. Die
vier Herren gaben während der Sitzung zu Protokoll:
»Myriaden von Molekülen beugen sich der Harmonie«,
sagte Jünger. »Ein Teil des Ich geht in die
Außenwelt,
in die Dinge über, sie beginnen zu leben, bekommen einen anderen,
tieferen Sinn«, meinte Hofmann. »Es ist die einzige
Möglichkeit, das Absolute existenziell zu erfahren und den
verschütteten Zugang zur mystischen Wirklichkeit wieder
freizulegen«, rief Gelpke aus. »Jetzt verstehe ich,
warum
ich Gelpke ohne Kopf im Sessel sitzen sah«, erwiderte
Konzett,
als das Symposium zu Ende war.
|
1963 |
Timothy Leary, wie auch Richard
Alpert, wurden im Mai 1963 von der Harvard Universität
gefeuert, weil sie Psychologie, Religion und Politik in einer Art
verknüpften, die nicht im Konsens mit dem gültigen
akademischen Reglement war. Daraufhin zogen sie mit der von ihnen
gegründeten »International Foundation for Internal Freedom«
(IFIF) nach Millbrook, New York.
Der Psychiater Roy R. Grinker erklärte in den Archives of General Psychiatry Nr.8 S. 425 im Editorial, daß das affektive Interesse vieler Psychiater, die sich selbst LSD applizierten, an dieser Substanz so groß sei, daß sie aufgrund ihrer mystischen Erfahrung nicht mehr qualifiziert seien kompetent zu forschen und behauptete (allerdings ohne experimentellen Beleg), daß bereits ein einmaliger Konsum von LSD latente Psychosen auslösen könne und daß lang andauernde LSD-Erfahrungen zu Geisteskrankheit und Abhängigkeit führen. Diese nie belegte Behauptung wurde zur Grundlage der in der Folge eingeleiteten Prohibition von LSD und anderen psychotropen Substanzen. Der Schriftsteller Ken Kesey gründete in San Fransico mit Freunden die »Merry Pranksters«. Mit einem bunt bemalten Bus reisten diese durch die USA und organisierten überall große Acid-Parties unter dem Motto »Can You Pass The Acid-Test?« Am 22. November, am selben Tag
als John F. Kennedy erschossen wurde, starb Aldous Huxley
an
Kehlkopfkrebs. Vor dem Tod ließ er sich von seiner Frau Laura
zweimal 100 Mikrogramm LSD intramuskulär verabreichen.
Alexander Shulgin synthetisierte erstmalig die Substanz DOM (Dimethoxymethylamphetamin). Die Substanz, die auch STP genannt wird, wirkt äußerst intensiv und bis zu 20 Stunden. Nach dem Verbot von LSD in den USA wurde DOM in den Szenen des Undergounds oft als Ersatz genutzt, wobei viele Leute von der lang andauernden Wirkung sowohl physisch wie psychisch überfordert waren. |
1965 |
Im Stadtteil Haight-Ashbury in
San Francisco
entstand die
Hippie-Bewegung. Die »Merry Pranksters«
organisierten immer mehr Konzerte, die stets mit Acid-Tests verbunden
waren. Bei den Konzerten der Grateful Dead nahmen Tausende
von Menschen an Acid-Tests teil. Auch die »Hell’s Angels«
wurden durch die »Merry Pranksters« auf LSD
aufmerksam. Mit den Acid-Tests wollte man ein kollektives
psychedelisches Bewußtsein evozieren. Die »Merry
Pranksters« brachten mehr LSD unter die Leute als die CIA,
Leary und alle Psychiater der Welt zusammen. Der Chemiker Augustus Owsley Stanley begann mit der Produktion von LSD für den Schwarzmarkt, da Sandoz nicht in der Lage war, den Bedarf in den USA zu decken. Stanley produzierte den Stoff im großen Stil im Norden von Kalifornien und baute ein großes Vertriebsnetz auf. Damals war LSD noch legal. |
1966 |
Ein Mörder namens Stephen Kessler
behauptete, im LSD-Rausch
gehandelt zu haben, als er sein Opfer im April 1966 umbrachte. Obwohl
sich
herausstellte, daß er unter Alkoholeinfluß und der
Einwirkung von Pentobarbital, einem stark wirksamen Barbiturat, stand,
machte der
»LSD-Mord« weltweit Schlagzeilen. Im gleichen Monat
stellte Sandoz sowohl die Produktion wie auch die Auslieferung von LSD
und Psilocybin weltweit auf Druck der US-amerikanischen Behörden
ein.
Das New England
Journal of Medicine
forderte ein Ende der LSD-Forschung, da die Ergebnisse zu uneinheitlich
seien. Die Meinung, daß LSD als therapeutisches Mittel
unbrauchbar sei, wurde zur Doktrin erklärt. Der Besitz von LSD
wurde in
den
USA verboten, sämtliche Forschungsgelder wurden gestrichen.
Timothy Leary wurde in Millbrook verhaftet, Ken Kesey wurde in San
Fransisco verhaftet und zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt.
|
1967 |
In San Francisco brach der
»Sommer der
Liebe« aus. Drogen wurden zum Teil wahllos konsumiert. Bad
trips waren an der Tagesordnung: Bei Unerfahrenen führten die
halluzinogenen
Zustände zu Panikattacken und Selbstmordversuchen, insbesondere
weil aufgrund des Verbotes viel DOM (STP) und relativ wenig LSD im
Umlauf waren. Im
Stadtteil Haigth-Ashbury
in San Francisco wurde die »Free Clinic«
gegründet, in der
Drogenabhängige sich
kostenlos behandeln lassen konnten. Als im Oktober Hippies einen
Sarg
durch den Stadtteil trugen, war für viele die Utopie der
psychedelischen
Bewußtseinserweiterung tot. Die Beatles schwörten
öffentlich
den Drogen
ab und begannen mit transzendentaler Meditation. Das New England Journal of Medicine berichtete in einem Forschungsbericht von Cohen, Hirschhorn und Frosch zum ersten Mal davon, daß LSD Chromosomenschäden verursache. Der Artikel trug die Überschrift »In Vivo und in Vitro Chromosomenschäden, induziert durch LSD 25«. Der Artikel sorgte weltweit für Schlagzeilen. Zwei Jahre später stellte sich heraus, daß LSD gemäß eines kontrollierten Experimentes keine Chromosomenschäden verursache, doch dies sorgte nicht für neue Schlagzeilen in den Massenmedien. |
1969 |
Der Gouverneur von Kalifornien, Ronald
Reagan,
ließ Polizisten gegen
protestierende Hippies vorrücken. Timothy Leary
kündigte an,
bei der
nächsten Gouverneurswahl gegen Ronald Reagan zu
kandidieren. John Lennon
schrieb zur Wahlkampagne den Song »Come together«. Die Forscher Tijo, Pahnke und Kurland veröffentlichten im Journal of the American Medical Association (JAMA) den Artikel »LSD und Chromosomen: Ein kontrolliertes Experiment«. Ihre Arbeit wies nach , daß keinerlei Zusammenhang zwischen dem Gebrauch von LSD und Chromosomenbrüchen bestand, was aber für die bürgerliche Presse keine einzige Schlagzeile wert war. |
1970 |
Leary wurde erneut verhaftet und von Gerichten in Kalifornien, Texas und New York zu bis zu zwanzig Jahren Gefängnis verurteilt. Die linksradikale Untergrundorganisation »Weathermen« verhalf ihm aus einem kalifornischen Gefängnis zur Flucht. Der »gefährlichste Mensch der Welt« (US-Präsident Nixon) wurde später (1972) von der CIA in Afghanistan auf dem Flughafen von Kabul gekidnappt und von dort in die USA verschleppt. |
1971 |
Im Fachblatt Science erschien ein
Bericht, demzufolge reines LSD in vernünftiger Dosierung zu keinen
Schädigungen führe.
Timothy Leary reiste in die Schweiz,
gab Interviews, forderte die
Freigabe psychedelischer Drogen, schrieb die Zehn Gebote fort »Du
sollst das Bewußtsein deines Nächsten nicht
verändern«, während das FBI weiterhin auf seinen
Fersen war. Zum Glück gab es die Eidgenossen. 1971 weigerte sich
die Schweiz, Leary an die USA auszuliefern.
Am 3. September 1971 trafen sich Albert
Hofmann und Timothy Leary im
Bahnhofsbuffet in Lausanne. Die Begrüßung bei diesem ersten
Treffen soll, laut Hofmann, »im Zeichen schicksalhafter
Verbundenheit« erfolgt sein. Viel dürfte den im Aargau
aufgewachsenen Chemiker mit dem Drogenapostel aus Massachusetts
allerdings nicht verbunden haben. Hofmann bereitete sich nach 42
Arbeitsjahren bei der Sandoz AG auf seinen Ruhestand vor, während
Leary aus einem kalifornischen Gefängnis geflohen war, in dem er
eine zehnjährige Haftstrafe wegen Marihuanabesitzes hätte
verbüssen sollen.
|
1972 |
Timothy Leary wurde von Agenten des US-amerikanischen Geheimdienstes auf dem Flughafen von Kabul gekidnappt und nach Kalifornien in die USA verschleppt. Dort wurde er sofort in ein Gefängnis gesteckt. Im Prozeß gegen Leary wurde die von ihm geleitete »Brotherhood of Eternal Love« als Rauschgiftsyndikat eingestuft und ihm wurde vorgeworfen, Werbemanager für ein gigantisches Drogengeschäft zu sein. Leary wurde in der Folge zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt. |
1974 |
Richard P. Hartmann
veröffentlichte seine am Max Plank Institut für Psychiatrie
in München durchgeführte Studie, in der er mit 30
Künstlern LSD-Sitzungen durchführte. Arnulf Rainer und Alfred
Hrdlicka zählten zu den prominentesten Teilnehmern dieser Studie. |
1975 |
Stanislav Grof
veröffentlichte den ersten Band über seine Forschungen und
therapeutischen Arbeit mit LSD. In der »Topographie des
Unbewußten« konzentrierte er sich auf die
phänomenologische Beschreibung der Erfahrungen die bei
psychedelischen Sitzungen in Erscheinung traten. |
1976 |
Timothy Leary wurde vorzeitig aus der Haft
entlassen. |
1977 |
In den USA wurde bei einer Anhörung des Kongresses bekannt, daß die CIA in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts unerlaubte Drogenversuche mit Ahnungslosen anstellte. Die US-Regierung zahlte daraufhin an Betroffene über eine Million Dollar an Entschädigungen. |
1979 |
Albert Hofmann,
mittlerweile Rentner, zog in
seinem Buch »LSD – mein Sorgenkind« Bilanz. Von
den Exzessen
der sechziger Jahre war er ebenso enttäuscht wie vom Verbot des
LSD. In dem Buch beschrieb Hofmann sehr detailiert diverse
psychedelische Reisen mit LSD und Psilocybin, die er u.a. mit Ernst
Jünger und Rudolf Gelpke machte. |
1985 |
Das »Europäische Collegium für Bewußtseinsstudien« (ECBS) wurde auf Initiative von Hanscarl Leuner als ein multidisziplinäres Forum von Natur- und Geisteswissenschaftlern gegründet. Grundlage hierzu war die Erkenntnis, daß Themen der Bewußtseinsforschung zunehmend in den Mittelpunkt des wissenschaftlichen und öffentlichen Interesses rückten und dabei Grenzbereiche und außergewöhnliche Bewußtseinszustände von besonderer Bedeutung seien und Grenzerfahrungen, die über das Alltagsbewußtsein hinausführen, seit Jahrtausenden eine wichtige Rolle im individuellen wie auch im kollektiven Leben aller Kulturen spielten. |
1988 |
Im Kalifornien wurde die »Albert
Hofmann
Foundation« gegründet. Ihr gehören viele namhafte
Forscher aus aller Welt an und sie fordert, LSD und andere psychotrope
Substanzen zu Forschungszwecken zu
legalisieren. In der Schweiz konnten im Rahmen einer Ausnahmebewilligung des Schweizerischen Bundesamtes für Gesundheitswesen (oberste Gesundheitsbehörde) psycholytische Psychotherapien durchgeführt werden. Die psycholytische Psychotherapie ist eine tiefenpsychologisch orientierte Gesprächstherapie, ergänzt durch Erfahrungen in verändertem Wachbewußtseinszustand. Diese werden durch psychedelische Substanzen (MDMA und LSD) induziert. Die Sonderbewilligung lief im Oktober 1993 aus. |
1993 |
LSD wurde 50 Jahre alt. Aus
diesem Anlaß wurden im April in Basel und in San Fransisco
Jubiläumsfeiern mit Vorträgen und Parties veranstaltet. Im
Oktober veranstaltete die Schweizerische Akademie für Medizinische
Wissenschaften in Agno bei Lugano ein Symposium mit dem Titel »50
Years of LSD«. Ein gutes Dutzend Wissenschaftler referierten
über ihre Fachbereiche und Forschungsergebnisse. In New Mexico wurde das »Heffter Research Institute« gegründet. Das Institut wurde nach dem deutschen Wissenschaftler Arthur Heffter, der den Wirkstoff Meskalin im Peyote enrdeckte, benannt. Ziel des Instituts ist es, hochqualifizierte Forschung im Bereich psychedelischer Substanzen durchzuführen und die Ergebnisse der Forschung zu publizieren. |
2006 |
In Basel fand
anläßlich des 100. Geburtstages von Albert Hofmann
ein großes LSD-Symposium statt. Albert Hofmann war
persönlich anwesend und berichtete von seinen Erfahrungen sowohl
aus wissenschaftlicher wie auch aus persönlicher Sicht. |
Berlin, den 27. Februar 2006
Redaktion Webteam Eve & Rave
e.V. Berlin
Berlin, den 27. Februar 2006
Redaktion Webteam Eve & Rave
e.V. Berlin