Drogenpolitik
Interesse für Drogenpolitik wächst wieder dynamisch
Redaktion Webteam www.eve-rave.net Berlin
Pressemitteilung vom 28. Februar 2007 zur Drogenpolitik
Zwei Buchpublikationen zeigen, daß das
Interesse für Drogenpolitik wieder dynamisch wächst, nachdem
in den letzten Jahren eher eine Flaute in diesem Fachbereich zu
beobachten war. Die eine Publikation, die im Sommer 2006 erschien,
stammt von Nicole Krumdiek, die als Juristin am Lehrstuhl
für Strafrecht der
Universität Bremen arbeitet. Sie sitzt zudem seit Dezember 2006 im
Vorstand des Vereins für
Drogenpolitik (VfD). Für ihre Dissertation »Die national-
und
internationalrechtliche Grundlage der Cannabisprohibition in
Deutschland« (Lit Verlag) wurde sie im Januar 2007 mit dem
Studienpreis der Universität Bremen
ausgezeichnet.
Helmut Pollähne, wissenschaftlicher Assistent am Institut für
Kriminalpolitik der Universität Bremen und verantwortlicher
Redakteur der Fachzeitschrift Recht & Psychiatrie stellt
fest, daß »ohne zu verharmlosen in dem
Buch überzeugend dargestellt wird, daß das
Gefährdungspotential von Cannabis deutlich hinter dem des Alkohols
bzw.
Nikotins zurücksteht. Vor diesem Hintergrund werden die national-
und
internationalrechtlichen Grundlagen aber nicht einfach nur
ausgebreitet. Auch
bleibt es nicht bei der berechtigten Kritik an der mutlosen
Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgreichtes (BVerfG). Vielmehr wird die Rechtslage
dahingehend analysiert, welche
Auswege aus der verfassungswidrigen Cannabisprohibition bereits das
geltende Recht bietet, und warum völkerrechtliche Verpflichtungen
aufzukündigen sind.«
Das Buch bietet Einblicke in die Handlungsspielräume im Lichte
internationaler Abkommen wie das Einheitsübereinkommen von 1961,
das Übereinkommen von 1971 über psychotrope Stoffe, das
Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen den unerlaubten Verkehr
mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen von 1988, der
Schengen-Verträge I und II sowie der Aktionspläne der EU in
Bereich der Drogen. Somit bietet das Buch nicht nur relevante
Informationen für die drogenpolitische Diskussion in Deutschland,
sondern auch für die in Österreich, der Schweiz und anderen
Ländern.
Ein wahres Kleinod in Bereich der Fachliteratur zur Geschichte der
Drogenpolitik publizierte Tilmann Holzer im Januar dieses Jahres. Die
Rekonstruktion der »Geburt der Drogenpolitik
aus dem Geist der Rassenhygiene – Deutsche Drogenpolitik von
1933 bis 1972« zeichnet auf knapp 600 Seiten die
rassenhygienischen Wurzeln der Drogenpolitik (nicht nur in Deutschland)
nach und zeigt die Kontinuität der Drogenpolitik über die
Zäsuren der deutschen Geschichte (1933 und 1945) hinweg auf. Die
zeitliche Grenze zur Gegenwart wird durch das Jahr 1968 (»68er
Revolution«) gesetzt, letztlich aber mit dem
Winter 1971/1972 und dem Inkrafttreten des neuen
Betäubungsmittelgesetzes gezogen. Tilmann Holzer führte die
Untersuchung im Rahmen seiner Dissertation an der Universität
Mannheim durch. Tilmann Holzer ist Mitbegründer des Vereins
für Drogenpolitik (VfD) und war bis Dezember 2006 erster
Vorsitzender des Vereins.
Druckerfreundliche
Version (PDF-Format, 226 KB, 12 Seiten):
http://www.eve-rave.net/abfahrer/presse/presse07-02-28.pdf
Zur rechtlichen Grundlage der Cannabisprohibition
Im Vorwort der Buches »Die
national- und
internationalrechtliche Grundlage der Cannabisprohibition in
Deutschland« schreibt Nicole Krumdiek: »Kaum ein
Thema wird sowohl in der juristischen Fachliteratur als auch
in den allgemeinen Medien so kontrovers geführt, wie der soziale,
politische und juristsiche Umgang mit dem Genußmittel bzw. der
Droge Cannabis. Grund hierfür stellt unter anderem die
vielfältige und
unüberschaubare Literaturmasse zu diesem Themenbereich dar. In
vielen Fällen fehlt dabei jedoch nicht nur eine wissenschaftliche
Forschungsbasis, sondern die Ergebnisse werden zum Teil auch im Sinne
der
Auftraggeber und damit ergebnisorientiert formuliert und lassen dadurch
die nötige Seriösität vermissen.
Hieraus folgend wurde im Rahmen dieser
Untersuchung eine umfassende
Evaluation des derzeitig existierenden Forschungs- und Kenntnisstandes
hinsichtlich der tatsächlich existierenden gesundheitlichen und
sozialen Cannabisgefahren vorgenommen. Auf diesem Weg wurden viele auch
heute noch vertretene Vorurteile wie
z.B. Cannabis diene als Einstiegsdroge, Cannabis führe zu
Motivationsschwächen und Cannabis habe schwerwiegende soziale,
physische und psychische Schäden zur Folge, widerlegt. Gleichsam
wurden die wissenschaftlich erwiesenen potentiellen Gefahren
dargestellt.
Die so ermittelte Gefahreneinschätzung
vermag die bestehende
Cannabiskriminalisierung in Form der entsprechenden Normen im
Betäubungsmittelgesetz jedoch nicht länger
verfassungsrechtlich rechtfertigen. Dem Gesetzgeber werden
deshalb Empfehlungen an die Hand gegeben, die
ihm eine entsprechende Gesetzesänderung ermöglicht. Hierbei
wurden auch die international und europarechtlich eingegangene
Verpflichtungen berücksichtigt. Es bleibt zu hoffen, daß die
aufgeführten Erkenntnisse Eingang in
die politisch und juristisch vor allem aber moralisch geführten
Diskussionen findet.«
Aufgrund
der
Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) vom 09.
März 1994
zur Verfassungskonformität des Cannabisverbotes und der daraus
Folgenden
Beobachtungs-,
Prüfungs- und Nachforschungspflicht hat das Bundesministerium
für Gesundheit 1996 eine Expertise in Auftrag gegeben, in
welcher die aktuell vorliegende Forschungsliteratur zu den
pharmakologischen und toxikologischen Wirkungen sowie zu den
psychosozialen Konsequenzen zusammengefaßt und ausgewertet wurde.
Innerhalb
dieser Untersuchungen wurden unter anderem kurzfristige sowie
langfristige pharmakologische und toxikologische Wirkungen, sowie
psychische und soziale Konsequenzen des Cannabiskonsums erforscht.
Darüber hinaus setzt sich diese Studie insbesondere mit der
Risikobewertung auseinander, die das BVerfG seinem Beschluß 1994
zugrunde gelegt hatte. Neben der
Kleiber/Kovar-Studie, erschien 1998 ein weiteres, vom
Bundesministerium für Gesundheit gefördertes Gutachten,
welches die Ergebnisse einer vierjährigen Forschungsarbeit
(11/92 - 12/96) insbesondere zum Konsummuster und zu den Risiken des
Cannabisgebrauchs präsentierte.
Zusammengefaßt
kamen die Expertisen dabei zu folgenden Ergebnissen:
- Cannabis hat seine Bedeutung als »Kultdroge«
weitestgehend verloren, der »kulturelle Durchbruch«
ist vollzogen, der Konsum ist »veralltäglicht«.
- Der Genuß von Haschisch ist heute als jugendspezifisches
Phänomen zumeist transitorischer Art etabliert.
- Epidemiologische Studien zeigen, daß trotz der
Straftatbestände des
Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) 20 bis 30% aller Bundesbürger
zwischen
12 und 45 Jahren Erfahrungen mit Cannabis-Produkten machen, wobei auch im Raum München, einer
wohl eher repressiv geprägten Umgebung, 33% aller 14 bis
24-jährigen Cannabiserfahrungen aufwiesen.
- Eine körperliche Abhängigkeit, wo sie denn eintritt,
ist so gering, daß sie zu vernachlässigen ist.
- Eine psychische Abhängigkeit ließ sich nach den
einschlägigen Diagnosekriterien des Diagnostic and Statistical
Manual of Mental Disorders (Diagnostisches und
Statistisches Handbuch Psychischer Störungen) DSM IV bei 2% der
aktuellen, ausschließlich Cannabis konsumierenden, Gebrauchern
feststellen, maximal 1% waren »schwer«
abhängig. Die
Abhängigkeit kann dabei aber nicht primär aus den
pharmakologischen Wirkungen der Substanz, sondern vielmehr anhand
bereits bestehenden psychischen Problemen erklärt werden.
- Der »Ausstieg« aus dem Cannabiskonsum kann in
jedem Fall unabhängig von der Dauer des Konsums, zu jeder Zeit mit
gleicher Aussicht auf Erfolg stattfinden.
- Das Bild vom Cannabis als »Einstiegsdroge«
ist nach heutigem wissenschaftlichen Erkenntnissen insgesamt nicht
haltbar. Die Wissenschaftler wiesen
die Vorstellung, Cannabis oder der Umgang damit übe eine
Schrittmacherfunktion hin zu harten Drogen aus, ausdrücklich
zurück.
- Auf der Grundlage des heutigen wissenschaftlichen
Kenntnisstandes ist die Vorstellung eines »Amotivationalen
Syndroms« eindeutig abzulehnen.
- Nicht belegt ist somit, daß der Konsum von Cannabis »sozialschädliche
Konsequenzen« nennenswerter Art hat.Vielmehr werden die
Risiken und Probleme, die sich in Zusammenhang mit dem Cannabiskonsum
ergeben in jedem Fall nicht unter- sondern vielmehr
überschätzt. Die mit dem Konsum einhergehenden Komplikationen
fallen danach geringer aus, als dies noch allgemeinhin angenommen und
befürchtet wird.
Besondere Bedeutung kommt
diesen neuen Forschungsergebnissen in Ansehung der Entscheidung des
BVerfG vom 09. März 1994 deshalb zu, da es gerade die – 1994 –
noch
unsichere Erkenntnislage war, mit welcher das BVerfG begründete,
daß »die Gesamtkonzeption des BtMG in Bezug auf
Cannabisprodukte auch weiterhin vor der Verfassung Bestand«
habe.
Die unsichere Erkenntnislage bezog sich insbesondere auf die vom
BVerfG erörterte »Einstiegsdroge«, das »amotivationale
Syndrom« und auf weitere »soziale Konsequenzen«.
1994 lautete
damit das Fazit des BVerfG: »Nach dem jetzigen Erkenntnisstand
verbleiben nicht unbeträchtliche Gefahren und Risiken«.
Dem stehen nun die
Ergebnisse der oben angeführten wissenschaftlichen
Untersuchungen entgegen, nach denen der Umgang mit Cannabis gerade
nicht die Gefährlichkeit aufweist, wie sie noch 1994 vom BVerfG
angenommen wurde.
Aufgrund dieser Gegebenheiten ging die Autorin
Nicole Krumdiek den
folgenden drei Fragen nach:
- Sind
diese neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse über die
entsprechenden, insbesondere gesundheitlichen und sozialen Folgen und
Risiken des Cannabiskonsums insofern abschließend, als daß
sie
zur umfassenden Beurteilung des Konsums von Cannabisprodukten und
dessen Folgen als sichere Erkenntnisbasis herangezogen werden
können?
Da
dies im Rahmen der
Untersuchung bestätigt werden konnte, wurde darüber
hinausgehend weiterhin geprüft,
- ob
die Aufnahme der jeweiligen Cannabisprodukte bzw. deren Inhaltsstoffe
in die Anlagen I und II des BtMG und die dementsprechende umfassende
Kriminalisierung aller Umgangsweisen
nach den §§ 29 ff. BtMG auch unter Einbeziehung des
aktuellen Forschungsstandes weiterhin eine verfassungsrechtliche
Rechtfertigung erfährt.
Bevor
diese Frage jedoch
einer abschließenden Beurteilung zugänglich wurde,
mußte
vorab erörtert werden,
- inwiefern
der deutsche Gesetzgeber hinsichtlich einer wie auch immer gearteten
Umgestaltung der genannten BtMG-Tatbestände in Bezug auf
Cannabis an internationale Vorgaben und Verpflichtungen gebunden ist.
Zur Wirkung und den Gefahren des Cannabiskonsums
Zur
Wirkung und den Gefahren respektive zu den Risiken des Cannabiskonsums
kommt die Autorin zu Schluß, daß »die Gefahren,
unabhängig
ob physisch oder psychisch, mittlerweile in einer breiten Anzahl
von Studien untersucht worden sind. Solange weitere Untersuchungen
nicht
eindeutige Hinweise auf gesundheitliche und seelische Auswirkungen
negativer Art ergeben, muß nach dem bisherigen Kenntnisstand der
Wissenschaft von der relativen Ungefährlichkeit der Substanz
Cannabis ausgegangen werden. Von einer unsicheren Erkenntnislage, die
das BVerfG noch 1994 betonte,
kann heute hinsichtlich der zahlreichen Studien folglich nicht mehr
die Rede sein.
Bestehende Risiken sollten
allerdings stets in Verbindung mit der jeweiligen Konsumform deutlich
gemacht werden, um so einer wie auch immer gearteten Verharmlosung
vorzubeugen. Dennoch kann auch ohne eine explizite
Gefahrenvergleichsdarstellung angenommen werden, daß das
Gefährdungspotential, welches vom Cannabis ausgeht, deutlich
hinter dem des Alkohols bzw. Nikotins zurücksteht.«
Die verfassungsrechtliche Beurteilung des Cannabisverbotes
Bei
der Beurteilung des Cannabisverbotes im Lichte des Grundgesetzes
(Verfassumgsmäßigkeit versus -widrigkeit) kommt die Autorin
zum Schluß, daß »nicht ohne Grund
Cannabis als die besterforschte Droge weltweit beschrieben wird. Das
Risiko, daß der Genuß von Cannabisprodukten bisher
unentdeckte
schädliche Wirkungen entfaltet, ist daher nicht bestimmbar
klein. Es muß an dieser
Stelle betont werden, daß sich der derzeitige wissenschaftliche
Kenntnisstand über die potentiellen gesundheitlichen Risiken
einerseits, aber auch hinsichtlich der mit dem Cannabiskonsum
verbundenen sozialen Auswirkungen andererseits, ohne Bedenken dazu
eignet, die Grundlage für eine verfassungsrechtliche
Überprüfung
der Cannabisstraftatbestände in Form der §§ 29 ff.
in Verbindung mit Anlage I und II zu § 1 BtMG darzustellen. Die
Annahme des
BVerfG aus dem Jahr 1994, daß hinsichtlich der vielschichtigen
Auswirkungen des Cannabiskonsums von einer noch unsicheren
Erkenntnislage auszugehen ist, konnte hier folglich widerlegt werden.
Dementsprechend kann diese, noch 1994 vom BVerfG angeführte
unsichere Erkenntnislage auch nicht mehr als Begründung
herangezogen werden, um die Gesamtkonzeption des BtMG in Bezug auf
Cannabisprodukte weiterhin vor der Verfassung zu rechtfertigen. Mag
dies Argument 1994 vielleicht noch ihre Berechtigung gehabt haben,
nach dem heute vorherrschenden wissenschaftlichen Kenntnisstand im
Bereich der Cannabisforschung, muß dieser Auffassung jedenfalls
bewiesenermaßen widersprochen werden.
Folglich bilden die
bestehenden Erkenntnisse und Erfahrungen über die potentiellen
gesundheitlichen und sozialen Folgen eines wie auch immer gearteten
Konsums von
Cannabisprodukten eine sichere Beurteilungsgrundlage, um die
§§
29 ff. in Verbindung mit Anlage I und II zu § 1 BtMG in Bezug auf
Cannabis
einer erneuten verfassungsrechtlichen Überprüfung am
Grundgesetz und insbesondere an der allgemeinen Handlungsfreiheit aus
Art. 2 Absatz 1 Grundgesetz (GG) zu unterziehen.
Im Rahmen dieser
Untersuchung konnte dabei festgestellt werden, daß die Berufung
auf
die vom Cannabiskonsum ausgehenden Gefahren heute nicht mehr als
legitimer Zweck für die Kriminalisierung der
Cannabisumgangsweisen angesehen werden kann. Das Gefahrenpotential,
das dem Cannabiskonsum zugeschrieben werden muß, ist viel zu
gering,
als daß es als verfassungsgemäße Begründung
für
den Einsatz von Strafrecht in Form der BtMG-Normen herangezogen
werden kann. Die vom Gesetzgeber erfolgte Bezugnahme auf die vom
Cannabisgebrauch ausgehenden gesundheitlichen und sozialen Folgen und
die sich hieraus ergebende Setzung der BtMG-Normen, hat sich demnach
sowohl hinsichtlich der angebotsbezogenen, als auch der
konsumverbundenen Verhaltensweisen als fehlerhaft erwiesen.
Des Weiteren sind die §§
29 ff. in Verbindung mit Anlage I und II zu § 1 BtMG in Bezug auf
Cannabis
auch nicht geeignet, über den angestrebten Schutz der
Volksgesundheit hinausgehende weitere vom Gesetzgeber angestrebte
Teilzwecke zu erreichen bzw. zu fördern. So bewirken die
entsprechenden Straftatbestände gerade nicht, daß der Konsum
bzw. die Verfügbarkeit reduziert wird, auch das Alter des
Konsumbeginns läßt sich nicht durch die erfolgte
Kriminalisierung beeinflussen, Jugendliche werden auch nicht vom
Cannabiskonsum abgehalten, gefährdete und zum Konsum nicht
geeignete Personen werden nicht objektiv aufgeklärt und
darüber
hinaus hat der Staat keinerlei Kontrollmöglichkeiten über
Menge, Wirkungsstärke und Qualität der in Umlauf
befindlichen Cannabisprodukte, um so den angestrebten
Gesundheitsschutz der Konsumenten zu gewährleisten. Dabei sind
die Wirkungen, die in Folge der Kriminalisierung eintreten, ebenfalls
entsprechend zu berücksichtigen. So kann ein entsprechender
Cannabisschwarzmarkt und die hiermit in Verbindung stehende
organisierte Kriminalität gerade nur aufgrund der bestehenden
strafrechtlichen Verfolgung jeglicher Cannabisumgangsweisen bestehen.
Die Auswirkungen und Gefahren, die sich dabei sowohl für den
Konsumenten, als auch für den Staat, durch die Existenz des
Cannabisschwarzmarktes ergeben, sind folglich die ausschließliche
Konsequenz der bestehenden Kriminalisierung. Die Bekämpfung
dieser Erscheinungen hingegen als Begründung der BtMG-Strafnormen
anzuführen, ist deshalb in sich widersprüchlich
und damit ebenfalls ungeeignet.
Grundsätzlich
muß
deshalb gesagt werden, daß die negativen sozialen und
finanziellen
Konsequenzen, die sich aus der strafrechtlichen Verfolgung der
Umgangsweisen mit Cannabis für den Staat und die konsumierenden
sowie abstinenten Bürger ergeben, in keinem Verhältnis zu
den gesundheitlichen Auswirkungen des entsprechenden Konsums stehen.
Hierbei müssen insbesondere auch soziale Stigmatisierungen
angeführt werden, denen die Konsumenten beruflich, familiär
und gesellschaftlich ausgesetzt sind, sofern ihr Konsum durch
polizeiliche und justizielle Maßnahmen bekannt geworden ist.
Zudem läßt sich auch der Schutz
vor möglichen negativen Folgen eines Cannabisgebrauches sowie
die Kontrolle über Menge und Qualität, besser mit einer
entsprechenden Freigabe der Produkte erreichen. Die §§
29 ff. in Verbindung mit Anlage I und II zu § 1 BtMG sind in Bezug
auf
Cannabis deshalb auch nicht erforderlich.
Folglich widersprechen die
jeweiligen BtMG-Tatbestände bezüglich konsumverbundener
und handeltreibender Verhaltensweisen sowohl hinsichtlich der
Geeignetheit als auch der Erforderlichkeit dem
Verhältnismäßigkeitsprinzip. Der Gesetzgeber ist
deshalb im Rahmen seiner Nachbesserungspflicht daran gebunden,
diesen verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen. Eine solche
Korrektur ließe sich dabei mit Hilfe einer Streichung der
Cannabisprodukte nebst Inhaltsstoff THC von den Anlagen I und II des
BtMG, nach den Grundsätzen des § 1 Absatz 2 BtMG, erreichen.
Somit ist die Ansicht des
BVerfG von 1994, die §§ 29 ff. in Verbindung mit Anlage I und
II zu §
1 BtMG in Bezug auf Cannabis seien zur Erreichung der angestrebten
Ziele sowohl geeignet als auch erforderlich, nicht mehr mit dem
heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen zu vereinbaren.«
Der gesetzgeberische Handlungsspielraum im Lichte internationaler
Abkommen
Das Einheitsübereinkommen von 1961
über Suchtstoffe
in der durch das Protokoll zur Änderung des
Einheitsübereinkommens von 1961 geänderten Fassung (Single
Convention on Narcotic Drugs
), im folgenden ÜB 61 genannt, läßt eine
Entkriminalisierung der dem Cannabiskonsum vorgeschalteten Handlungen
zu (der Konsum selbst ist bekanntlich in Deutschland legal): »Resümierend
kann an dieser Stelle festgehalten
werden, daß der deutsche Gesetzgeber der Pflicht zur
Sanktionierung
im Rahmen des Art. 36 I a auch in Form des Ordnungswidrigkeitenrechts
nachkommen oder gemäß Art. 36 I b therapeutische
Maßnahmen
anordnen kann. Darüber hinaus bleibt hinsichtlich des Art. 36 IV
auch die Möglichkeit unbenommen, geringfügige
Verstöße
gegen das BtMG materiellrechtlich bzw. prozeßrechtlich aus den
Bereich der zu bestrafenden Handlungen herauszunehmen. Ein
Rückgriff
auf diese Handlungsspielräume ist allerdings bezüglich des
Cannabiskonsums bzw. der dem Konsum automatisch vorgeschalteten
Handlungen nicht erforderlich, da sich die Kriminalisierungspflicht
des ÜB 61 nicht auf diese Umgangsformen erstreckt.«
Das Übereinkommen von 1971 über
psychotrope Stoffe (Convention
on psychotropic substances
), im folgenden ÜB 71 genannt, läßt wie das ÜB
61eine Entkriminalisierung der dem Cannabiskonsum vorgeschalteten
Handlungen zu: »Hinsichtlich des vergleichbaren Wortlautes des
Art. 22 I
a ÜB 71 mit Art. 36 I a ÜB 61 kann an dieser Stelle kein
anderes
Ergebnis festgestellt werden, als bereits im Rahmen der
Einheitskonvention aufgezeigt wurde. Demnach sind weder der Konsum,
noch die mit diesem verbundenen Verhaltensweisen von der
Kriminalisierungspflicht des Art. 22 I a ÜB 71 umfaßt. Die
den Handel
betreffenden Verhaltensweisen sind gemäß Art. 22 I a ÜB
71 als strafbare
Verstöße zu ahnden. Dieser Ahndungspflicht kann der
deutsche Gesetzgeber in Form des Ordnungswidrigkeitenrechts
nachkommen. Zudem können geringere Verstöße auf
materiellrechtlicher bzw. prozessualer Ebene aus der Verfolgung bzw.
Bestrafung herausgenommen werden.«
Beim
Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen den unerlaubten
Verkehr mit Suchtsstoffen
und psychotropen Stoffen von 1988 (United
Nations Convention against illicit traffic in narcotic
drugs and psychotropic substances), im Folgenden ÜB 88
genannt, ist von Bedeutung, daß die Bundesregierung bei
Hinterlegung der Ratifikationsurkunde eine
Erklärung dahingehend abgegeben hat, daß nach dem
Verständnis
der Bundesrepublik Deutschland die in Art. 3 II ÜB 88 genannten
»Grundzüge
der Rechtsordnung« einem Wandel unterliegen können. Diese Erklärung ist jedoch sehr
allgemein gehalten, so daß sich
für die betreffenden
Betäubungsmittelsstraftatbestände
ein sehr weiter Spielraum ergibt. Generell ist jedoch festzuhalten,
daß »die noch nach den Übereinkommen von 1961 und
1971
einberäumten Möglichkeiten, die konsumvorbereitenden
Handlungen hinsichtlich Cannabis aus der Pflicht zur
Strafrechtssetzung herauszunehmen, mit der Ratifizierung des ÜB
88 an Bestand verloren haben. Folglich ist mit Inkrafttreten des
ÜB 88
nicht nur das Anbieten, sondern auch die wie auch immer geartete
Nachfrage von Cannabis – ausgenommen ist hier ausschließlich
der reine Konsum an sich – unter eine umfassende
Strafrechtssetzungspflicht gestellt worden. Nach wie vor bleibt dem
deutschen Gesetzgeber aber die Möglichkeit, dieser Pflicht aus
der Konvention auch in Form des Ordnungswidrigkeitenrechts
nachzukommen, um so eine Unrechtsabstufung vorzunehmen. Des Weiteren
ist eine solche Abstufung auch auf der Basis des Bagatellprinzips
möglich, so daß geringere Verstöße auf
materiellrechtlicher bzw. prozessualer Ebene nicht verfolgt bzw.
bestraft werden müssen.«
Von der Pflicht zur Kündigung der internationalen Abkommen
Da im Rahmen der internationalen Abkommen nur eine
partielle
Entkriminalisierung, jedoch keine generelle Legalisierung von
Cannabisprodukten möglich erscheint, steht die Bundesrepublik
Deutschland, nach Feststellung der Verfassungswidrigkeit des
Cannabisverbotes, in der Pflicht, die internationalen Abkommen zu
kündigen respektive auf Änderungen der Inhalte zu bestehen
und hinzuwirken. Bei den Möglichkeiten
zur völkerrechtmäßigen Ausdehnung des nationalen
Handlungsspielraums in Fragen der Drogenpolitik bleibt festzuhalten,
daß die verschiedenen Lösungswege allesamt den Makel
aufweisen, daß mögliche Repressionen seitens der
prohibitionsbefürwortenden Länder und insbesondere der
USA sowie der betreffenden UN-Organe als Folge eintreten könnten.
Jedoch bleibt diesbezüglich anzuführen, daß Deutschland
sich bereits in der Frage des Irak-Krieges im Jahre 2003 einer
antiamerikanischen Position anschloß, was ebenfalls nicht –
zumindest nicht ersichtlicherweise – zu einer längerfristigen
Störungen der politischen oder wirtschaftlichen Beziehungen der
beiden Länder geführt hat. Auch wenn trotz dieser
Erfahrungen ein Restrisiko bestehen bleibt, daß sich durch die
Berufung auf einen Verfassungsvorbehalt die Beziehungen zwischen den
USA und Deutschland verschlechtern könnten, so muß dieses
Risiko zur Erreichung des angestrebten Zieles getragen werden.
Deutschland befindet sich in einer vergleichsweise wirtschaftlich
abgesicherten Position, so daß eventuelle Repressionen besser zu
kompensieren wären, als wirtschaftliche schwache Staaten und
Entwicklungsländer dazu in der Lage sind. In Anbetracht der
Vorteile, die eine Berufung auf den jeweiligen Verfassungsvorbehalt
bietet, wird deshalb trotz der eventuellen negativen Reaktion seitens
der USA dieser Weg befürwortet, um so einen
größtmöglichen
Handlungsspielraum in der Gestaltung der nationalen Drogenpolitik zu
erlangen.
»Sollte
durch eine entsprechende bundesverfassungsgerichtliche
Überprüfung
folglich nachgewiesen werden, daß die umfassende Kriminalisierung
von wie auch immer gearteten Handlungen im Umgang mit Cannabis mit
verfassungsrechtlich garantierten Grundsätzen kollidiert, kann
sich Deutschland auf diesem Weg einer international vorgeschriebenen
Kriminalisierungsverpflichtung hinsichtlich dieser Verhaltensweisen
teilweise bzw. gänzlich entziehen. In Anbetracht der Bedeutung,
die den deutschen Verfassungsgrundsätzen auch bei der Bewertung
internationaler Abkommen und deren Ratifikationen beigemessen wird,
wäre eine solche Freimachung von internationalen Vorgaben in
Bezug auf die Cannabispolitik dabei nicht lediglich ein bestehendes
Recht Deutschlands. Um innerstaatlich für eine
verfassungskonforme Rechtsgestaltung zu sorgen, bestünde zu
einem entsprechenden Verhalten vielmehr sogar die Pflicht.«
Im
Jahr 1990
wurde dann das Schengen II-Abkommen
beschlossen, welches die Durchführung des Schengen I-Abkommens
sicherstellen sollte.
Dieser
Vertrag enthielt bereits detailliertere Bestimmungen über
die Eindämmung der Betäubungsmittelkriminalität.
Entscheidend ist hierbei insbesondere Art. 71, der sowohl die
Anbieter-, als auch die Nachfrageseite des Umganges mit Cannabis
behandelt: »Es
läßt sich festhalten, daß durch die Ratifizierung des
Schengen
II-Vertrags keine Einschränkung der im Rahmen der
UN-Konventionen gegebenen Handlungsfreiheiten hinsichtlich einer
nationalen Drogenpolitik entstanden sind. Dies gilt auch für den
Fall, daß Deutschland sich erfolgreich auf den explizit
aufgenommenen Verfassungsvorbehalt der UN-Konvention beruft.
Sollte
Deutschland darüber hinausgehend aus verfassungsrechtlichen
Gründen verpflichtet sein, sich von den Vorgaben der
UN-Vertragswerke loszusagen, steht einer eventuell verfassungsrechtlich
gebotenen Freigabe von Cannabisprodukten auch das Schengen II-Abkommen
nicht entgegen. Anzumerken bleibt dabei jedoch, daß die
Vertragsparteien trotz der weiten Vorgaben des Schengen II-Abkommens
gemäß Art. 71 III verpflichtet sind, die erforderlichen
Maßnahmen
zu treffen, um die Ein- und Ausfuhr von Betäubungsmitteln in das
Hoheitsgebiet anderer Vertragsparteien zu unterbinden.«
Empfehlung
Dieses vorzuglich auszuzeichnende Buch
schließt mit Empfehlungen
an den Gesetzgeber. Diese Empfehlungen sind sicher nicht für alle
ein optimaler Lösungsansatz (z.B. nicht für leidenschaftliche
Gärtner), doch bieten diese mit all den vorab gegebenen
Informationen eine gut fundierte und seriös recherchierte
Grundlage für die drogenpolitische Diskussion. Vornehmlich an
Leser aus Deutschland richten sich die 47 Seiten zur rechtlichen
Entwicklung des deutschen Betäubungsmittelgesetzes wie die 100
Seiten zu verfassungsrechtlichen Fragen in Deutschland. Sowohl für
die deutsche wie auch internationale Leserschaft bieten vor allem die
61 Seiten zur wissenschaftlichen Analyse der Wirkungen und Gefahren des
Cannabiskonsums und die 127 Seiten zu den gesetzgebrischen
Handlungsspielräumen im Lichte internationaler Suchtstoffabkommen
eine präzise Informationsgrundlage. So ist dieses Buch
insbesondere auch geeignet, durch die gegebenen Informationen der
Debatte im Vorfeld der Volksabstimmung zur Cannabislegalisierung in der
Schweiz neue Impulse zu verleheihen und diese somit zu beflügeln,
insbesondere, da der Schweizer Bundesrat (Regierung) in seiner
Botschaft vom 15. Dezember 2006 meinte, die offene Formulierung der
Initiative täusche einen
Handlungsspielraum vor, der aufgrund der internationalen Abkommen nicht
gegeben sei, da eine Legalisierung von Cannabis gegen verschiedene
UNO-Konventionen verstoße, deren Kündigung für den
Bundesrat nicht in Frage komme, da diese Verträge unter anderem
eine Voraussetzung für den Verbleib der Schweiz im
Schengenabkommen seien.
Quellen: Die Botschaft des Schweizer
Bundesrates vom 15.
Dezember 2006 in: Pressemitteilung vom 20. Dezember 2006 zur schweizer
Drogenpolitik
http://www.eve-rave.net/abfahrer/presse/presse06-12-20.html
Nicole Krumdiek: Die national- und internationalrechtliche
Grundlage der Cannabisprohibition in Deutschland. Eine Untersuchung
unter Einbeziehung des aktuellen Forschungsstandes
hinsichtlich der gesundheitlichen und sozialen Auswirkungen des Konsums
von Cannabis, Reihe: Bremer Forschungen zur Kriminalpolitik, Bd. 7,
LIT Verlag Münster-Hamburg-Berlin-Wien-London-Zürich 2006,
464 S., 39.90 EUR, br., ISBN 3-8258-9543-2
http://www.lit-verlag.de/isbn/3-8258-9543-2
Siehe auch: Uni Bremen: BRÜCKENKURS zum Studium des Rechts
http://www.uni-bremen.de/campus/campuspress/unipress/07-035.php3
Jan Zier: Cannabis-Freigabe – Die Mär von der
Einstiegsdroge,
Interview mit Nicole Krumdiek, in: Stern-online 19. Februar 2007,
abgefragt am 25. Februar 2007
http://tinyurl.com/2o7t37
Drogenpolitik und Rassenhygiene
Cannabis wurde in den USA in der ersten
Hälfte des letzten
Jahrhunderts vor allem von Schwarzen konsumiert. So
verband sich Prohibition mit Rassismus. Auch die Durchsetzung der
Opiumprohibition läßt sich nicht
trennen von Fremdenfeindlichkeit. Nach 1850 begannen
Chinesen in grosser Zahl in die USA einzuwandern. Viele von ihnen waren
Opiumraucher; sie galten als äußerst leistungsfähige
Arbeitskräfte. Die dominierenden WASP (White Anglo Saxon
Protestants) sahen in den opiumrauchenden Kulis eine unwillkommene
Arbeitsmarktkonkurrenz. Mittels einer antiorientalischen Kampagne wurde
die chinesische Minderheit zunehmend
über ihre Droge stigmatisiert und unterdrückt. Zudem spielten
bei der
Entstehung des »war on drugs« auch politische und
wirtschaftliche Interessen vor allem in den USA eine
große Rolle. Diese Tatsachen sind allgemein bekannt. Weniger
bekannt ist jedoch, welche Rolle die Eugenik (Rassenhygiene) bei der
Entwicklung der drogenpolitischen Konzepte (vor allem in Europa)
spielte. Diese Wissenslücke – dies gilt zumindest für einen
Großteil der Bevölkerung – wird durch das Werk »Die
Geburt der Drogenpolitik aus dem Geist der Rassenhygiene – Deutsche
Drogenpolitik von 1933 bis 1972« von Tilmann Holzer
geschlossen.
In dem Buch werden die Anfänge der
Drogenpolitik in Deutschland
bis 1933, die Drogenpolitik in der Zeit des Nationalsozialismus von
1933 bis 1945, das drogenpolitische Zwischenspiel der
Besatzungsmächte von 1945 bis 1949 und die Kontinuität
respektive (zum kleineren Teil) Diskontinuität in der
Drogenpolitik der Bundesrepublik Deutschland (Wessiland)
nachgezeichnet. Dabei wird der Substanz Methamphetamin, die unter dem
Markennamen »Pervitin« bis zum 7. November 1939
rezeptfrei erhältlich war und am 12. Juni 1942 dem
Opiumgesetz unterstellt wurde, besondere Aufmerksamkeit geschenkt, da
diese Substanz im Rahmen der Kriegsführung eine droße Rolle
spielte.
Anhand der biographischen Daten zu einzelnen
Personen kann die
Kontinuität in der drogenpolitischen Karriere derselben
aufgrund der Informationen, die Tilmann Holzer zusammengetragen hat,
äußerst detailliert nachgezeichnet werden. Im folgenden wird
deshalb nicht der Inhalt des Buches selbst dargestellt, sondern
beispielhaft anhand
der Angaben im Buch ein paar biographische Momente solcher Personen
wiedergegeben. Die Fülle der Zitate und die Angaben zu
Bekanntschaften und zum Zusammenwirken der einzelnen Akteure lassen
diese – fast wie in einem Roman – mit all ihren Charakterzügen
wieder lebendig erscheinen – ja, als Leser kommt man sich phasenweise
wie mitten im Geschehen vor.
Auguste Forel
Auguste Forel, geboren am 1. September 1848 in
Morges (Kanton Waadt), gilt als Vater der
Schweizer Psychiatrie und als einer der wichtigsten Vertreter der
Abstinenzbewegung in der Schweiz. Forel entwickelte die
Degenerationstheorie des französischen Psychiaters Benedict A.
Morel weiter. Die Begegnungen von Forel mit Alfred Ploetz, der 1904 die
Zeitschrift Archiv für Rassen- und Gesellschaftsbiologie
gründete und 1905 die Initiative zur Gründung der Deutschen
gesellschaft für Rassenhygiene
ergriff, war eine der Quellen
für die rassenhygienische Beschäftigung mit Drogen, damals
vor allem Alkohol, da Forel über Alkohol arbeitete und Ploetz wie
auch andere Rassenhygieniker dadurch anregte, sich in ihren Studien und
Experimenten ebenfalls mit dieser Thematik zu beschäftigen. Forel
gilt als geistiger Mentor der Rassenhygiene in Deutschland. Die
folgende Zitate aus dem Buch sind teilweise nach den Namensangaben
einzelner Akteure durch biograhische Daten (in Klammern) von der
Redaktion zum nähere Verständnis ergänzt worden.
Anknüpfungspunkt für rassenhygienisch grundierte
Drogenpolitik war die Konzeption von Drogen als »Keimgiften«,
d.h. die Hypothese Drogen könnten das
Keimplasma künstlich manipulieren, oder moderner formuliert:
Drogen schädigen das
Erbgut. Unter dem Titel »Kulturbestrebungen der Gegenwart«
warnte Forel 1910 vor Drogen als »Keimgiften«:
»Gedankenlos hat der Mensch an gewissen, keimverderbenden
Giften, wie
dem Alkohol, dem Opium, dem indischen Hanf und vielen modernen
narkotischen chemisch
erzeugten Mitteln sein Vergnügen, aber auch seinen satanischen
Verderber gefunden.
Die Angewöhnung an solche Genußmittel macht den Menschen zu
ihren Sklaven. Das Übel
ist aber in modernster Zeit dadurch verhundertfacht worden, daß
in der Kulturgesellschaft die
kapitalistische Ausbeutungsfreiheit, in der Erzeugung solcher Narkotika
eine bequeme
Quelle der Bereicherung und der Ausnützung des Menschen durch den
Menschen
gefunden hat. So ist die westliche Kultur mit Alkohol und die
östliche mit Opium
überschwemmt worden. [...] und so geht die Entartung unserer
„Rasse“ im raschen Tempo vorwärts
[...].« Aus Forels Sicht stellte Alkohol die
größte Gefahr dar: »Das Schlimmste ist jedoch die
Tatsache, daß speziell die akute und
chronische Alkoholvergiftung erwiesenermaßen auch die
Geschlechtsdrüsen
trifft und deren Keim entarten läßt, so daß die
Nachkommenschaft, je nach dem Grade
der sozialen Vergiftung in mehr oder weniger ausgedehntem Maße
verkrüppelt.« Forel
übertrug seine Forderung nach Prohibition auf die weiteren Drogen
und damit zum »richtigen Umgang« mit diesen
Substanzen aus rassenhygienischer Perspektive: »Der sogenannte
mäßige Genuß von narkotischen Genußgiften, wie
Wein, Bier, Obstwein, Branntwein,
Absynth, Opium, Indischer Hanf, Cocain, Äther, Morphium und
dergleichen mehr
bildet eine soziale Pest, die regelmäßig einen erheblichen
Teil der Bevölkerung zum
Irrsinn und Verbrechen führt. Sämtliche derartige Mittel
erzeugen nämlich eine angenehme
Hirnlähmung (Dusel), die alle Schmerzgefühle abstumpft,
Euphorie oder Heiterkeit
herbeiführt und dadurch zur Wiederholung des Genusses und zum
Mißbrauch reizt. [...] Wir
müssen mit der Zeit dazu gelangen den Genuß aller gegorenen
und gebrannten Getränke,
aller Narkotika überhaupt, durch strenge prohibitive Gesetze zu
bekämpfen, um die ganze
Unsitte des Gebrauches von Genußgiften zu beseitigen, weil sie
alle soziale Reformbestrebungen
lähmt und hemmt, die Menschen verdummt und verroht, endlich
Verbrechen, Irrsinn und
Rassenentartung nach sich zieht. Millionen von Abstinenten beweisen,
daß man am gesundesten ohne
Alkohol und Narkotika lebt.«
Forel beließ es aber nicht bei politischen
Forderungen, sondern er praktizierte seine rassenhygienischen
Überzeugungen wo immer
möglich. Im Vorgriff auf eine im Nationalsozialismus an
Alkoholikern massenhaft
durchgeführte Praxis, führte Forel 1892 erste, damals noch
illegale, operative Sterilisierungen mit
eugenischer Begründung durch. Charakteristisch für Forel und
seinen Schülerkreis war
zusätzlich zu ihren rassenhygienischen Forschungen erstens ihr
politisches Engagement und zweitens die private
Anwendung ihrer Theorien: viele Mitglieder dieser »Schweizer
Schule« lebten selbst
abstinent und propagierten ihre Überzeugung im privaten Umfeld.
Auch Forel war Abstinenzler und konvertierte Ploetz zu einem
mäßigen Trinker. Der Schweizer Historiker Thomas Huonker
schreibt dazu: »Forel war lange
eine prägende Figur von anti-alkoholischen Organisationen wie den
Guttemplern oder dem
Blauen Kreuz. Auch als Gründer von Institutionen zur Therapie von
Alkoholsüchtigen wie der Trinkerheilstätte Ellikon, die heute
nach ihm benannt ist, trug Forel viel bei zum
markanten Rückgang des Alkoholismus seit dem Ersten Weltkrieg.«
Zu seinen Schülern
gehörte neben Alfred Ploetz die Psychiater Eugen Bleuler
(Schweizer Psychiater, der den Begriff »Autismus«
prägte) und Anton Delbrück wie auch Ernst
Rüdin (Schweizer Psychiater aus St. Gallen, der bei der
Ausarbeitung des »Gesetzes zur Verhütung erbkranken
Nachwuchses« vom 14. Juli 1933 maßgeblich beteiligt
war),
einer der einflußreichsten Rassenhyieniker im Dritten Reich.
Forels
Einfluß verdankte sich darüber hinaus die damals
aufsehenserregende Abkehr vom Alkoholkonsum des
deutschen Professors und Nestors der deutschen Psychiatrie Emil
Kraepelin. Ploetz
wiederum heiratete Rüdins Schwester Pauline. Zu dieser »Schweizer
Schule« gehörte ferner
Agnes Bluhm, sie sollte später umfangreiche Tierversuche zur
Überprüfung der
erbschädigenden Wirkung von Alkohol durchführen. 1894
wechselte Ploetz nach Berlin und
publizierte 1904, zusammen mit Rüdin die erste Ausgabe der
führenden rassenhygienischen
Zeitschrift, dem »Archiv für Rassen- und
Gesellschaftsbiologie«, ein Jahr später gründete
er die »(Berliner) Gesellschaft für Rassenhygiene«.
Forels Ablehung von Drogenkonsum war Teil
des Selbstverständnisses der sich nun institutionalisierenden
deutschen Rassenhygiene. »Ein
weiteres verbindendes Element der frühen Rassenhygiene bestand in
der Ablehnung von
Rauschmitteln.«
Artikel Auguste Forel in der Wikipedia
http://de.wikipedia.org/wiki/Auguste_Forel
Alfred Ploetz
Alfred Ploetz, geboren am 22. August 1860 in
Swinemünde, war ein deutscher Arzt. Zusammen mit Wilhelm
Schallmayer Begründete er die Rassenhygiene/Eugenik in
Deutschland. Ploetz
führte den Begriff der Rassenhygiene ein.
Die eigentliche Begründung der deutschen Rassenhygiene
erfolgte 1895. In diesem Jahr publizierte der Arzt Alfred
Ploetz aus einer dezidiert medizinischen Perspektive das Buch »Die
Tüchtigkeit unserer Rasse und der Schutz der Schwachen«.
In diesem Buch
führte Ploetz »Rassenhygiene« in die deutsche
Diskussion ein, dieser Begriff sollte
bald zum Leitbegriff werden.
Ploetz studierte in Zürich Medizin und kam dort in
Kontakt
mit dem
Psychiater Auguste Forel. Die Begegnung von Forel und Ploetz war eine
der Quellen für die rassenhygienische Beschäftigung mit
Drogen. 1894
wechselte Ploetz nach Berlin und publizierte 1904, zusammen mit Ernst
Rüdin die erste Ausgabe der führenden rassenhygienischen
Zeitschrift,
dem »Archiv für Rassen- und Gesellschaftsbiologie«,
ein Jahr später gründete er die »(Berliner)
Gesellschaft für Rassenhygiene«.
Artikel Alfred Ploetz in der Wikipedia
http://de.wikipedia.org/wiki/Alfred_Ploetz
Artikel Ernst Rüdin in der Wikipedia
http://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Rüdin
Theo Gläß
Theo Gläß, geboren am 6. März 1896
in Hamburg, war von Beruf Verleger
und Verlagsinhaber (Neuland-Verlag). Theo Gläß trat bereits
mit 13
Jahren dem abstinenten Schülerbund »Germania«
bei und war von
1924 bis 1979 im Vorstand des Guttemplerordens aktiv, von 1937 bis 1946
und wieder von 1949 bis 1967 leitete er als Ordenstempler die
Guttempler, von 1967 bis 1979 war er Alt-Ordenstempler und dadurch
Vorstandsmitglied. Im Jahr 1942 arbeitete Gläß für das
»Forschungsamt«
(Hermann Görings Nachrichtendienst), sicherlich kein Arbeitsplatz
für
Regimekritiker. Zusätzlich zu seiner Tätigkeit für den
Guttempler-Orden
arbeitete er ab 1943 für die »Reichsarbeitsgemeinschaft
für Raumforschung«.
Letztere unterstützte und plante die völkische
Umsiedlungspolitik im
Osten Europas. Trotz dieser einschlägigen Vergangenheit trat
Gläß nach
1945 erneut in die SPD ein, von 1954 bis 1965 war er Stadtrat und
hauptamtlicher Schuldezernent der Stadt Frankfurt am Main. Von 1924 bis
1970 war Theo Gläß Geschäftsführer, ab 1937
gemeinsam mit Wilhelm Biel
persönlich haftender Gesellschafter der »Neuland-Verlaggesellschaft«.
Neuland war und
ist der Verlag des Guttemplerordens, seit der Zeit des
Nationalsozialismus war er zugleich der beinahe amtliche Verlag der
deutschen Drogenprävention, er publizierte die Monographien,
Kongreßprotokolle, Zeitschriften und Flugblätter der »Reichsarbeitsgemeinschaft
für Rauschgiftbekämpfung«, der »Reichstelle
gegen die Alkohol- und Tabakgefahren« und nach 1945 der
»Deutschen Hauptstelle gegen die Suchtgefahren»; bis
heute erscheint mit »Sucht« die führende
suchtmedizinische Zeitschrift in diesem Verlag. Von
1951-1953, 1957-1959 und 1963-1965 war Theo Gläß
Präsident der DHS.
Politisch waren die Guttempler stets betont neutral, die
jeweilige Weltanschauung durfte kein Hindernisgrund für die
gemeinsame
Arbeit an einer alkoholabstinenten Gesellschaft sein. Dennoch vermutet
Referent Taute aus dem Innenministerium: »In Deutschland war
er früher sicher zu weit über der Hälfte aus
linksgerichteten Arbeiterkreisen zusammengesetzt.«
Zwar wurde die Arbeit der Guttempler vom Innenministerium
geschätzt,
die politische Zusammensetzung jedoch kritisch betrachtet, besonders
für die Nationalsozialisten standen die Guttempler durch ihre
Organisation in »Logen« im Verdacht der »Freimaurerei«.
Das dritte Problem der Guttempler, zumindest aus der Binnenperspektive
der deutschen Sektion, war ihr Welttempler Olsson (Präsident der
internationalen Guttemplerorganisation), der die politische Entwicklung
in Deutschland und in der deutschen Sektion aufmerksam verfolgte und
kritisch kommentierte. Zur Lösung ihrer existentiellen Probleme
schlugen die Guttempler den Weg der radikalen Anpassung an das neue
System ein. Im ersten Schritt wurde am 23. April 1933 der bisherige
Ordenstempler Strecker und mit ihm der komplette Vorstand, unter
Ausnahme von Theo Gläß, abgesetzt. »Es hat sich
demnach eigentlich
nur Herr Dr. Gläß ‚retten’ können, indem er
wahrscheinlich verstanden
hat, rechtzeitig den großen Sprung nach rechts zu machen.«
Einige
leitende Guttempler waren Mitglieder in der SPD, Gläß bis
1931, der
1933 zurückgetretene Ordenstempler, Prof. Reinhard Strecker gar
sozialdemokratischer Kultusminister in Hessen. Dennoch versuchten beide
und einige andere Guttempler, Mitglied der NSDAP zu werden. Streckers
Antrag wurde abgelehnt, Gläß' Antrag wurde 1933 vom
Ortsgruppenleiter
abglehnt, da er diesem als »Marxist« bekannt war,
seine Aufnahme erfolgte 1937 (1.5.1937, Mitgliedsnummer: 5.919.692,
obwohlder Antrag erst am 27.10.1937 gestellt und damit rückdatiert
wurde). Nach 1945 trat Gläß wieder in die SPD ein.
Für Theo Gläß hatte sich dieser Sprung nach
rechts gelohnt,
blieb er doch zunächst der neue Geschäftsführer
(Großsekretär) im
Guttempler-Orden und war der Guttempler-Vertreter in der neu
gegründeten »Reichszentrale zur Bekämpfung des
Alkoholismus«.
Er wurde zudem 1937 zum Vorsitzenden (Ordenstempler) der Guttempler
gewählt. An der Seite von Gläß stieg Wilhelm Biel
(Wilhelm Biel leitete
mit Gläß den Neuland-Verlag von 1937 bis 1970) zum zweiten
starken Mann
innerhalb des Ordens auf. Beide waren in den vielerlei
drogenpolitischen Organisationen, die aus der Gleichschaltung der
Alkoholgegner hervorgingen, regelmäßig in führender
Position vertreten,
zudem waren sie als Verleger und später Eigner des
Neuland-Verlags,
eigentlich der Guttempler-Verlag, für den Großteil der
drogenpolitischen Schriften in der Zeit des Nationalsozialismus
mitverantwortlich.
Die Alkoholgegner, besonders der Guttempler-Orden,
schwenkten immer stärker auf die neue politische Richtung ein. In
der
von Gläß und Biel herausgegebenen Guttempler-Zeitschrift
»Neuland« wurde die inhaltliche Neuausrichtung in
aller Deutlichkeit artikuliert: »Bei einer gründlichen
Organisation der Trinkerfürsorge-Arbeit
müssen unterschieden werden die Asozialen und die Trinker, die nur
scheinbar trunksüchtig, primär aber irgendwie geistig defekt,
z.B.
psychopathisch sind. Die erste Gruppe muß hart angefaßt
werden und
gehört etwa ins Arbeitshaus. Die zweite gehört in die
Behandlung des
Arztes. Selbstverständlich werden wir Guttempler auch für
diese beiden
Gruppen Hilfsarbeit leisten, wenn es möglich ist. Unser
eigentliches
Arbeitsgebiet aber sind die, die nach dieser Sichtung übrig
bleiben.
Sie bilden die Masse der Trinker.« Methodisch gingen die
Guttempler deshalb immer stärker zu einer »Früherfassung«
der Alkoholiker über, da der »Kampf gegen den Alkoholismus“
ein »Kampf gegen die Verschlechterung des Erbgutes unserer
Rasse, […] also ein notwendiges Teilgebiet der Rassenhygiene [ist]«,
und nur durch die möglichst frühzeitige »Erfassung«
der Alkoholiker »… sie der betreuenden oder ausmerzenden
Fürsorge zuzuführen«
seien, so der Guttempler und Gaufachbeauftragte der
Reichsarbeitsgemeinschaft für das Gau Schleswig-Holstein, Dr. Karl
Thode. Zu diesem Zweck entwarf Thode eine spezielle, nicht-amtliche
Melde-Karte für »suchtgefährdete (!) oder
suchtkranke Personen«. Für die kriminalpolizeiliche
»Reichszentrale zur Bekämpfung von Rauschgiftvergehen«
waren derartige Meldungen von großer Bedeutung, da hier nicht nur
die
bereits straffälligen, sondern möglichst alle Abhängigen
in einer
getrennten Kartei erfasst wurden.
In die Guttempler-Satzung wurde 1933 ein neuer § 11
eingefügt und ähnlich wie im Deutschen Verein, schloß
diese
Satzungsänderung einen im Frühjahr 1933 begonnenen
Prozeß, dessen Ende
etwa im Juni/ Juli 1933 lag, ab: »Dem Reichsministerium des
Innern steht das Recht auf Abruf eines Vorstandsmitgliedes auch
während dessen Wahlperiode zu.«
Hiermit hatte der Guttemplerorden seine Gleichschaltung vollzogen. Von
Widerstand gegen die Gleichschaltung war auf Reichsebene wenig
erkennbar, in einzelnen Landes- oder Kreislogen hingegen sind Akte
passiven und aktiven Widerstands dokumentiert. Einige
Guttempler-Gruppen verweigerten sich der Gleichschaltung und
gründeten
unabhängige Ortsgruppen, beispielsweise bildete sich in
Delmenhorst ein
»Nationaler Guttemplerorden«, der nicht Mitglied in
der »Reichsfachgemeinschaft zur Bekämpfung des
Alkoholismus« war. Gläß beschwerte sich daraufhin
bei der oldenburgischen Staatsregierung und kurz darauf bei der »Geheimen
Staatspolizei« in Delmenhorst über die abtrünnige
Gruppe. Am 17. Februar 1935 löste sich der »Nationale
Guttemplerorden« zwangsweise auf, die Mitglieder traten dem
»Deutschen Guttemplerorden« bei.
Artikel Guttempler-Orden in der Wikipedia
http://de.wikipedia.org/wiki/Guttempler-Orden
Artikel Deutsche Hauptstelle für Suchtgefahren in der
Wikipedia
http://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Hauptstelle_für_Suchtfragen
Wilhelm Biel
1947-1948 Wilhelm Biel war Mitglied im Guttempler
Orden und von
1947-1948 Geschäftsführer bei der Deutschen Hauptstelle gegen
die
Suchtgefahren (DHS). In Bezug auf die Kontinuitäten über 1945
hinaus
ergab sich hinsichtlich der Mitgliedschaft in der NSDAP ein deutlicher
Unterschied zwischen den konfessionellen Organisationen und dem
Guttemplerorden. Während erstere ausnahmslos NSDAP-abstinent
blieben,
trat ein Großteil der Guttemplerspitze der NSDAP bei.
Wilhelm Biel leitete mit Theo Gläß den
Neuland-Verlag von 1937 bis 1970, er war von 1937 bis 1946 und wieder
von 1948 bis 1968 Ordens-Sekretär der Guttempler. Biel war
Mitglied der NSDAP, arbeitete von 1941 bis 1945 als Referent in der
»Reichstelle gegen die Alkohol- und Tabakgefahren«,
nach 1945 war er kurzzeitig Geschäftsführer der DHS, von 1947
bis 1970 im Vorstand der DHS, von 1947 bis 1970 Herausgeber der
Zeitschrift »Informationsdienst der DHS« und von
1958 bis 1978 zusätzlich des »Jahrbuchs zur Frage der
Suchtgefahren«.
Erich Hesse
Erich Hesse, war Mediziner und Sachbuchautor. Laut
Geschäftsverteilungsplan vom 23. Oktober 1934 befaßten sich
innerhalb der »Abteilung Volksgesundheit« das
Referat 15 unter Referent Dr. Leonardo Conti (dem späteren
Reichsgesundheitsführer) mit »Arzneimittelwesen
einschließlich Geheimmittel und internationalem Opiumhandel«
und das Referat 16 mit dem Referenten Dr. Erich Hesse war für den
»Reichsausschuß für Volksgesundheitsdienst und
Bekämpfung des Alkoholismus«
zuständig. Eine interessante Neuerung bringt der
Geschäftsverteilungsplan vom 8. Juli 1937, hier wurde erstmals ein
Referat 14 »Bekämpfung des Mißbrauchs der Rausch-
und Genußgifte« erwähnt, unter der Leitung von
Oberregierungs- und Medizinalrat Dr. Kurt Zimdars, Vertreter war Dr.
Hesse.
Dr. med. Erich Hesse war vermutlich identisch mit
gleichnamigem Buchautor und ab 1938 außerordentlichem Professor
und
Dozent an der Universität Breslau. Hesse wechselte laut
Personalakte am
1. April 1933 vom Reichsgesundheitsamt in das Innenministerium, am 1.
August 1938 wurde er in den Ruhestand versetzt. Im gleichen Jahr
erfolgte die Publikation eines der damaligen Standardwerke über
Drogen
mit dem Titel »Rauschmittel«. Hesse publizierte nach
dem II.
Weltkrieg die 2., 3., und 4. Auflage, seines Buchs, wobei die
auffälligste Veränderung zur Erstauflage eine Substitution
des
deutschen Literaturverzeichnisses durch hauptsächlich
amerikanische
Titel war. Danach übernahmen die Suchtforscher und Psychiater
Klaus
Wanke und Karl-Ludwig Täschner die Neuauflagen, 1985 erschien die
5.
und 2002 die 6. und bisher letzte Auflage der »Rauschmittel«.
Empfehlung
Das Buch von Tilmann Holzer ist thematisch
gegliedert und nicht biographisch. Die oben aufgezeigten »biographischen
Momente«
wurden aus verschiedenen Kapiteln des Buches zusammengestellt. Sie
sollen zeigen, wie anhand von vielen ausgesuchten Zitaten die einzelne
Akteure vor, während und nach dem Dritten Reich agiert haben und
welchen Einfluß sie auf das Geschehen hatten. Wegen der
Reichhaltigkeit
von Informationen in dem Buch wird zum besseren Verständnis
empfohlen,
bei der Lektüre skizzenhaft die Struktur der Organisation im
Gesundheits-, Rechts- und Politiksystem des Dritten Reiches in Form von
Organigrammen nachzuzeichen wie auch die Verknüpfungen der
einzelnen
Akteure. So kann man, vor allem beim mehrmaligen Lesen des Buches
(Studieren des Buches), tiefe Einblicke in die Kontinuitäten und
Diskontinuitäten bei den Zäsuren der deutschen Geschichte,
insbesondere
bezüglich Drogenpolitik, gewinnen.
Tilmann Holzer ist auch Autor von »Globalisierte
Drogenpolitik. Die
protestantische Ethik und die Geschichte des Drogenverbots«,
VWB-Verlag, Berlin, 2002 und arbeitet als wissenschaftlicher
Mitarbeiter an der Lehreinheit für politische Wissenschaft und
Zeitgeschichte an der Universität Mannheim.
Holzer, Tilmann: Die Geburt der
Drogenpolitik aus dem Geist der Rassenhygiene –
Deutsche Drogenpolitik von 1933 bis 1972, 1.
Aufl.. - Norderstedt : Books on Demand, 2007, 592 S. ; 170 mm x 220
mm, ISBN 978-3-8334-9014-9,
49,90 EUR
http://www.bod.de/index.php?id=296&auto_id=21932
Berlin, den 28. Februar 2007
Redaktion Webteam Eve & Rave
e.V. Berlin
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