GHB in der Clubszene

Podiumsdiskussion am 6. Mai 2008 im Festsaal Kreuzberg


Redaktion Webteam www.eve-rave.net Berlin
Pressemitteilung vom 2. Mai 2008 zu GHB in der Clubszene


Seit einiger Zeit tauchen in Polizei-, Medien- und Krankenhausberichten verstärkt Meldungen über Unfälle und Verbrechen (Vergewaltigungen, Diebstahl und Raub) im Zusammenhang mit den Substanzen GHB und GBL auf. Dabei handelt es sich um eine auch als »Liquid Ecstasy« bekannte Droge, deren Konsum bei ungenauer Dosierung oder Mischkonsum mit Alkohol massive Risiken birgt, die sich aber trotzdem steigender Beliebtheit in der Clubszene erfreut.

Eine Gruppe von Partyveranstaltern, DJs und sonstwie in der Clubszene involvierte Personen hat sich deshalb entschlossen, eine aufklärende Kampagne zum Thema GHB/GBL zu starten. Im Rahmen dieser Kampagne wird am Dienstag, den 6. Mai 2008, um 20:00 Uhr im Festsaal Kreuzberg, Skalitzer Straße 130, eine Podiumsdiskussion zum Thema »GHB/GBL und Clubkultur« stattfinden mit Hans Cousto (Sachbuchautor, Mitgründer von Eve & Rave), Dorian Mazurek (Klangsucht – Partyveranstalter und Labelbetreiber, »Clubculture against GHB«) und Jonas Gempp (Musikjournalist, Autor). Moderation: Timon Engelhardt (Musikjournalist).

Datum: 06. Mai 2008
Uhrzeit: 20:00 Uhr
Ort: Festsaal Kreuzberg, Skalitzer Straße 130
(U-Bahn Kottbusser Tor, U1 und U8)

Druckerfreundliche Version (PDF-Format, 142 KB, 4 Seiten):
http://www.eve-rave.net/abfahrer/presse/presse08-05-02.pdf


GHB – Gamma-Hydroxybutyrat

GHB (Gamma-Hydroxybutyrat = Gamma-Hydroxybuttersäure) ist eine farblose Flüssigkeit mit leicht scharfem Geruch. GHB ist ein Narkotikum (Narkosemittel) mit hypnotischen (einschläfernden) Eigenschaften ohne analgetische (schmerzstillende) Wirkung. GHB wurde erstmals im Frühjahr 1960 synthetisiert. Die Synthese erfolgte durch den Chemiker und Pharmakologen Camille-Georges Wermuth im Auftrag der französischen Marine im Rahmen eines Forschungsprogrammes, das von dem in Hanoi (Vietnam) geborenen Chirurgen Henri-Marie Laborit am Marinestützpunkt Toulon in Südfrankreich durchgeführt wurde.

GHB ist ein Metabolit (Stoffwechselprodukt) des im zentralen Nervensystem dämpfend wirkenden Neurotransmitters GABA (Gamma-Aminobuttersäure) und befindet sich auch selbst als eigenständiger Neurotransmitter im menschlichen Körper. GABA kann aufgrund seiner chemisch-physikalischen Polarität die Blut-Hirn-Schranke sehr schlecht passieren, das heißt, wird einem Patienten GABA intravenös injiziert, erreicht nur ein ganz geringfügiger Teil der injizierten Substanz das Gehirn, der größte Teil hingegen wird im Blut oxydiert und im Urin ausgeschieden. Der Erfinder von GHB, Camille-Georges Wermuth, ersetzte die Amino-Gruppe des GABA-Moleküls durch eine Hydroxy-Gruppe und machte so das Molekül (GHB) weniger anfällig für eine Verbindung mit Sauerstoff (Oxydation) und somit für die Blut-Hirn-Schranke passierbar. Was seinerzeit nicht bekannt war, ist die Tatsache, daß GHB ebenso wie GABA im menschlichen Körper existent ist und eine eigenständige Transmiterfunktion ausübt. Das synthetisch hergestellte GHB und das natürliche im menschlichen Organismus gefundene GHB sind identisch gleich. GHB wurde somit erst erfunden und erst danach als natürliche Substanz entdeckt.

Das Arzneimittel GHB gilt als relativ gut verträglich. Als nachteilig wird jedoch das häufige Auftreten von Myoklonien (kurze ruckartige Zuckungen einzelner Muskeln) und Erbrechen, das gelegentliche Auftreten von metabolischer Azidose (Störung im Säure-Basen-Haushalt mit Abfall des aktuellen Bicarbonatpegels) und Hypokaliämie (Elektrolytstörung mit Erniedrigung des Kaliumpegels) sowie in Einzelfällen unkalkulierbar lange klinische Wirkdauer beschrieben. Aufgrund dieser im Vergleich zu anderen Injektionsnarkotika schlechteren Steuerbarkeit hat GHB als Arzneimittel zugunsten neuerer Anästhetika und Sedativa immer mehr an Bedeutung verloren und wird in Deutschland nur noch selten verwendet. In Italien beispielsweise erlebte GHB hingegen in letzter Zeit eine gewisse Renaissance zur Behandlung der Narkolepsie (Störung der Schlaf- und Wach-Rhythmik) und des Alkoholentzugsyndroms sowie auch zur Therapie der Opiatabhängigkeit.

GHB wird, da es in der Technoszene zur Stimmungsaufhellung und Luststeigerung als Flüssigkeit oral eingenommen wird, auch »Liquid Ecstasy« genannt, obwohl es in keiner Art und Weise mit Ecstasy (MDMA) verwandt ist, weder chemisch noch von der Wirkungsweise her.

GHB bewirkt eine Stimulierung der Wachstumshormone und begünstigt den Fettstoffwechsel. Deshalb wird GHB im Kreise der Bodybuilder als Aufbausubstanz eingenommen, insbesondere weil GHB weitaus weniger unerwünschte Nebenwirkungen hat als die üblichen Anabolika, die durch Erzielung einer positiven Stickstoffbilanz im Stoffwechsel Wachstumsprozesse beschleunigen, bei Männern jedoch nicht selten zu einer Hodenatrophie (Hodenschrumpfung) führen.

GHB wird innerhalb von wenigen Stunden vollständig metabolisiert und größtenteils als CO2 (Kohlenstoffdioxyd) abgeatmet, der Rest wird als Wasser mit dem Urin ausgeschieden. Nur ein sehr geringfügiger Teil der Substanz gelangt unverändert über die Nieren in den Urin. Aus diesem Grund ist ein forensischer (gerichtsmedizinischer) Nachweis im Urin fast unmöglich.

Mit der Sechzehnten Verordnung zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher Vorschriften (16. BtMÄndV) vom 28. November 2001, in Kraft getreten am 1. März 2002, wurde GHB (Gamma-Hydroxybuttersäure) in Deutschland den betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften unterstellt, das heißt jeglicher Umgang mit dieser Substanz war für die Allgemeinheit verboten worden. Seitem ist diese Substanz in Anlage III zu § 1 BtMG (verkehrsfähige und verschreibungsfähige Stoffe) aufgelistet. Ärzte dürfen somit seit dem 1. März 2002 GHB nur noch auf einem speziellen Betäubungsmittelrezept verschreiben, ausgenommen in Zubereitungen zur Injektion, die ohne einen weiteren Stoff der in Anlagen I bis III bis zu 20 vom Hundert und je abgeteilte Form bis zu zwei Gramm GHB, berechnet als Säure, enthalten. Letztgenannte Zubereitung (wie das Medikament Somsanit®) dürfen Ärzte nach wie vor auf einem gewöhnlichen Rezept verschreiben.

Mit der 16. BtMÄndV wurde auch der Umgang mit den Estern, Ethern und Molekülverbindungen des GHB den betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften unterstellt. Doch das Verbot eines allgemeinen Umgangs mit diesen Estern, Ethern und Mölekülverbindungen (zu denen auch GBL, BDO und THF gehören) hätte bedeutet, viele Herstellungsprozesse aus dem Bereich der organischen Chemie sofort einstellen zu müssen. Deshalb wurde mit der 17. BtMÄndV vom 12. Februar 2002, in Kraft getreten am 1. März 2002, die 16. BtMÄndV dahingehend korrigert, daß die Ester, Ether und Molekülverbindungen des GHB durch eine Ausnahmeregelung nicht den betäumungsmittelrechtlichen Vorschriften zu unterstellen seien. Daher wird beispielsweise GBL nur im Monitoring chemischer Substanzen erfaßt, jedoch nicht von den Bestimmungen des Grundstoffüberwachungsgesetzes (GÜG ) berührt. GBL ist überdies als einziger Ester eines Betäubungsmittels nicht den Vorschriften des BtMG unterstellt.
 
Weitere Informationen siehe:
http://www.drogenkult.net/?file=GHB
Pressemitteilung zur 16. BtMÄndV
http://www.eve-rave.net/abfahrer/presse/presse02-01-11.html



GHB/GBL und Clubkultur

Bis 1997 war der Gebrauch von GHB als Freizeitdroge in Deutschland wenig verbreitet. Dies änderte sich jedoch schlagartig nach einer bundesweiten Pressekampagne, die der damalige Bundesdrogenbeauftragte Eduard Lintner (CSU) vor der Love Parade in Berlin im Juni 1998 inszinierte. Unter Berufung auf die »Welt am Sonntag« vom 21. Juni 1998 und auf diverse Nachrichtenagenturen (AFP: Neue Designer-Droge in deutscher Techno-Szene aufgetaucht – Zahl der Drotgentoten drastisch gestiegen. Agenturmeldung vom 20.06.1998. DPA: Mehr Drogentote – Drogenbeauftragter warnt vor »Liquid Ecstasy«. Agenturmeldung vom 21.06.1998. AP: Bundesregierung warnt vor neuer Designerdroge. Agenturmeldung vom 21.06.1998) erschienen unter Ängste schürende Überschriften Artikel zu einer angeblich neuen Designerdroge namens »Liquid Ecstasy«, in denen der Bundesdrogenbeauftragte Eduard Lintner zitiert wurde:

»Wie bei Ecstasy-Tabletten handelt es sich um eine höchst gefährliche Substanz, die zunächst euphorisiert, dann Übelkeit, Erbrechen und Atemnot bis zu schweren Atembeschwerden, Anfällen und Kommazuständen erzeugt. [...] Den Konsumenten, die meist aus der Techno-Szene stammen, droht ein totaler Horrortrip.« Weiter hieß es, in Diskotheken in Herford und Bielefeld seien größere Mengen sichergestellt worden. Keine der oben bezeichneten Nachrichtenagenturen und kaum eine Zeitung meldete jedoch, als sich herausstellte, daß die Bielefelder Drogenfahnder keinen einzigen Tropfen »Liquid Ecstasy« beschlagnahmten und daß »Liquid Ecstasy« keine neue Designerdroge ist, sondern ein verschreibungspflichtiges Medikament, das unter dem Namen »Somsanit« im Handel erhältlich ist. »Somsanit« ist ein eingetragenes Warenzeichen der Dr. Franz Köhler Chemie GmbH. Anwendungsgebiete des im allgemeinen intravenös verabreichten Medikamentes sind: Kaiserschnittentbindungen und Geburtsanästhesie, Unfallchirurgie und Risikofälle aller Art, langandauernde Operationen, Herzkathetisierung, Neurochirurgie und Kinderchirurgie.

Daß Lintner, der der Techno-Szene äußerst Medienwirksam den »totalen Horrortrip« verausgesagt hatte, am folgenden Montag von seinem Szenario abrückte, war kaum in einer Zeitung nachzulesen. Eine der wenigen erhellenden Ausnahmen stellte in diesem Fall der Kölner Stadtanzeiger dar. Axel Spilker berichtete in der Ausgabe vom 23.06.1998 über die Falschmeldung des Bundesdrogenbeauftragten ausführlich unter der Überschrift: Lintner tritt den Rückzug an. Vermeintliche Superdroge »Liquid Ecstasy« existiert nur in der Phantasie.

Bis Sommer 1998 wurde GHB in Deutschland außer als Arzneimittel in der Chirurgie vorwiegend nur als Leistungssteigerungsmittel (Doping-Stoff) im Bereich des Hochleistungssports und von Body-Buildern gebraucht. In der Partyszene war GHB bis dahin wenig verbreitet und kaum bekannt. Erst durch die vom Bundesdrogenbeauftragten ausgelöste Berichterstattung in den Medien wurden viele auf diesen sogenannten »neuen« Stoff aufmerksam und GHB hielt rasch einzug in diverse Gesellschaftskreise, so auch in der Party- und Technoszene.

In letzter Zeit tauchten in Polizei-, Medien- und Krankenhausberichten verstärkt Meldungen über Unfälle und Verbrechen (Vergewaltigungen, Diebstahl und Raub) im Zusammenhang mit den Substanzen GHB und GBL auf. Dabei handelt es sich um die auch als »Liquid Ecstasy« bekannte Droge, deren Konsum bei ungenauer Dosierung oder Mischkonsum mit Alkohol massive Risiken birgt, die sich aber trotzdem steigender Beliebtheit erfreut.

Gerade als so genannte »Date Rape Drug« ist GHB/GBL bereits häufig medial in Erscheinung getreten. Nachdem es in den letzten Monaten wieder Meldungen über mit GHB/GBL in Verbindung gebrachte Vergewaltigungen sowie potentiell lebensbedrohliche Überdosierungen gab, starteten Berliner Veranstalter eine Initiative, um jenseits einseitiger Erklärungsmuster und auf Abstinenz abzielender Verteufelung auf die Gefahren des Konsums hinzuweisen.

Und Hans Cousto, Mitbegründer von Eve & Rave Berlin, stellt dazu fest: »Seit etwa zehn Jahren beobachten wir, daß der Mischkonsum von GHB/GBL und Alkohol der häufigste hauptursächliche Grund ist, daß Personen von Parties mit einem Krankenwagen in ein Krankenhaus transportiert werden müssen, weil eine intensivmedizinische Betreuung notwendig ist.« Deshalb warnen sowohl Eve & Rave als auch der »Autonome Drogeninfostand« an Parties mit dem folgenden Slogan: »Alk + GHB = Tatütata«. So kurz der Spruch ist, so schnell und gut wird er von den meisten Partybesucher verstanden.

Es ist kein großes Geheimnis, daß es im Berliner Nachtleben vielfältig, wild und exzessiv zugeht. Es wird gerne, viel und lange gefeiert; dafür steht diese Stadt wie wohl kaum eine andere auf der Welt und wo viel gefeiert wird, werden auch Drogen konsumiert.

Aufgrund der rechtlichen Situation werden über den Drogenkonsum der Partybesucher im Clubkontext nicht viele Worte verloren, da die Gefahr der Kriminalisierung zu groß ist. Die Gefahr als »Drogenclub« gehandelt zu werden und die volle Palette staatlicher Repressionen zu erfahren ist zu groß. Jahrelang gab es mit Drogenkonsumenten relativ wenig Probleme, doch seit einigen Jahren wird die Droge GHB respektive GBL immer beliebter. Diese Substanzen unterscheiden sich von den konventionellen Clubdrogen in vielerlei Hinsicht. Kombiniert mit Alkohol werden sie zum gefährlichen Cocktail, der im schlimmsten Fall komaartigen Schlaf, Krampfanfälle oder sogar Atemdepressionen auslösen kann.
 
Vergl. hierzu: GHB-Aufklärung und GHB/GBL-Warnungen
http://www.eve-rave.net/abfahrer/presse/presse05-09-08.html#28



Alk + GHB = Tatütata

Bevor die Sanitäter auf der Party zum immer weniger schockierenden Regelfall werden, hat eine Gruppe von Partyveranstaltern, DJs und sonstwie in der Clubszene involvierte Personen sich entschlossen, eine aufklärende Kampagne zum Thema GHB/GBL zu starten und Möglichkeiten zu diskutieren, den Rettungswagen vor der Clubtür zu vermeiden.

Daher lädt die Gruppe am 6. Mai 2008 zu einer Podiumsdiskussion im Festsaal Kreuzberg, die unter dem Motto »Kackt weniger ab!« versucht, möglichst objektiv und unideologisch über den GHB/GBL-Konsum zu berichten. Es geht nicht darum, eine Droge zu verteufeln oder GHB-Gegner und Konsumenten gegeneinander auszuspielen, sondern in Anbetracht der Tatsache, daß man zumindest GBL in Deutschland legal erwerben kann und es sich in der Clubszene wachsender Beliebtheit erfreut, versuchen aufzuklären und einen vernünftigen Umgang mit GHB/GBL zu führen. Timon Engelhardt, Mitorganisator der Veranstaltung, sagt dazu: »Ziel der Initiative ist es nicht, der Kriminalisierung von GHB-Usern das Wort zu reden, sondern vor allem, die Krankenwageneinsätze vor Clubs und auf Parties zu minimieren. Die geplante Podiumsdiskussion kann dafür nur ein erster Schritt sein.«

Podiumsveranstaltung »Kackt weniger ab! – GHB/GBL und Clubkultur« mit Hans Cousto (Sachbuchautor, Mitgründer von Eve & Rave), Dorian Mazurek (Klangsucht – Partyveranstalter und Labelbetreiber, »Clubculture against GHB«) und Jonas Gempp (Musikjournalist, Autor). Moderation: Timon Engelhardt (Musikjournalist).

Datum: 06. Mai 2008
Uhrzeit: 20:00 Uhr
Ort: Festsaal Kreuzberg, Skalitzer Straße 130
(U-Bahn Kottbusser Tor, U1 und U8)

Vergl. hierzu: Clubculture against GHB
http://www.myspace.com/againstghb
Kontaktadresse für Nachfragen, Anregungen oder Kritik:
ghb_podiumsdiskussion@gmx.de



Berlin, den 2. Mai 2008
Redaktion Webteam Eve & Rave e.V. Berlin

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