Versammlungsrecht und Demonstrationen
Bundesverwaltungsgericht bestätigt Demonstrationsstatus der Fuckparade


Redaktion Webteam www.eve-rave.net Berlin
Pressemitteilung vom 17. Mai 2007 zur Fuckparade

Das Recht mit anderen Menschen zusammen für etwas in der Öffentlichkeit zu demonstrieren ist in Deutschland ein unveräußerliches Grundrecht, das in Artikel 8 (Versammlungsfreiheit) des Grundgesetzes festgeschrieben ist. Das besagte Grundrecht gewährleistet insbesondere Minderheitenschutz und verschafft auch denen die Möglichkeit zur Äußerung in einer größeren Öffentlichkeit, denen der Zugang zu den Medien versperrt ist. Die darauf bezogene Versammlungsfreiheit genießt einen gegenüber der allgemeinen Handlungsfreiheit einen gesteigerten Schutz. Doch dieses Recht ist in der Bundesrepublik Deutschland keine Selbstverständlichkeit, sondern muß – wie im Fall der »Fuckparade« – nicht selten erst bei Gericht eingeklagt werden, wobei es Jahre dauern kann, bis einem das verbriefte Recht auch amtlich zugesprochen wird. So hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig erst knapp sechs Jahre nach der »Fuckparade 2001« entschieden, daß der Polizeipräsident in Berlin die Veranstaltung »Fuckparade 2001« als Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes und damit im Sinne des Grundgesetzes hätte behandeln müssen. Das Verbot der »Fuckparade« im Jahr 2001 war somit rechtswidrig.


Druckerfreundliche Version (PDF-Format, 136 KB, 5 Seiten):
http://www.eve-rave.net/abfahrer/presse/presse07-05-17.pdf


Der Berliner Paradenstreit

Als farbenfrohe Demonstration für Freude und Frieden ist die Berliner »Love Parade« 1989 der damals sich neu entwickelnden Techno-Szene des Berliner Undergrounds entsprungen. Der Discjockey Dr. Motte meldete seinerzeit als Veranstalter diese Demonstration bei der zuständigen Polizeibehörde an und seiner Einladung zum Friedenstanz folgten etwa 150 Freunde aus der Szene. Mit ihrer Art zu demonstrieren, setzten sie völlig neue Akzente in die Versammlungskultur.

Mitte der neunziger Jahre war die »Love Parade« schon weit mehr vom Kommerz als von der Kultur geprägt. Ein paar wirtschaftlich und personell eng verflochtene Firmen hatten das rege Medieninteresse an der »Love Parade« für die Werbung ihrer Veranstaltungen sowie von teuren Markenprodukten ausgeschlachtet und die »Love Parade« war vom Konzept her nichts anderes mehr als ein rein kommerzielles Straßenfest. Außer der Love Parade GmbH waren vor allem die Planetcom GmbH, die May Day GmbH sowie die Low Spirit Recordings GmbH an der Ausschlachtung der Berliner Underground-Kultur zum Nachteil der Underground-Szenen in der Stadt beteiligt. Die Love Parade GmbH, eine auf Gewinnstreben ausgelegte Kapitalgesellschaft, verlangte für jeden Musikwagen mehrere Tausend Mark Anmeldegebühr, so daß viele Berliner Szene-Klubs, in denen nicht wenige die groß präsentierten Musiktitel entstanden, keine Teilnahmechancen hatten. Zudem kassierte die Love Parade GmbH jährlich aus den Verkäufen von Bildrechten und Werbeeinnahmen Beträge in Millionenhöhe. Kurzum, die Love Parade GmbH nutzte über Jahre hinweg für ihre Tanzparade in Berlin den Status einer Demonstration und die damit verbundene Förderung mit Steuergeldern (Kosten für Absperrungen und Reinigung zu Lasten der Staatskasse) und konnte so Gewinne in Millionenhöhe erwirtschaften.

Um gegen diesen Mißbrauch des Versammlungsrechtes wie auch gegen den damit einhergehenden Trend zur Kommerzialisierung der Berliner Technoszene ein Signal zu setzen, haben sich 1996 vor allem politisch redlich denkende Raver vom Umfeld der Love Parade und ihre Macher distanziert und ab 1997 jeweils am Tag der »Love Parade« zu einer Demonstration gegen diesen Mißbrauch und vor allem auch gegen diese Kommerzialisierung aufgerufen und sich zur Veranstaltung der »Hateparade« (1997) respektive »Fuckparade« (ab 1998) versammelt. Somit war den Behörden in Berlin spätestens ab der Anmeldung der »Hateparade« im Juli 1997 durch DJ Trauma XP der Tatbestand bekannt, daß die »Love Parade« keine Demonstration im Sinne des Versammlungsrechtes war, sondern eine kommerzielle Tanzveranstaltung. Dennoch duldeten die Polizeibehörden die »Love Parade« als Demonstration, weil sie so viel Geld und Touristen in die Stadt holte wie keine andere Großveranstaltung in Berlin.

Erst die ursprünglich für den 14. Juli 2001 vorgesehene, dann aber erst am 21. Juli 2001 durchgeführte »Love Parade«, die wegen einer bereits zuvor für den gleichen Zeitraum am gleichen Ort angemeldeten Demonstration zum Thema »Der Tiergarten gehört allen Berlinern« untersagt worden war, wurde gemäß Bescheid des Polizeipräsidenten in Berlin vom 22. Mai 2001 nicht mehr als Demonstration anerkannt. Zur Begründung hieß es, die »Love Parade« sei eine reine Musikveranstaltung und weise nicht den für eine Versammlung maßgeblichen verbindenden Zweck der Meinungsbildung und Meinungsäußerung auf. Auch das in dieser Sache angerufene Verwaltungsgericht entschied am 28. Juni 2001 in gleicher Weise und stellte zudem fest, daß die Versammlungseigenschaft auch deshalb zu verneinen sei, weil es sich bei der »Love Parade« um eine kommerzielle Veranstaltung handle. Es sei nicht gerechtfertigt, rein wirtschaftlich motivierte Zusammenkünfte von Menschen verfassungsrechtlich zu privilegieren. Diese Entscheidung wurde am 6. Juli 2001 vom Oberverwaltungsgericht und am 12. Juli 2001 vom Bundesverfassungsgericht bestätigt. So war die »Love Parade« im Jahr 2001 keine Demo, sondern eine reine Straßenveranstaltung (auf der Basis einer straßenrechtlichen Sondernutzungsgenehmigung) und die Macher mußten die Müllbeseitigung sowie andere Nebenkosten bezahlen und nicht mehr der Steuerzahler.

Der Antrag von DJ Trauma XP, die »Fuckparade« im Juli 2001 als Demonstration durchzuführen, wurde vom Polizeipräsidenten in Berlin mit Bescheid vom 14. Mai 2001 zurückgewiesen. Dem eingelegten Widerspruch gegen den Bescheid des Polizeipräsidenten wurde vom Verwaltungsgericht mit Beschluß vom 28. Juni 2001 stattgegeben. Das Gericht stellte fest, daß es für die Qualifizierung als Versammlung unerheblich sei, ob Musik und Tanz zur Unterstützung der Versammlungsthemen als spezifische Ausdruckformen eingesetzt werden. Die Veranstaltung habe gleichwohl deshalb Versammlungscharakter, weil die Verbreitung zahlreicher Handzettel beabsichtigt sei, auf denen das Anliegen der Veranstaltung ausfühlich und verständlich dargestellt werde. Zudem verfolge die »Fuckparade« nicht wie die »Love Parade« komerzielle Zwecke. Weder müssen für die Musikwagen Startgebühren entrichtet werden, noch seien Werbeeinnahmen oder sonstige Gewinne zu erwarten. Die »Fuckparade« habe den Charakter einer Demonstration.

Das Oberverwaltungsgericht änderte diese Entscheidung mit Beschluß vom 6. Juli 2001 wieder mit der Begründung ab, das Schwergewicht der Veranstaltung liege eindeutig auf dem Gebiet der Unterhaltung. Dem schloß sich auch das Bundesverfassungsgericht mit Beschluß vom 12. Juli 2001 mit einer äußerst realitätsfremden abschleißenden Bemerkung an, daß auch der »Fuckparade« die Möglichkeit bleibe, eine Sondernutzungsgenehmigung für die Straßenbenutzung zu beantragen, wobei deren Erteilung nicht aus zeitlichen Gründen im Hinblick auf den langwierigen, die rechtliche Einordnung der Veranstaltung betreffenden Entscheidungsprozeß, versagt werden dürfe. Da eine kostenneutrale Sondernutzungsgenehmigung in nur einem Tag in Berlin nicht erteilt werden kann, wurde der »Fuckparade« somit ihr Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit mit höchstrichterlichem Segen verwehrt. Die Fuckparade konnte nicht stattfinden.

Stattdessen wurde am 14. Juli 2001 für das Demonstrationsrecht und die freie Wahl der Mittel bei einer Versammlung auf öffentlichem Grund demonstriert. Radio Fritz, ein öffentlichrechtlicher Radiosender in Berlin, solidarisierte sich mit der »Fuckparade«. Die Djs konnten in der Volksbühne ihre Platten auflegen, die Musik wurde vom Radiosender übertragen und sollte auf der Demonstration aus Radios und Ghettoblastern die verbotenen Soundsysteme ersetzen. Promt wurden auch die Radios und Ghettoblaster verboten, obwohl das Abspielen von Musik auf Demonstrationen sonst etwas selbstverständliches ist.

Besonders pikant dabei ist die Tatsache, daß das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluß feststellte, daß Versammlungen auch dann in den Schutzbereich des Versammlungsfreiheit fallen, wenn sie ihre kommunikativen Zwecke unter Einsatz von Musik und Tanz verwirklichen. Dies gilt jedoch nur, wenn diese Mittel zur kommunikativen Entfaltung mit dem Ziel eingesetzt werden, auf die örtliche Meinungsbildung einzuwirken. Von der Versammlungsfreiheit sind solche Veranstaltungen auch dann erfaßt und rechtlich geschützt, wenn sie sich zum Beispiel dafür einsetzen, daß bestimmte Musik- und Tanzveranstaltungen auch in Zukunft ermöglicht werden sollen. Geschützt durch das Grundgesetz ist in solchen Fällen die kommunikative Einflußnahme auf die öffentliche Meinung, um auf die zukünftige Durchführung solcher Veranstaltungen hinzuwirken, nicht aber das Abhalten der Musik- und Tanzveranstaltung selbst.

Nach mehreren Gerichtsverhandlungen, die sich insgesamt über etwa sechs Jahren hinzogen, hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am 16. Mai 2007 entschieden, daß der Polizeipräsident in Berlin die Veranstaltung »Fuckparade 2001« als Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes und damit im Sinne des Grundgesetzes hätte behandeln müssen. Das Verbot der »Fuckparade« im Jahr 2001 war somit rechtswidrig.


Die Chronologie eines Rechtsstreites

Der Leiter der Berliner Versammlungsbehörde, Herr Haß, hatte in einem Kooperationsgespräch mit dem Veranstalter der »Fuckparade« am 9. April 2001 angekündigt, die »Fuckparade« dieses Jahr nicht mehr als Demonstration genehmigen zu wollen. Vorsorglich hatten die Veranstalter der »Fuckparade« gegen diesen mündlichen Verwaltungsakt am 18. April 2001 Widerspruch eingelegt, jedoch ohne Erfolg. Gegen die Ablehnung der Fuckparade als Demonstration haben die Fuckparade-Organisatoren 21. Mai 2001 vor dem Berliner Verwaltungsgericht einen Eilantrag auf vorläufigen Rechtsschutz gegen das Land Berlin gestellt. Im Beschluß vom 28. Juni 2001 begründete das Verwaltungsgericht Berlin ausführlich, warum die »Fuckparade« eine Demonstration im Sinne des Versammlungsgesetzes sei.
 
Beschluß Verwaltungsgericht Berlin vom 28. Juni 2001 im 1. Eilverfahren (VG 1 A 166.01)
http://www.fuckparade.org/recht/2001-06-28/


Nachdem das Berliner Verwaltungsgericht in seinem Beschluß vom 28. Juni 2001 der »Fuckparade« die Versammlungseigenschaft zuerkannt hatte, reichte die Versammlungsbehörde am 3. Juli 2001 Beschwerde gegen diesen Beschluß beim Oberverwaltungsgericht Berlin ein. Mit Beschluß vom 6. Juli 2001 erklärte das Berliner Oberverwaltungsgerichts, daß die geplante »Fuckparade 2001« keine Demonstration im Sinne des Versammlungsgesetzes sei.
 
Beschluß Oberverwaltungsgericht Berlin vom 6. Juli 2001 im 1. Eilverfahren (OVG 1 S 11.01)
http://www.fuckparade.org/recht/2001-07-06/


Am 9. Juli 2001 beantreagte der Anmelder der »Fuckparade 2001« beim Bundesverfassungsgericht in einem Eilantrag die Aufhebung des Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts Berlin vom 06.07.2001und des Bescheides des Polizeipräsidenten in Berlin vom 14.05.2001 zu regeln und daß die mit Schreiben vom 19.03.2001 angemeldete »Fuckparade 2001« nach dem Versammlungsgesetz zu behandeln sei. In dem Verfahren über diesen Antrag Entschied das Bundesverfassungsgericht im Wege einer einstweiligen Anordnung, daß die »Fuckparade 2001« keine Demonstration im Sinne des Versammlungsgesetzes sei.
 
Eilantrag vom 9. Juli 2001 vom Anmelder der »Fuckparade 2001« beim Bundesverfassungsgericht
http://www.fuckparade.org/2001/fp2001_news_klage_0709.html
Einstweilige Anordung im Eilverfahren des Bundesverfassungsgerichtes vom 12. Juli 2001 (1 BvQ 28/01)
http://www.bverfg.de/entscheidungen/qk20010712_1bvq002801.html


Nachdem der Antragsteller mit seinem Begehren, die für den 14. Juli 2001 geplante »Fuckparade 2001« als Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes abzuhalten, nunmehr auch höchstrichterlich gescheitert war, meldete er sogleich für den selben Termin eine Versammlung zum Thema »Für Demonstrationsfreiheit, für eine freie Wahl der Mittel einer Demonstration« in Berlin-Mitte an. Nach der Anmeldung sollte eine herkömmliche Demonstration mit Transparenten, Megafonen, Sprechchören und Redebeiträgen abgehalten werden; Musikwagen seien nicht vorgesehen. Der Antragsteller rief indes alle Teilnehmer in einem im Internet veröffentlichten Aufruf dazu auf, zivilen Ungehorsam zu zeigen. Dazu sollten alle Teilnehmer Musikinstrumente, Trommeln und Ghettoblaster mitbringen. Weiter hieß es in dem Aufruf wörtlich: »Durch das Mitbringen der Radios zeigen wir auch die immer wieder geforderte innere Verbundenheit: Radio Fritz hat sich solidarisch mit den Veranstaltern gezeigt und stellt uns von 14-20 Uhr eine Frequenz und einen Übertragungswagen zur Verfügung, über den sich unsere DJs, MCs und RednerInnen Gehör verschaffen können.«

Mit Bescheid vom 13. Juli 2001 hatte der Polizeipräsident in Berlin die Anmeldung bestätigt und zugleich mit der Auflage versehen, daß das Mitführen von elektronischen Musikabspielgeräten (wie z.B. Ghettoblaster, Radios, CD-Player o.ä.) und Musikinstrumenten untersagt werde. Zwischenzeitlich hatte die Behörde klargestellt, daß hiervon rein mechanisch betriebene Instrumente ausgenommen seien. Zur Begründung hatte sich die Behörde im Kern darauf berufen, daß anderenfalls über den Umweg einer Radioübertragung die Durchführung der »Fuckparade 2001« in ihrer ursprünglichen Form ermöglicht würde. Gegen diese Auflagen legte der Antragsteller beim Verwaltungsgericht in Berlin Widerspruch ein. Gemäß Beschluß vom gleichen Tag wies das Verwaltungsgericht den Antrag auf Widerspruch zurück. Die Beschwerde des Antragstellers beim Oberverwaltungsgericht gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts Berlin vom 13. Juli 2001 wurde am folgenden Tag, dem 14. Juli 2001, abgelehnt.
 
Beschluß Verwaltungsgericht Berlin vom 13. Juli 2001 im 2. Eilverfahren (VG 1 A 231.01)
http://www.fuckparade.org/recht/2001-07-13/
Beschluß Oberverwaltungsgericht Berlin vom 14. Juli 2001 im 2. Eilverfahren (OVG 1 SN 59.01)
http://www.fuckparade.org/recht/2001-07-14/


Im Hauptverfahren zum 1. Eilverfahren hatte das Verwaltungsgericht Berlin am 23. November 2004 festgestellt, daß der Verwaltungsakt der Versammlungsbehörde zur »Fuckparade 2001« rechtswidrig gewesen sei. Es teilte jedoch nicht die Auffassung, daß die »Fuckparade 2001« auch ohne Redebeiträge eine Demonstration im Sinne des Versammlungsgesetzes gewesen wäre.
 
Urteil Verwaltungsgericht Berlin vom 23. November 2004 im Hauptvfahren (VG 1 A 271.01)
http://www.fuckparade.org/recht/2004-11-23/


Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hatte am 2. Mai 2006 die Berufung zurückgewiesen und entschieden, daß die »Fuckparade 2001« in ihrer ursprünglich angemeldeten Form ohne Redebeiträge keine Demonstration gewesen wäre. Die Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde wegen der grundlegenden Bedeutung des Urteils jedoch zugelassen.
 
Urteil Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg vom 2. Mai 2006 im Hauptverfahren (OVG 1 B 4.05)
http://www.fuckparade.org/recht/2006-05-02/


Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat nun am 16. Mai 2007 entgegen den vorausgegangenen Beschlüssen des Berliner Verwaltungsgerichts und Oberverwaltungsgerichts bestätigt, daß die »Fuckparade 2001« in der geplanten Form auch ohne Redebeiträge eine Demonstration im Sinne des Versammlungsgesetzes gewesen wäre und entschieden, daß der Polizeipräsident in Berlin die Veranstaltung »Fuckparade 2001« als Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes und damit im Sinne des Grundgesetzes hätte behandeln müssen. Die von dem Kläger angemeldete Veranstaltung war als Versammlung zu behandeln, weil nicht zweifelsfrei auszuschließen ist, daß die Veranstaltung mit Blick auf ihr Gesamtgepräge für einen Außenstehenden erkennbar auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet war. Bei der Beurteilung des Gesamtgepräges einer Veranstaltung sind mit Blick auf die besondere Bedeutung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit im Wege einer Gesamtschau alle maßgeblichen Gesichtspunkte mit der ihnen zukommenden Bedeutung zu berücksichtigen. Dem hat das Oberverwaltungsgericht nicht ausreichend Rechnung getragen. Es hat mehrere relevante Umstände unberücksichtigt gelassen. Nach der vom Bundesverwaltungsgericht angestellten eigenständigen Beurteilung des Gesamtgepräges der Veranstaltung war diese als Versammlung zu behandeln. Dafür, daß die Veranstaltung erkennbar auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet sein sollte, sprechen insbesondere die Handzettel, auf denen die Forderungen der Veranstaltung wiedergegeben und näher beschrieben wurden, und die beabsichtigte Wiedergabe der Forderungen auf den an den Lastkraftwagen befestigten Bannern. Von Bedeutung sind auch der Internetauftritt des Klägers, in dem die Forderungen der Veranstaltung ausführlich dargelegt und begründet wurden, und die von dem Kläger initiierte Podiumsdiskussion. Angesichts der zahlreichen aussagekräftigen Umstände, die für eine Versammlung sprechen, kann nicht angenommen werden, daß die auf Musik, Tanz und Unterhaltung gerichteten Elemente der Veranstaltung im Vordergrund gestanden hätten.

Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat auch für zahlreiche andere Demonstrationen eine grundlegende Bedeutung, da ihnen der Status allein wegen des Fehlens von Redebeiträgen nicht mehr verwehrt werden darf.
 
Urteil Bundesverwaltungsgericht vom 16. Mai 2007 im Hauptverfahren (BVerwG 6 C 23.06)
http://www.bverwg.de/enid/9d.html?search_displayContainer=8731


Fazit

Die Bundesrepublik Deutschland ist ein Rechtsstaat, doch – insbesondere bei Demonstration im Sinne des Versammlungsgesetzes – verhindern Organe der Exekutive (in rechtswidriger Weise) die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes nicht selten an der Ausübung ihres verfassungsmäßig verbrieften Rechtes. In der Folge müssen die Bürgerinnen und Bürger bei den Gerichten ihr Recht einklagen. Dazu ist viel Energie und Beharrlichkeit vonnöten. Wer darüber nicht verfügt, hat sein Recht verspielt. Die Veranstalter der »Fuckparade« haben mit ihrer Energie und Beharrlichkeit ihr Recht mit Erfolg eingeklagt und damit für mehr Rechtssicherheit bei Demonstrationen im Sinne des Versammlungsgesetzes gesorgt. Den Versantaltern der »Fuckparade«, Martin Kliehm (DJ Trauma XP) und Thomas Rupp (DJ moog_t.) sei an dieser Stelle für ihr Engagement gedankt! Sie haben mit ihrer Initiative nicht nur in Berlin die Kultur im allgemeinen bereichert, sondern sie haben auch einen wesentlichen Beitrag zur Rechtskultur in der Bundesrepublik Deutschland geleistet!


Fuckparade 2007

Die »Fuckparade 2007« wird voraussichtlich am 18. August 2007 in Berlin stattfinden. Das ist eine Woche nach der »Streetparade« in Zürich respektive eine Woche nach der »Sonne Mond und Sterne« (SMS) in Saalburg (Thüringen) respektive zwei Wochen nach der »VuuV« in Putlitz (Brandenburg).

In Berlin geht es immer seltener so lustig zu wie an den oben genannten Parties, da die kulturelle Verödung ganzer Stadtteile durch die fortschreitende Vereinnahmung durch Kommerz, Mainstream und Spekulantentum stetig vorangetrieben wird! An der »Fuckparade 2007« wird mit Mitteln der Kultur (u.a. Musik) gegen die kulturelle Verödung ganzer Stadtteile und für mehr (sub-)kulturelle Freiräume demonstriert. Subkultur hat einen sozialen Wert, keinen kommerziellen. Für kreative Menschen ist sie Sozialisationsort, Rückzugsmöglichkeit und kulturelles Experimentierfeld. Subkultur ist der Nährboden kultureller Entwicklung, sie legt vom Mainstream verdrängte Probleme offen und arbeitet sie auf, sie lebt Toleranz durch Vielfalt und Andersartigkeit und schafft Kunst und Kultur ohne beschränkende kommerzielle Zwänge. Der Erhalt und die Akzeptanz selbstbestimmter Räume wie auch die finanzielle Unterstützung von kulturellen und alternativen Projekten sind lebenswichtig für Berlin!
 
Vergleiche hierzu frühere Pressemitteilungen von www.eve-rave.net zur Fuckparade:
Aufruf zur Fuckparade 2005: http://www.eve-rave.net/abfahrer/presse/presse05-08-03.html
Fuckparade 2004: http://www.eve-rave.net/abfahrer/presse/presse04-06-27.html
Love the Fuckparade: http://www.eve-rave.net/abfahrer/presse/presse03-06-20.html
Fuck the Love Parade – Love the Fuckparade: http://www.eve-rave.net/abfahrer/presse/presse02-07-07.html



Berlin, den 17. Mai 2007
Redaktion Webteam Eve & Rave e.V. Berlin

Index Pressemitteilungen     Eve & Rave Berlin News