Versammlungsrecht und Demonstrationen
Bundesverwaltungsgericht bestätigt
Demonstrationsstatus der Fuckparade
Redaktion Webteam www.eve-rave.net Berlin
Pressemitteilung vom 17. Mai 2007 zur Fuckparade
Das Recht mit anderen Menschen zusammen
für etwas in der Öffentlichkeit
zu demonstrieren ist in Deutschland ein unveräußerliches
Grundrecht,
das in Artikel 8 (Versammlungsfreiheit) des Grundgesetzes
festgeschrieben
ist. Das besagte Grundrecht gewährleistet
insbesondere Minderheitenschutz und verschafft auch denen die
Möglichkeit
zur Äußerung in einer größeren
Öffentlichkeit,
denen der Zugang zu den Medien versperrt ist. Die darauf bezogene
Versammlungsfreiheit
genießt einen gegenüber der allgemeinen Handlungsfreiheit
einen
gesteigerten Schutz. Doch dieses Recht ist in der Bundesrepublik
Deutschland keine Selbstverständlichkeit, sondern muß – wie
im Fall der »Fuckparade« – nicht
selten erst bei Gericht eingeklagt werden, wobei es Jahre dauern kann,
bis einem das verbriefte Recht auch amtlich zugesprochen wird. So hat
das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig erst knapp sechs Jahre nach der
»Fuckparade 2001« entschieden, daß der
Polizeipräsident in Berlin die Veranstaltung »Fuckparade
2001« als
Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes und damit im Sinne des
Grundgesetzes hätte behandeln müssen. Das Verbot der »Fuckparade«
im Jahr 2001 war somit rechtswidrig.
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Der Berliner Paradenstreit
Als farbenfrohe Demonstration für Freude und
Frieden ist die Berliner
»Love Parade« 1989 der damals sich neu entwickelnden
Techno-Szene des Berliner
Undergrounds entsprungen. Der Discjockey Dr. Motte meldete seinerzeit
als
Veranstalter diese Demonstration bei der zuständigen
Polizeibehörde an und seiner Einladung zum Friedenstanz folgten
etwa
150 Freunde aus der Szene. Mit ihrer Art zu demonstrieren, setzten sie
völlig neue Akzente in die Versammlungskultur.
Mitte der neunziger Jahre war die »Love
Parade« schon weit mehr vom Kommerz
als von der Kultur geprägt. Ein paar wirtschaftlich und personell
eng verflochtene Firmen hatten das rege Medieninteresse an der »Love
Parade«
für die Werbung ihrer Veranstaltungen sowie von teuren
Markenprodukten
ausgeschlachtet und die »Love Parade« war vom
Konzept her nichts anderes
mehr als ein rein kommerzielles Straßenfest. Außer der Love
Parade GmbH waren vor allem die Planetcom GmbH, die May Day GmbH sowie
die Low Spirit Recordings GmbH an der Ausschlachtung der Berliner
Underground-Kultur
zum Nachteil der Underground-Szenen in der Stadt beteiligt. Die Love
Parade GmbH, eine auf Gewinnstreben ausgelegte Kapitalgesellschaft,
verlangte für jeden Musikwagen mehrere Tausend Mark
Anmeldegebühr,
so daß viele Berliner Szene-Klubs, in denen nicht wenige die
groß
präsentierten Musiktitel entstanden, keine Teilnahmechancen
hatten.
Zudem kassierte die Love Parade GmbH jährlich aus den
Verkäufen
von Bildrechten und Werbeeinnahmen Beträge in Millionenhöhe.
Kurzum, die Love Parade GmbH nutzte über Jahre hinweg für
ihre
Tanzparade in Berlin den Status einer Demonstration und die damit
verbundene
Förderung mit Steuergeldern (Kosten für Absperrungen und
Reinigung
zu Lasten der Staatskasse) und konnte so Gewinne in Millionenhöhe
erwirtschaften.
Um gegen diesen Mißbrauch des
Versammlungsrechtes wie auch gegen
den damit einhergehenden Trend zur Kommerzialisierung der Berliner
Technoszene
ein Signal zu setzen, haben sich 1996 vor allem politisch redlich
denkende
Raver vom Umfeld der Love Parade und ihre Macher distanziert und ab
1997
jeweils am Tag der »Love Parade« zu einer
Demonstration gegen diesen Mißbrauch
und vor allem auch gegen diese Kommerzialisierung aufgerufen und sich
zur
Veranstaltung der »Hateparade« (1997) respektive
»Fuckparade« (ab 1998) versammelt.
Somit war den Behörden in Berlin spätestens ab der Anmeldung
der »Hateparade« im Juli 1997 durch DJ Trauma XP der
Tatbestand bekannt,
daß die »Love Parade« keine Demonstration im
Sinne des Versammlungsrechtes
war, sondern eine kommerzielle Tanzveranstaltung. Dennoch duldeten die
Polizeibehörden die »Love Parade« als
Demonstration, weil sie so viel
Geld und Touristen in die Stadt holte wie keine andere
Großveranstaltung in Berlin.
Erst die ursprünglich für den 14. Juli
2001 vorgesehene, dann aber erst am 21. Juli 2001 durchgeführte
»Love Parade«, die wegen einer bereits zuvor
für den gleichen Zeitraum am
gleichen Ort angemeldeten Demonstration zum Thema »Der
Tiergarten gehört
allen Berlinern« untersagt worden war, wurde gemäß
Bescheid
des Polizeipräsidenten in Berlin vom 22. Mai 2001 nicht mehr als
Demonstration
anerkannt. Zur Begründung hieß es, die »Love Parade«
sei eine
reine Musikveranstaltung und weise nicht den für eine Versammlung
maßgeblichen verbindenden Zweck der Meinungsbildung und
Meinungsäußerung
auf. Auch das in dieser Sache angerufene Verwaltungsgericht entschied
am
28. Juni 2001 in gleicher Weise und stellte zudem fest, daß die
Versammlungseigenschaft
auch deshalb zu verneinen sei, weil es sich bei der »Love
Parade« um eine
kommerzielle Veranstaltung handle. Es sei nicht gerechtfertigt, rein
wirtschaftlich
motivierte Zusammenkünfte von Menschen verfassungsrechtlich zu
privilegieren.
Diese Entscheidung wurde am 6. Juli 2001 vom Oberverwaltungsgericht und
am 12. Juli 2001 vom Bundesverfassungsgericht bestätigt. So war
die »Love Parade« im Jahr 2001 keine Demo, sondern
eine reine Straßenveranstaltung
(auf der Basis einer straßenrechtlichen
Sondernutzungsgenehmigung)
und die Macher mußten die Müllbeseitigung sowie andere
Nebenkosten
bezahlen und nicht mehr der Steuerzahler.
Der Antrag von DJ Trauma XP, die »Fuckparade«
im Juli 2001 als Demonstration
durchzuführen, wurde vom Polizeipräsidenten in Berlin mit
Bescheid
vom 14. Mai 2001 zurückgewiesen. Dem eingelegten Widerspruch gegen
den Bescheid des Polizeipräsidenten wurde vom Verwaltungsgericht
mit
Beschluß vom 28. Juni 2001 stattgegeben. Das Gericht stellte
fest,
daß es für die Qualifizierung als Versammlung unerheblich
sei,
ob Musik und Tanz zur Unterstützung der Versammlungsthemen als
spezifische
Ausdruckformen eingesetzt werden. Die Veranstaltung habe gleichwohl
deshalb
Versammlungscharakter, weil die Verbreitung zahlreicher Handzettel
beabsichtigt
sei, auf denen das Anliegen der Veranstaltung ausfühlich und
verständlich
dargestellt werde. Zudem verfolge die »Fuckparade«
nicht wie die »Love Parade«
komerzielle Zwecke. Weder müssen für die Musikwagen
Startgebühren
entrichtet werden, noch seien Werbeeinnahmen oder sonstige Gewinne zu
erwarten.
Die »Fuckparade« habe den Charakter einer
Demonstration.
Das Oberverwaltungsgericht änderte diese
Entscheidung mit Beschluß
vom 6. Juli 2001 wieder mit der Begründung ab, das Schwergewicht
der
Veranstaltung liege eindeutig auf dem Gebiet der Unterhaltung. Dem
schloß
sich auch das Bundesverfassungsgericht mit Beschluß vom 12. Juli
2001 mit einer äußerst realitätsfremden
abschleißenden
Bemerkung an, daß auch der »Fuckparade« die
Möglichkeit bleibe,
eine Sondernutzungsgenehmigung für die Straßenbenutzung zu
beantragen,
wobei deren Erteilung nicht aus zeitlichen Gründen im Hinblick auf
den langwierigen, die rechtliche Einordnung der Veranstaltung
betreffenden
Entscheidungsprozeß, versagt werden dürfe. Da eine
kostenneutrale
Sondernutzungsgenehmigung in nur einem Tag in Berlin nicht erteilt
werden
kann, wurde der »Fuckparade« somit ihr Grundrecht
auf Demonstrationsfreiheit
mit höchstrichterlichem Segen verwehrt. Die Fuckparade konnte
nicht
stattfinden.
Stattdessen wurde am 14. Juli 2001 für das
Demonstrationsrecht
und die freie Wahl der Mittel bei einer Versammlung auf
öffentlichem
Grund demonstriert. Radio Fritz, ein öffentlichrechtlicher
Radiosender
in Berlin, solidarisierte sich mit der »Fuckparade«.
Die Djs konnten in der
Volksbühne ihre Platten auflegen, die Musik wurde vom Radiosender
übertragen und sollte auf der Demonstration aus Radios und
Ghettoblastern
die verbotenen Soundsysteme ersetzen. Promt wurden auch die Radios und
Ghettoblaster verboten, obwohl das Abspielen von Musik auf
Demonstrationen
sonst etwas selbstverständliches ist.
Besonders pikant dabei ist die Tatsache, daß
das Bundesverfassungsgericht
in seinem Beschluß feststellte, daß Versammlungen auch dann
in den Schutzbereich des Versammlungsfreiheit fallen, wenn sie ihre
kommunikativen
Zwecke unter Einsatz von Musik und Tanz verwirklichen. Dies gilt jedoch
nur, wenn diese Mittel zur kommunikativen Entfaltung mit dem Ziel
eingesetzt
werden, auf die örtliche Meinungsbildung einzuwirken. Von der
Versammlungsfreiheit
sind solche Veranstaltungen auch dann erfaßt und rechtlich
geschützt,
wenn sie sich zum Beispiel dafür einsetzen, daß bestimmte
Musik-
und Tanzveranstaltungen auch in Zukunft ermöglicht werden sollen.
Geschützt durch das Grundgesetz ist in solchen Fällen die
kommunikative
Einflußnahme auf die öffentliche Meinung, um auf die
zukünftige
Durchführung solcher Veranstaltungen hinzuwirken, nicht aber das
Abhalten
der Musik- und Tanzveranstaltung selbst.
Nach mehreren Gerichtsverhandlungen, die sich
insgesamt über etwa sechs Jahren hinzogen, hat das
Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am 16. Mai 2007 entschieden,
daß der
Polizeipräsident in Berlin die Veranstaltung »Fuckparade
2001« als
Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes und damit im Sinne des
Grundgesetzes hätte behandeln müssen. Das Verbot der »Fuckparade«
im Jahr 2001 war somit rechtswidrig.
Die Chronologie eines Rechtsstreites
Der Leiter der Berliner Versammlungsbehörde,
Herr Haß, hatte in einem Kooperationsgespräch mit dem
Veranstalter der »Fuckparade« am 9. April 2001
angekündigt, die »Fuckparade« dieses Jahr nicht
mehr als Demonstration genehmigen zu wollen. Vorsorglich hatten die
Veranstalter der »Fuckparade« gegen diesen
mündlichen Verwaltungsakt am 18. April 2001 Widerspruch eingelegt,
jedoch ohne Erfolg. Gegen die Ablehnung der Fuckparade als
Demonstration haben die Fuckparade-Organisatoren 21. Mai 2001 vor dem
Berliner Verwaltungsgericht einen Eilantrag auf vorläufigen
Rechtsschutz gegen das Land Berlin gestellt. Im Beschluß vom 28.
Juni 2001 begründete das Verwaltungsgericht Berlin
ausführlich, warum die »Fuckparade« eine
Demonstration im Sinne des Versammlungsgesetzes sei.
Beschluß Verwaltungsgericht Berlin vom 28. Juni
2001 im 1. Eilverfahren (VG 1 A 166.01)
http://www.fuckparade.org/recht/2001-06-28/
Nachdem das Berliner Verwaltungsgericht in seinem
Beschluß vom 28. Juni 2001 der »Fuckparade«
die Versammlungseigenschaft zuerkannt hatte, reichte die
Versammlungsbehörde am 3. Juli 2001 Beschwerde gegen diesen
Beschluß beim Oberverwaltungsgericht Berlin ein. Mit
Beschluß vom 6. Juli 2001 erklärte das Berliner
Oberverwaltungsgerichts, daß die geplante »Fuckparade
2001« keine Demonstration im Sinne des
Versammlungsgesetzes sei.
Beschluß Oberverwaltungsgericht Berlin vom 6. Juli 2001
im 1. Eilverfahren (OVG 1 S 11.01)
http://www.fuckparade.org/recht/2001-07-06/
Am 9. Juli 2001 beantreagte der Anmelder der
»Fuckparade 2001« beim
Bundesverfassungsgericht in einem Eilantrag die Aufhebung des
Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts Berlin vom 06.07.2001und des
Bescheides des Polizeipräsidenten in Berlin vom 14.05.2001 zu
regeln und daß die mit Schreiben vom 19.03.2001 angemeldete
»Fuckparade 2001« nach dem
Versammlungsgesetz zu behandeln sei. In dem Verfahren über diesen
Antrag Entschied das Bundesverfassungsgericht im Wege einer
einstweiligen Anordnung, daß die »Fuckparade 2001«
keine Demonstration im Sinne des Versammlungsgesetzes sei.
Eilantrag vom 9. Juli 2001 vom Anmelder der »Fuckparade 2001«
beim Bundesverfassungsgericht
http://www.fuckparade.org/2001/fp2001_news_klage_0709.html
Einstweilige Anordung im Eilverfahren des Bundesverfassungsgerichtes
vom 12. Juli 2001 (1 BvQ 28/01)
http://www.bverfg.de/entscheidungen/qk20010712_1bvq002801.html
Nachdem der Antragsteller mit seinem Begehren, die
für den 14. Juli 2001 geplante »Fuckparade 2001«
als Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes abzuhalten, nunmehr
auch höchstrichterlich gescheitert war, meldete er sogleich
für den selben Termin eine Versammlung zum Thema »Für
Demonstrationsfreiheit, für eine freie Wahl der Mittel einer
Demonstration« in Berlin-Mitte an. Nach der Anmeldung sollte
eine herkömmliche Demonstration mit Transparenten, Megafonen,
Sprechchören und Redebeiträgen abgehalten werden; Musikwagen
seien nicht vorgesehen. Der Antragsteller rief indes alle Teilnehmer in
einem im Internet veröffentlichten Aufruf dazu auf, zivilen
Ungehorsam zu zeigen. Dazu sollten alle Teilnehmer
Musikinstrumente, Trommeln und Ghettoblaster mitbringen. Weiter
hieß es in dem Aufruf wörtlich: »Durch das
Mitbringen der Radios zeigen wir auch die immer wieder geforderte
innere Verbundenheit: Radio Fritz hat sich solidarisch mit den
Veranstaltern gezeigt und stellt uns von 14-20 Uhr eine Frequenz und
einen Übertragungswagen zur Verfügung, über den sich
unsere DJs, MCs und RednerInnen Gehör verschaffen können.«
Mit Bescheid vom 13. Juli 2001 hatte der
Polizeipräsident in Berlin die Anmeldung bestätigt und
zugleich mit der Auflage versehen, daß das Mitführen von
elektronischen Musikabspielgeräten (wie z.B. Ghettoblaster,
Radios, CD-Player o.ä.) und Musikinstrumenten untersagt werde.
Zwischenzeitlich hatte die Behörde klargestellt, daß hiervon
rein mechanisch betriebene Instrumente ausgenommen seien. Zur
Begründung hatte sich die Behörde im Kern darauf berufen,
daß anderenfalls über den Umweg einer Radioübertragung
die Durchführung der »Fuckparade 2001«
in ihrer ursprünglichen Form ermöglicht würde. Gegen
diese Auflagen legte der Antragsteller beim Verwaltungsgericht in
Berlin Widerspruch ein. Gemäß Beschluß vom gleichen
Tag wies das Verwaltungsgericht den Antrag auf Widerspruch zurück.
Die Beschwerde des Antragstellers beim Oberverwaltungsgericht gegen den
Beschluß des Verwaltungsgerichts Berlin vom 13. Juli 2001 wurde
am folgenden Tag, dem 14. Juli 2001, abgelehnt.
Beschluß Verwaltungsgericht Berlin vom 13. Juli 2001 im 2.
Eilverfahren (VG 1 A 231.01)
http://www.fuckparade.org/recht/2001-07-13/
Beschluß Oberverwaltungsgericht Berlin vom 14.
Juli 2001 im 2. Eilverfahren (OVG 1 SN
59.01)
http://www.fuckparade.org/recht/2001-07-14/
Im Hauptverfahren zum 1. Eilverfahren hatte das
Verwaltungsgericht Berlin am 23. November 2004 festgestellt, daß
der Verwaltungsakt der Versammlungsbehörde zur »Fuckparade
2001« rechtswidrig gewesen sei. Es teilte jedoch nicht die
Auffassung, daß die »Fuckparade 2001«
auch ohne Redebeiträge eine Demonstration im Sinne des
Versammlungsgesetzes gewesen wäre.
Urteil Verwaltungsgericht Berlin vom 23. November 2004 im
Hauptvfahren (VG 1 A 271.01)
http://www.fuckparade.org/recht/2004-11-23/
Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
hatte am 2. Mai 2006 die Berufung zurückgewiesen und entschieden,
daß die »Fuckparade 2001« in ihrer
ursprünglich angemeldeten Form ohne Redebeiträge keine
Demonstration gewesen wäre. Die Revision vor dem
Bundesverwaltungsgericht wurde wegen der grundlegenden Bedeutung des
Urteils jedoch zugelassen.
Urteil Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg vom 2. Mai 2006 im
Hauptverfahren (OVG 1 B 4.05)
http://www.fuckparade.org/recht/2006-05-02/
Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat nun am
16. Mai 2007 entgegen den vorausgegangenen Beschlüssen des
Berliner Verwaltungsgerichts und Oberverwaltungsgerichts
bestätigt, daß die »Fuckparade 2001«
in der geplanten Form auch ohne Redebeiträge eine Demonstration im
Sinne des Versammlungsgesetzes gewesen wäre und entschieden,
daß der
Polizeipräsident in Berlin die Veranstaltung »Fuckparade
2001« als
Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes und damit im Sinne des
Grundgesetzes hätte behandeln müssen. Die von dem Kläger
angemeldete Veranstaltung war als Versammlung zu
behandeln, weil nicht zweifelsfrei auszuschließen ist, daß
die
Veranstaltung mit Blick auf ihr Gesamtgepräge für einen
Außenstehenden
erkennbar auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung
gerichtet war. Bei der Beurteilung des Gesamtgepräges einer
Veranstaltung sind mit Blick auf die besondere Bedeutung des
Grundrechts der Versammlungsfreiheit im Wege einer Gesamtschau alle
maßgeblichen Gesichtspunkte mit der ihnen zukommenden Bedeutung
zu
berücksichtigen. Dem hat das Oberverwaltungsgericht nicht
ausreichend
Rechnung getragen. Es hat mehrere relevante Umstände
unberücksichtigt
gelassen. Nach der vom Bundesverwaltungsgericht angestellten
eigenständigen Beurteilung des Gesamtgepräges der
Veranstaltung war
diese als Versammlung zu behandeln. Dafür, daß die
Veranstaltung
erkennbar auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung
gerichtet sein sollte, sprechen insbesondere die Handzettel, auf denen
die Forderungen der Veranstaltung wiedergegeben und näher
beschrieben
wurden, und die beabsichtigte Wiedergabe der Forderungen auf den an den
Lastkraftwagen befestigten Bannern. Von Bedeutung sind auch der
Internetauftritt des Klägers, in dem die Forderungen der
Veranstaltung
ausführlich dargelegt und begründet wurden, und die von dem
Kläger
initiierte Podiumsdiskussion. Angesichts der zahlreichen
aussagekräftigen Umstände, die für eine Versammlung
sprechen, kann
nicht angenommen werden, daß die auf Musik, Tanz und Unterhaltung
gerichteten Elemente der Veranstaltung im Vordergrund gestanden
hätten.
Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes
hat auch für zahlreiche andere Demonstrationen eine grundlegende
Bedeutung, da ihnen der Status allein wegen des Fehlens von
Redebeiträgen nicht mehr verwehrt werden darf.
Urteil Bundesverwaltungsgericht vom 16. Mai 2007 im
Hauptverfahren (BVerwG 6 C 23.06)
http://www.bverwg.de/enid/9d.html?search_displayContainer=8731
Fazit
Die Bundesrepublik Deutschland ist ein
Rechtsstaat, doch – insbesondere bei Demonstration im Sinne des
Versammlungsgesetzes – verhindern Organe der Exekutive (in
rechtswidriger Weise) die Bürgerinnen und Bürger dieses
Landes nicht selten an der Ausübung ihres
verfassungsmäßig verbrieften Rechtes. In der Folge
müssen die Bürgerinnen und Bürger bei den Gerichten ihr
Recht einklagen. Dazu ist viel Energie und Beharrlichkeit
vonnöten. Wer darüber nicht verfügt, hat sein Recht
verspielt. Die Veranstalter der »Fuckparade« haben
mit ihrer Energie und Beharrlichkeit ihr Recht mit Erfolg eingeklagt
und damit für mehr Rechtssicherheit bei Demonstrationen im Sinne
des Versammlungsgesetzes gesorgt. Den Versantaltern der »Fuckparade«,
Martin Kliehm (DJ Trauma XP) und Thomas Rupp (DJ moog_t.) sei an dieser
Stelle für ihr Engagement gedankt! Sie haben mit ihrer Initiative
nicht nur in Berlin die Kultur im allgemeinen bereichert, sondern sie
haben auch einen wesentlichen Beitrag zur Rechtskultur in der
Bundesrepublik Deutschland geleistet!
Fuckparade 2007
Die »Fuckparade 2007«
wird voraussichtlich am 18. August 2007 in Berlin stattfinden.
Das ist eine Woche nach der »Streetparade« in
Zürich respektive eine Woche nach der »Sonne Mond und
Sterne« (SMS) in Saalburg (Thüringen) respektive zwei
Wochen nach der »VuuV« in Putlitz (Brandenburg).
In Berlin geht es immer seltener so lustig zu wie
an den oben genannten Parties, da die kulturelle Verödung ganzer
Stadtteile durch die fortschreitende Vereinnahmung durch Kommerz,
Mainstream
und Spekulantentum stetig vorangetrieben wird! An der »Fuckparade
2007« wird mit Mitteln der Kultur (u.a. Musik) gegen die
kulturelle Verödung ganzer Stadtteile und für mehr
(sub-)kulturelle Freiräume demonstriert. Subkultur hat einen
sozialen Wert, keinen kommerziellen.
Für kreative Menschen ist sie Sozialisationsort,
Rückzugsmöglichkeit
und kulturelles Experimentierfeld. Subkultur ist der Nährboden
kultureller
Entwicklung, sie legt vom Mainstream verdrängte Probleme offen und
arbeitet
sie auf, sie lebt Toleranz durch Vielfalt und Andersartigkeit und
schafft
Kunst und Kultur ohne beschränkende kommerzielle Zwänge. Der
Erhalt und die Akzeptanz selbstbestimmter Räume wie auch die
finanzielle
Unterstützung von kulturellen und alternativen Projekten sind
lebenswichtig für Berlin!
Vergleiche hierzu frühere Pressemitteilungen von www.eve-rave.net
zur Fuckparade:
Aufruf zur Fuckparade 2005: http://www.eve-rave.net/abfahrer/presse/presse05-08-03.html
Fuckparade 2004: http://www.eve-rave.net/abfahrer/presse/presse04-06-27.html
Love the Fuckparade: http://www.eve-rave.net/abfahrer/presse/presse03-06-20.html
Fuck the Love Parade – Love the Fuckparade: http://www.eve-rave.net/abfahrer/presse/presse02-07-07.html
Berlin, den 17. Mai 2007
Redaktion Webteam Eve & Rave
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